
Hausmeister in Goebbels-Villa: "Wozu mache ich das eigentlich?"
Hausmeister im Nazi-Relikt Müllers Kampf um Goebbels' Villa
Manchmal kommt sich Roberto Müller wie Sisyphus vor. Er schuftet und schuftet, aber niemand sieht das Ergebnis seiner Arbeit. Der 61-Jährige ist Hausmeister einer Villa, in der niemand wohnt und so schnell auch niemand einziehen wird.
Das prachtvolle Haus knapp 40 Kilometer nördlich von Berlin gehörte einst NS-Propagandaminister Joseph Goebbels, später bildete hier die DDR-Staatspartei SED ihren Kadernachwuchs aus. Seit dem Jahr 2000 steht die Villa auf dem 16,8 Hektar großen Areal leer. Ein Investor, der Villa und umliegende Gebäude mietet oder pachtet, ist nicht in Sicht. Und ein Verkauf kommt für Berlin nicht in Frage. Schließlich könnten Neonazis oder andere rechtsextreme Gruppen über Strohmänner das Gelände erwerben und später eine Wallfahrtsstätte daraus machen: Denn bei einem Eigentümerwechsel könnte die künftige Nutzung maximal für zehn Jahre festgeschrieben werden.
Wenn er einen Wunsch frei hätte, "dann müssten hier ganz schnell viele Menschen einziehen und das Gelände wieder beleben", sagt Müller. Zu DDR-Zeiten reisten pro Jahr rund 500 Studenten aus der ganzen Welt an. "Das war die schönste Zeit vom Flair her, hier war immer was los", sagt der Hausmeister. Er arbeitet seit 1984 auf dem Gelände, damals war er bei der Hochschule der Freien Deutschen Jugend (FDJ) angestellt. Stolz verweist Müller auf die hohe technische Ausstattung der Hochschule, die weit über dem DDR-Standard gelegen habe.
Filmsaal für 2,3 Millionen Reichsmark
Die Villa hat Goebbels 1939 erbauen lassen, sie umfasste 30 Privaträume, 40 Dienstzimmer und einen Filmsaal. 2,3 Millionen Reichsmark soll allein dieser gekostet haben, großzügig gesponsert vom Filmunternehmen UFA. Besonders stolz sei Goebbels auf die drei großen, im Boden versenkbaren Panoramafenster mit Blick auf den See in seinem Wohnzimmer gewesen, heißt es.
In den Fünfzigerjahren erweiterte Hermann Henselmann, Architekt des Ost-Berliner Prachtboulevards Stalinallee, die Villa um imposante Studiengebäude. Vom einstigen Glanz ist wenig geblieben.
Nach dem Ende der DDR wurde die Kaderschmiede abgewickelt. Ein Kindergarten und ein Friseur zogen ein. Das holzgetäfelte Wohnzimmer von Goebbels wurde zur Kneipe. Zeitweise wurde ein Teil seiner Privaträume samt dem bis heute erhaltenen Badezimmer an zahlungskräftige Gäste für einen Wochenendausflug vermietet, für 200 Mark.
Der gemeinnützige "Internationale Bund für Sozialarbeit" übernahm schließlich die Gebäude und bildete hier sozial benachteiligte Jugendliche in vielen Handwerken aus. Die Zimmer wurden renoviert, erhielten eigene Bäder, ein Tagungshotel und mehrere Restaurants wurden eröffnet. Doch Ende 1999 war Schluss. Die Renovierungskosten waren für den "Internationalen Bund" auf Dauer nicht zu bezahlen.
Arbeiten in der "Kammer des Schreckens"
In dicken Placken blättern nun Putz und Farbe von den zartgelb gestrichenen Gebäuden ab. Frost und Regen setzen den nicht geheizten Häusern arg zu. Dächer und Balkone sind undicht. Wasser sickert ein, tropft aufs Parkett, lässt die Wände schimmeln.
Er mache hier so viele Arbeiten, die gar keiner sehe, klagt Müller. "Ich bin der Don Quijote vom Bogensee." Im Sommer sei er vor allem damit beschäftigt, die schöne Sichtachse vom Hauptgebäude zur rund hundert Meter entfernten Mensa freizuhalten. "So viel Wildwuchs hier. Die Natur erobert sich alles zurück."
Das einstige Herzstück der Anlage, den großen Vortragssaal des Hauptgebäudes, mag er gar nicht mehr betreten. Müller nennt ihn "Kammer des Schreckens" - weil die Schäden irreparabel sind. Das Parkett hat sich durch das hereintropfende Wasser an vielen Stellen angehoben und in Stolperfallen verwandelt. Die 525 Klappsessel im Saal, mit ihren Kopfhöreranschlüssen einst technische Avantgarde, sind verzogen und ruiniert. Staub und bröselnder Putz bedecken alle Oberflächen. "Das tut weh", sagt der Hausmeister.
Über dem Saal war mal die größte Simultandolmetscheranlage der DDR. Die Technik ist längst abgebaut oder geklaut worden. Vandalismus sei ein großes Problem, sagt Müller. Das riesige Areal im Wald ist nicht eingezäunt und für jeden zugänglich. Ab und an schaut ein Wachschutz des Verwalters vorbei. Doch vieles ist schon zerstört. Fensterscheiben wurden eingeschmissen, selbst seltene Pflanzen wie japanische Azaleen wurden aus den Grünanlagen gerissen. "Da fragt man sich doch nach dem Sinn. Wozu all die Arbeit und das ganze Herzblut hier reinstecken, wenn alles vermodert?", klagt Müller.
Einige Nebengebäude sollen nun abgerissen werden, 150.000 Euro im Jahr könnten so gespart werden, sagt Birgit Möhring, Geschäftsführerin der Berliner Immobilienmanagement GmbH, die für landeseigene Grundstücke und Immobilien zuständig ist. "Ich würde die Goebbels-Villa am liebsten abreißen. Man muss nicht jedes Denkmal erhalten."