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Teure Konten, kein Dispo Wie Banken Freiberufler benachteiligen

Millionen Menschen arbeiten in Deutschland als Freiberufler. Viele verdienen gut - und dennoch verweigern ihnen Banken häufig Kredite oder günstige Konten. Wehren können sich die Freien bisher kaum.
Knietief im Dispo? Schön wär's, denn viele Freiberufler bekommen keine Kredite

Knietief im Dispo? Schön wär's, denn viele Freiberufler bekommen keine Kredite

Foto: Jens Kalaene/ dpa

Wie es sich anfühlt, Bankkundin zweiter Klasse zu sein, bekam Monika Reiter* 2010 zu spüren. Viele Jahre war die Bayerin zu diesem Zeitpunkt bereits Kundin ihres Geldhauses. Doch als die freiberufliche Dozentin die Bank bat, ihr einen Dispokredit einzuräumen, erlebte sie eine unangenehme Überraschung: Ohne Rücksprache stellte das Finanzinstitut ihr Girokonto auf ein Geschäftskonto um.

Zehn Euro Grundgebühr im Monat sowie 50 Cent je Buchung sollte sie fortan für ihr Konto bezahlen. In Reiters Fall kamen so schnell 20 bis 30 Euro im Monat zusammen. Viel Geld, schließlich verdient die selbständige Lehrerin nur etwa 2000 Euro brutto im Monat. Zudem nutzt sie das Konto vor allem privat. Doch das war der Bank zunächst egal. Erst als die resolute Frau einen Ombudsmann einschaltete, lenkte das Institut teilweise ein und stellte ihre Bankverbindung wieder auf ein Privatkonto um. Doch in einem Punkt blieb das Institut hart: Einen Dispokredit erhielt Reiter nicht, trotz regelmäßiger Einkünfte. "Das Verhalten der Bank ist einfach nur dreist", sagt Reiter. Das Geldinstitut will sich auf Anfrage nicht äußern.

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So wie Reiter ergeht es offenbar einem beträchtlichen Teil der rund zweieinhalb Millionen Menschen, die in Deutschland auf eigene Rechnung und ohne Angestellte arbeiten - etwa als Anwälte, Übersetzter oder Paketboten. Fast ein Drittel der Solo-Selbständigen hierzulande verdiente im Jahr 2012 brutto nur 8,50 Euro oder weniger in der Stunde. Wohl auch deswegen zählen Ein-Mann-Betriebe nicht gerade zu Bankers Liebling.

"Viele haben Probleme, bei ihrer Bank einen Dispo- oder Konsumkredit zu bekommen", sagt Gunter Haake, Geschäftsführer der Ver.di-Selbständigenberatung Mediafon. Die Gewerkschaft vertritt gut 30.000 Freiberufler, etwa aus dem IT- oder Medienbereich.

Bankkunden zweiter Klasse

In zahlreichen Fällen würden Banken den Ein-Mann-Betrieben teure Geschäftskonten aufzwingen oder den Dispo über Nacht kündigen, berichtet Haake. Ähnlich äußerst sich der Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren (VFLL). Das Verhalten der Geldinstitute sei umso ärgerlicher, da Lektoren in der Regel ein regelmäßiges Einkommen bezögen - nur eben als Honorar und nicht als Gehalt, so eine VFLL-Sprecherin. Haake zufolge haben manche der Einzelkämpfer sogar Probleme, überhaupt ein Konto zu bekommen. Ein Riesenproblem, ohne Bankverbindung kann man kaum arbeiten.

Die Bilder gleichen sich. Beim Deutschen Journalistenverband weiß man: "Einen Kredit zu bekommen ist für freie Journalisten auch bei ordentlichen Einkünften oft ein Problem." Und der Deutsche Anwaltverein beobachtet: "Die Banken sind bei der Kreditvergabe an freiberuflich tätige Anwälte sicher kritischer als noch vor einigen Jahren."

Selbst Spitzenverdiener unter den Selbständigen haben mitunter Probleme, einen Kredit zu bekommen. "Einmal mussten wir hier einen Elb-Lotsen beraten, dem seine Bank ein Darlehen für den Hausbau verweigert hatte", sagt Christian Schmid-Burgk von der Verbraucherzentrale Hamburg. Dabei habe der Hanseat einen regelmäßigen Netto-Verdienst von mehr als 6000 Euro im Monat vorweisen können. Dennoch wollte ihm das private Geldinstitut keine 200.000 Euro für seinen 450.000 Euro teuren Hausbau zuschießen. Dass Banken auch Selbständigen mit guten Einkommen die kalte Schulter zeigen, sei keine Seltenheit, so Schmid-Burgk.

Teure Konten für Freie

Eine Sprecherin der Deutschen Kreditwirtschaft betont dagegen, der Zugang zu Finanzdienstleistungen sei in der Bundesrepublik verglichen mit anderen EU-Ländern sehr gut. Zwar haben sich die Sparkassen vor einem Jahr immerhin verpflichtet, jeder Privatperson zumindest ein Konto ohne Überziehungsmöglichkeit einzurichten - damit dürfte die Zahl der Solo-Selbständigen ohne eigene Bankverbindung jüngst gesunken sein. Anders als Angestellte müssen sie aber bei vielen Geldhäusern auf ein teures Geschäftskonto zurückgreifen.

Insgesamt fragte KarriereSPIEGEL bei zwei Dutzend Banken an, welche Konten sie Solo-Selbständigen anbieten. Manche Institute wie die Sparda Banken in München und Nürnberg nehmen gleich gar keine Freiberufler. Die meisten der angeschriebenen Sparkassen, Genossenschafts- und Privatbanken bieten den beruflichen Einzelkämpfern allerdings zumindest kostenpflichtige Konten an.

So verlangt etwa die HypoVereinsbank für ein Geschäftskonto zwischen fünf und 30 Euro im Monat. Hinzu kommen noch Buchungsentgelte, je nach Kontotyp drei Cent bis 2,50 Euro. Nur vereinzelt bieten Geldinstitute wie die DKB zumindest bestimmten Gruppen von Freiberuflern wie Steuerberatern kostenlose Geschäftskonten an.

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Es gibt jedoch eine Reihe von Berufsgruppen, die nur sehr selten Probleme mit ihren Banken haben. "Eine pauschale Kreditklemme für Selbständige in den freien Berufen gibt es nicht", sagt Marcus Kuhlmann, Geschäftsführer des Bundesverbands der Freien Berufe. So haben etwa Ärzte oder Apotheker Umfragen zufolge in der Regel kaum Schwierigkeiten, bei den Finanzinstituten an frisches Geld zu kommen.

Ver.di-Mann Haake sieht den Gesetzgeber in der Pflicht: Banken dürften Solo-Selbständige, die über geregelte Einkünfte verfügen, nicht schlechter behandeln als Festangestellte. Freiberuflern, denen ihr Finanzinstitut Ärger macht, empfiehlt er, möglichst rasch mit einem Mitarbeiter in einer Filiale zu sprechen. "Oft lohnt es sich auch, bei anderen Banken nachzuhaken", rät Verbraucherschützer Schmid-Burgk. Im Fall des Lotsen half dieses Vorgehen. "Die Sparkasse fragte sogar gleich, ob er nicht noch ein höheres Darlehen haben will", erinnert sich Schmid-Burgk.

*Name geändert

Tobias Lill (Jahrgang 1977) absolvierte die Deutsche Journalistenschule und arbeitet als Journalist in München.

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