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Location Scouts: Perfekte Drehorte gesucht

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Von Beruf Locationscout Auf der Suche nach dem richtigen Dreh

Vor diesen Spezialisten ist kein Gemäuer, keine Wohnung sicher: Locationscouts fahnden ständig nach dem perfekten Motiv für Kino- oder Fernsehfilme. Oft fahren sie 50 mögliche Drehorte ab - damit nicht zum Beispiel in einem Historienschinken Satellitenschüsseln oder Windräder ins Bild ragen.

Wenn Roland Gerhardt ins Kino geht oder fernsieht, erkennt er oft Orte wieder, an denen er schon einmal gewesen ist - oder die er selbst vorgeschlagen hat. Gerhardt ist als Locationscout für Film, Fernsehen und Werbung tätig. Für einen abendfüllenden Spielfilm fährt er 30 bis 80 mögliche Drehorte ab.

So entdeckte Gerhardt für die ARD-Serie "Türkisch für Anfänger" in Berlin-Friedenau das Elternhaus der Familie; für die aktuelle Verfilmung des Bestsellers "Russendisko" von Wladimir Kaminer stieß er auf die alte Kantine eines Sportplatzes - im Film jetzt das Hinterzimmer des Clubs "Kaffee Burger". Für Julie Delpys Drama "Die Gräfin" suchte er sämtliche Motive, für einen Spielfilm über Helmut Kohl fand er ein Grundstück, das als Gemüsegarten von Kohls Eltern im Jahr 1947 dienen konnte.

In den USA sind Locationscouts seit langem fester Teil der Filmbranche, in Deutschland setzte sich der Beruf erst in den neunziger Jahren langsam durch. Im September 2010 gründete sich der Bundesverband Locationscouts (BVL). Vorsitzender ist Roland Gerhardt. Früher hätten Szenenbildner die Drehorte ausfindig gemacht, inzwischen werde die Aufgabe auch aus Zeitgründen an Spezialisten abgegeben, sagt er. Seine Berliner Firma Location Networx hat rund 200 Projekte pro Jahr, in der Datenbank liegen rund 9000 Locations.

Ausgefallene Wohnungen sind als Drehorte gefragt

Die Arbeit der Locationscouts ist projektbezogen, bei Bedarf fragt eine Filmproduktion die Experten an. Sie lesen das Drehbuch, treffen sich mit dem Szenenbildner und besprechen, "in welcher Welt" die Geschichte spielt. Dazu gehören Personen, Outfits - und "ob jemand in einem Alt- oder Neubau wohnt", sagt Gerhardt. Der Locationscout macht dann Vorschläge an die Szenenbildner und Regisseure, bevor die Ortsbesichtigung folgt.

Für "Russendisko" suchte Gerhardt auch eine große Wohnung mit einer Blickachse durch mehrere Zimmer. Ausgefallene Wohnungen bieten ihm oft Mieter oder Eigentümer an, die ihr Zuhause für filmreif halten. Eine lukrative Sache für die Bewohner: Das Honorar ist frei verhandelbar, kalkulieren lässt sich aber laut Gerhardt mit einer Nettokaltmiete pro Drehtag.

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Allerdings bedeuten Dreharbeiten in den eigenen vier Wänden auch "einen schweren Eingriff in die Privatsphäre", sagt er. Denn meist haben die Filmer ganz eigene Vorstellungen, wie der Drehort aussehen soll - und verändern nicht nur Details, sondern räumen eine Wohnung komplett um oder streichen die Wände in anderen Farben (wenn sie sich anständig benehmen, verwandeln sie die Wohnung am Ende der Dreharbeiten zurück und reparieren Schäden). Zudem besteht ein Filmteam nicht selten aus 30 bis 50 Mann. Und so ist auch ein Ein-Zimmer-Apartment im Film in Wahrheit eher eine Vier-Zimmer-Wohnung.

Wenn das Filmteam kommt, geht der Wohnungsbesitzer besser

Als Beispiele für gefragte Orte nennt Location Networx große Wohnungen ab 100 Quadratmeter sowie Lofts, Häuser, Villen und Schlösser, daneben auch Büros und Gewerberäume. Wenn sich Privatleute an eine Motivagentur wenden, wird die Location in die Datenbank aufgenommen, bei Interesse meldet sich eine Film- oder Fotoproduktion und schließt dann oft Motivmietverträge ab. Angesichts des Aufwands und der Einschränkungen könne es für die Motivgeber auch sinnvoll sein, für die Zeit der Dreharbeiten ein Hotelzimmer auszuhandeln, sagt Gerhardt.

Locationscouts sind ständig auf der Suche nach neuen, ungewöhnlichen Schauplätzen, das hört auch in der Freizeit nie ganz auf - jeder Beruf kennt eben seine eigene déformation professionelle. Roland Gerhardt sagt, er könne durchaus noch Freunde besuchen, ohne deren Heim in Gedanken als möglichen Drehort zu scannen. "Aber ich komme schon manchmal an Stellen vorbei, wo ich denke, das könnte ich noch mal brauchen."

Seine bisher exotischste Location war für "Maria Stuart" des ZDF-Theaterkanals ein riesiges Salzbergwerk bei Eisenach - allerdings wurde der Film dann nie produziert. Für die Werbung suchte Gerhardt auch schon Zebrastreifen und Gullydeckel. "Schwierig sind immer historische Sachen", sagt er. "Da muss man irgendwas finden, wo die Zeit stehengeblieben ist" - und keine Satellitenantennen, Hochspannungsleitungen oder Windräder stören.

Rund 100 hauptberufliche Location-Scouts in Deutschland

Dauerhafte Exklusivität ist schwierig: "Tolle Motive lassen sich in der Filmszene nicht geheim halten." In Berlin sei das kein so großes Problem, da gebe es viele Möglichkeiten. In München dagegen hätten nur "wenige Villenbesitzer Lust auf Dreharbeiten". Und in manchen Hamburger Straßenzügen rücken alle paar Wochen neue Filmteams an. Was wegen der dauernden Parkverbote und Absperrungen nicht jeden Anwohner freut. Auch sonst sind Filmteams nicht überall willkommen, in Unternehmen zum Beispiel können sie den Betrieb mächtig durcheinander wirbeln. Dann ist es an der Zeit für Überzeugungsarbeit.

Immer dabei haben Locationscouts eine Kamera, einen Laptop, ein Smartphone. Nach Drehorten fahnden sie in der Regel in einem Umkreis von 200 Kilometern, per Auto, Rad oder zu Fuß. Eine feste Ausbildung gibt es nicht. Location-Scouts sind Quereinsteiger, viele kommen aus der Filmindustrie oder sind Fotografen.

Gerhardt kam 1991 durch eine Produktionsassistenz für eine ZDF-Serie in Hamburg erstmals mit dem Job in Kontakt. 1999 ging er nach Berlin, um professionell als Locationscout zu arbeiten. "Damals wurden viele gesucht, und es gab wenige", sagt er.

Inzwischen ist das Angebot groß: Gerhardt schätzt die Zahl der hauptberuflichen Locationscouts in Deutschland auf rund 100, im neuen Berufsverband sind 35 organisiert. Das Honorar liegt im Spielfilmbereich im Durchschnitt bei etwa 300 Euro pro Tag.

Von Nadine Emmerich, dapd/jol
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