Nie wieder Bullet Points Warum es sich lohnt, kreativ nach Mitarbeitern zu suchen
Bestatter müssen viel aushalten - so auch Jörg Schaldach. Seit mehr als 25 Jahren leitet er das Krematorium in Meißen und es fällt immer schwerer, geeignete Mitarbeiter zu finden. Etwa zwei Drittel sagen nach dem Probearbeiten ab. "Wenn die Bewerber über dem Sarg stehen, dann denken sie über das eigene Leben nach und merken, die Arbeit im Krematorium ist doch nicht so das richtige", sagt er.

Stellenanzeige
Foto: Krematorium MeissenNun hat Schaldach einen neuen Weg eingeschlagen: eine außergewöhnliche Stellenanzeige. Darin heißt es unter anderem "Du findest Dich im Alltag zurecht - kannst Dich mit Grundnahrungsmitteln selbst versorgen, weißt, wozu Dusche, Deo und Waschmaschine notwendig sind (...)." Außerdem: "Du (...) brauchst kein Urlaubssemester, um zu Dir selbst zu finden, schreibst nicht alle drei Minuten eine WhatsApp oder checkst Facebook (...)."
Ungewöhnliche Worte für ein Krematorium. Aber es hätten sich 154 Menschen auf diese Anzeige gemeldet, ein absoluter Erfolg, sagt Schaldach. Mit mehr als 30 führte er ein Vorstellungsgespräch.
Immer mal wieder machen kleine und mittelständische Unternehmen mit ungewöhnlichen Stellenanzeigen oder Aktionen auf sich aufmerksam. Im April ließ sich Glaser Sven Sterz dabei filmen, wie er eine Glasplatte fallen und zersplittern ließ.
Ich muss verrückt sein 🤔😂😀😉
Posted by Glaserei Sterz on Friday, February 16, 2018
Im Februar suchte Jochen Kalz aus Eggenfelden in Bayern nach "Grantlern" und "Taugenichtsen". Seine Firma für Brandschutz und Elektrotechnik beschrieb er selbst als "Möchtegernunternehmen".
Eine Kita kam auf diese Zeilen: "Sie arbeiten gerne bei 300 Dezibel, Ihre Knochen verkraften permanentes Krabbeln, Hocken auf Zwergenstühlen und Stemmen von pummeligen Fünfjährigen" und bei der Aufgabenbeschreibung: "Immer cool bleiben. Selbst wenn sich Emil die Bastelschere von den Igeln in die Wange rammt."
Und ein Pflegedienst versuchte, mit diesen Worten neue Kollegen zu gewinnen: "Freuen Sie sich auf ausgelaugte Kollegen, Überstunden ohne Ende und ein attraktives Gehalt von 850 Euro brutto."
"Ungewöhnliche Stellenanzeigen sind für Unternehmen ein Muss", sagt Armin Trost, Professor für Personalmanagement an der Uni Furtwangen. "99 Prozent aller Stellenanzeigen sind stinklangweilig." Dort würden nur Voraussetzungen und Aufgaben aufgelistet - doch vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, die um Fachkräfte konkurrierten, müssten vermitteln, warum ein Job bei ihnen attraktiv sei.
"Viele gut qualifizierte Leute suchen gar nicht aktiv nach einem Job. Sie werden nur auf ein Unternehmen aufmerksam, wenn sie über die Stellenanzeige stolpern", sagt Trost. Das würde meist nur mit einer außergewöhnlichen Anzeige passieren - etwa, wenn ein Video in den Social-Media-Kanälen geteilt werde. Würden Chefs aber im Alleingang handeln, könnte es schnell peinlich werden.
Vor einigen Jahren etwa ließ BMW junge Leute darüber rappen, wie sinnvoll ein Praktikum in dem Unternehmen sei. "Das ist deine Chance neben grauer Theorie", heißt es da, oder: "Mit 'nem Praktikum bei BMW kannst du nur gewinnen."
Es gebe einige peinliche Videos dieser Gattung, sagt Mirko Derpmann von der Werbeagentur Scholz & Friends. Um solche "Fails" zu vermeiden, sollten sich Unternehmen so treu wie möglich bleiben, authentisch wirken und Stellenanzeigen in eine zeitgemäße Form bringen. Dafür müssten sie sich über die Seh- und Rezeptionsgewohnheiten der Berufseinsteiger informieren. "Wenn etwa ein Glaser auftritt, der Fehler macht und sagt, er schaue nicht auf den Schulabschluss - der ist sympathisch, von dem fühlen sich viele angesprochen."
Stellenanzeigen, die viel Aufmerksamkeit bekommen oder zu viralen Hits werden, seien meist branchenuntypisch. "Alles, was ungewöhnlich ist, fällt auf." Das funktioniere auch andersherum und Derpmann erzählt die Geschichte eines Werbetexters, der eine Stelle bei einer Agentur suchte. Der Texter wusste, dass sich viele Agenturchefs selbst googeln - also schaltete er Anzeigen auf die Namen der Chefs: "Es macht sehr viel Spaß den eigenen Namen zu googeln. Mich einzustellen, macht auch Spaß." Die Werbung kostete den Bewerber nur ein paar Dollar - aber am Ende hatte er vier Einladungen zum Bewerbungsgespräch und zwei Jobangebote.
Azubi-Taxis und Mitarbeiterwohnungen
Unternehmern rät Derpmann, ihre Stärken kennenzulernen. Sie müssen wissen, warum die Mitarbeiter gern bei ihnen arbeiten. "Glückliche Mitarbeiter sind die besten Stellenanzeigen. Wenn Leute aus dem eigenen Unternehmen für ihren Arbeitsplatz werben, zu deren Botschaftern werden, dann identifizieren sie sich damit, dann arbeiten sie gern da. Und wer will nicht auch in einem Unternehmen arbeiten, in dem die Mitarbeiter sich wohl fühlen?"
Sibylle Stippler vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln rät Unternehmen auch dazu, ungewöhnliche Wege bei der Mitarbeitersuche zu gehen. Allerdings müssten sich die Geschäftsführer immer bewusst machen, dass die Stellenanzeigen auch von Kunden gelesen werden. Schwarzer Humor oder zu ausgefallene Anzeigen könne nicht jeder verstehen.
Für kleine und mittelständische Unternehmen gibt es noch andere Möglichkeiten, Mitarbeiter zu finden und zu halten. Geschäftsführer könnten Schulabgänger berücksichtigen, die kein super Zeugnis hätten, Studienabbrecher oder Frauen, die in Teilzeit arbeiten wollen. "Viele wollen die allerbesten Absolventen haben und nicht den, der am besten passt", sagt Stippler.
Der Rettungssanitäter versorgt lieber die Lebenden als die Toten
Hilfreich seien neben flexiblen Arbeitszeiten auch besondere Angebote wie etwa Mitarbeiterwohnungen oder Motorroller für Auszubildende, die noch keinen Autoführerschein haben. Azubi-Taxis könnten sie auch zum Unternehmen hinbringen und wieder abholen. Unternehmer könnten aber auch Mitarbeiter darum bitten, Kandidaten vorzuschlagen. Oft würden so längerfristig Stellen besetzt.
Krematoriumsleiter Jörg Schaldach aus Meißen hat gute Erfahrungen mit seiner Stellenanzeige und den Bewerbern gemacht. "Es ist keine einzige Blinse dabei gewesen." Alle wüssten demnach, wie sie sich selbst versorgen können und würden nicht die ganze Zeit am Smartphone hängen. Zehn Kandidaten arbeiteten bei Schaldach Probe, fünf sagten zwar ab - darunter ein Rettungssanitäter, der sich lieber um die Lebenden als um die Toten kümmern wolle. Aber fünf seien ja noch im Rennen.