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Gute Führung Was Chefs von Animateuren und Hundetrainern lernen können

Wenn Angestellte aggressiv sind oder sich selbst überschätzen - wie kann der Chef reagieren? Hier verraten vier Experten ihre Tipps.
Foto: Image Source/ Getty Images

Als Führungskraft hat man es oft nicht leicht: Der eine Mitarbeiter lässt sich nicht motivieren, die andere wäre gern weiter, als ihr gut tut - und der dritte führt sich im Büro auf wie eine Diva. Und jetzt? Ein Opernregisseur, eine Hundetrainerin, ein Bergführer und eine Animateurin geben Antworten.

Frage an den Bergführer: Wie kann man mit Mitarbeitern umgehen, die sich selbst überschätzen?

Foto: www.ralf-dujmovits.de/ Ralf Dujmovits

Günter Mauthe, Jahrgang 1960, ist seit 1987 staatlich geprüfter Berg- und Skiführer. Sein höchster Berg als Expeditionsleiter war der Broad Peak (8051 Meter) in Pakistan, mittlerweile organisiert er hauptsächlich Teambuildings für Unternehmen.

"Vor extremen Bergsteigungen machen wir in der Regel Vorbereitungstouren, um festzustellen, wie gut jemand mit Eisgeräten, Steigeisen oder Seilen umgeht. Dabei erkennt man sofort, wer sich selbst überschätzt. Außerdem definiere ich mit den Teilnehmern vor der Tour klare Etappenziele und messbare Grenzen: In welcher Zeit schaffst du wie viele Höhenmeter - und was machen wir, wenn du es nicht schaffst? Zusätzlich reden wir über kritische Gefahren wie Lawinen und was zu tun ist, falls jemand die Wanderung nicht überlebt.

Viele Menschen überschätzen sich, weil sie anderen etwas beweisen wollen. Vor allem kurz vor der Spitze sind viele zu zielfixiert. Über Monate oder sogar Jahre hinweg haben sie sich auf die Tour vorbereitet, manchmal sogar den Job gekündigt, die Familie vernachlässigt oder jahrelang Urlaubsgeld angespart, um sich die Expedition überhaupt leisten zu können.

"Kein Berg ist so wichtig, dass man dafür das eigene Leben riskieren sollte."

Günter Mauthe, Bergführer

Der Drang, sich dann für ein schönes Foto oder ein Interview mit der Lokalzeitung völlig zu übernehmen, ist in den vergangenen Jahren immer stärker geworden. Bei Expeditionen haben die Teilnehmer hohe Erwartungen an mich als Bergführer - und üben Druck aus, wenn ich ihnen Grenzen aufzeige. Bei Minusgraden, mitten im Nirgendwo, wenn ein Gewitter aufkommt oder die Kräfte einfach am Ende sind, können die Emotionen richtig hochkochen. Von Tränen bis zu Handgreiflichkeiten habe ich schon alles erlebt. Manche bekommen plötzlich Todesängste und wollen sofort absteigen, andere wollen kurz vor dem Gipfel nicht aufgeben.

Mit rationalen Argumenten kann ich da wenig machen. Deshalb muss ich als Bergführer deutlich sagen, wenn das Risiko zu groß ist. Es hilft, mit gutem Beispiel voranzugehen und - sofern möglich - ebenfalls umzukehren, falls sich ein Teilnehmer zu viel zutraut. Wenn ich zeige, dass ich selbst als erfahrener Bergführer am Limit bin, lenken viele ein. Im Nachhinein werfen mir trotzdem manche vor, dass wir zu früh umgedreht sind. Das muss ich aushalten, denn letztendlich bin ich nicht nur für die einzelnen Teilnehmer und für mich selbst verantwortlich, sondern auch für das gesamte Team. Kein Berg ist so wichtig, dass man dafür das eigene Leben riskieren sollte."

Frage an die Hundetrainerin: Wie bändigt man "bissige" Mitarbeiter?

Foto: Peter Marosch/ Marion Höft

Marion Höft, Jahrgang 1965, ist seit fünf Jahren selbstständige Hundetrainerin und Problemhundtherapeutin. Sie hat Psychologie und Soziologie studiert und lange als Filialleiterin im Einzelhandel gearbeitet.

"Wenn ein Hund ständig knurrt, bellt oder aggressiv ist, teilt er immer etwas mit. Als Besitzerin bin ich dann dafür verantwortlich, die Ursache für die Symptome herauszufinden. Nur so ändert ein Hund sein Verhalten langfristig - nicht, indem ich es wegbefehle oder ihn mit Leckerlis besteche.

Viele Besitzer vermenschlichen ihre Hunde: Och, jetzt guckt er so traurig, sagen sie, und werfen noch ein Leckerli hin. Bekommt ein Hund allerdings keine klaren Grenzen gesetzt, fühlt er sich allein gelassen und ist überfordert. Dann wird er auch weiterhin den Schuh zerbeißen - weil er es nicht anders gelernt hat. In solchen Situationen helfen Verbote und Kommandos nur, wenn ich einem Tier gleichzeitig klarmache, wie es stattdessen reagieren soll. Das Verhalten muss aus Sicht des Hundes schlüssig sein und seiner Motivation entsprechen, nicht der des Menschen. Das ist bei Führungskräften nicht anders: Sie müssen empathisch sein und gleichzeitig respektieren, dass nicht jeder die gleichen Aufgaben in der gleichen Zeit schafft.

"Sieht der Hund, dass ich unsicher bin, habe ich keine Chance."

Marion Höft, Hundetrainerin

Bei der Arbeit mit komplizierten Hunden kann man viel über die eigene innere Haltung lernen. Fühle ich mich entschlossen, strahle ich das auch aus. Sieht der Hund hingegen, dass ich unsicher bin, habe ich keine Chance. Denn natürlich kann ich mich wie Arnold Schwarzenegger vor dem Tier aufbauen. Wirkt das allerdings nicht authentisch, ahnt das Tier das sofort - und ist rein gar nicht beeindruckt.

Ist ein Hund besonders aggressiv, reagiere ich auf keinen Fall genauso - sondern respektvoll und ruhig. Grundsätzlich empfehle ich meinen Kunden, mutig zu sein und die Leine auch mal locker zu lassen. Wenn das nicht funktioniert und der Hund den gewonnenen Spielraum ausnutzt, sollte man nicht wütend werden - sondern ganz entspannt einen Schritt zurückgehen. Von dort aus kann man weiterarbeiten."

Frage an den Regisseur: Wie geht man mit Diven um?

Foto: Aljoša Rebolj

Aron Stiehl, Jahrgang 1969, arbeitet seit mehr als 18 Jahren als Musiktheaterregisseur und hat schon über 50 Opern, Operetten und Musicals inszeniert. In Kürze wird er Intendant des Stadttheaters Klagenfurt.

"Führung im Theater ist letztendlich wie Kindererziehung. Als Regisseur muss ich meine Darsteller lieben und ihnen Freiheiten lassen, die Rolle oder den Abend spielerisch zu erfinden. Ich muss sie so erkennen und kitzeln, dass alle - der Chor, das Orchester, Solisten, Statisten, Techniker oder Kostümbildner - an einem Strang ziehen. Mit diktatorischer Strenge funktioniert das nicht. Denn sobald jemand beleidigt oder verletzt ist, sobald die Darsteller oder die Techniker mir nicht mehr vertrauen, kann ich als Führungskraft einpacken.

"Akzeptiert jemand meine Entscheidungen nicht, muss ich ihn notfalls austauschen."

Aaron Stiehl, Musiktheaterregisseur

Trotzdem gibt es natürlich bestimmte Regeln, ein klares Gesamtkonzept, an das sich jeder halten muss. Auch die großen Egos: Manche wollen zum Beispiel lieber lila Kostüme tragen, andere blaue. Es ist auch schon vorgekommen, dass Darsteller sich weigern, mit jemandem auf einer Bühne zu stehen oder eine Liebesszene zu spielen - auch, wenn das zum Stück gehört. Letztendlich muss ich dann klare Entscheidungen treffen. Ich bestimme, welche Outfits die Darsteller tragen oder ob der Solist seinen Bart abrasieren muss. Akzeptiert jemand meine Entscheidungen nicht, muss ich ihn notfalls austauschen. Das passiert allerdings nur sehr selten.

Auch Rivalitäten haben auf meiner Bühne nichts zu suchen. Gerade bei Doppelbesetzungen kann das vorkommen: Beide wollen die Premiere singen, beide finden sich natürlich besser. Wenn ich dann irgendwann eine Entscheidung fälle, sind die Zweitbesetzungen natürlich enttäuscht. Trotzdem erwarte ich in solchen Fällen Professionalität von meinen Darstellern. Es kann eben nur einer die Premiere singen."

Frage an die Animateurin: Wie motiviert man lustlose Mitarbeiter?

Foto: Henrika Stoll

 Henrika Stoll, Jahrgang 1990, hat als Kinder-Animateurin schon in Klubhotels in Thailand, Tunesien oder der Türkei gearbeitet. Aktuell ist sie Abteilungsleiterin im Robinson-Klub Djerba Bahiya in Tunesien.

"Als Animateurin bin ich dafür zuständig, mit den Kindern in der Kinderdisco zu tanzen, Piratenhüte zu basteln, auf Schatzsuche zu gehen oder Thementage zu organisieren. Dafür muss ich ihre Sprache sprechen: Lese ich ihnen abends alte Märchen vor, die sie nicht kennen, langweilen sie sich schnell - und kommen am nächsten Tag nicht wieder in meine Gruppe.

Wenn ein Programm oder ein Thema ein Publikum also nicht erreicht, muss man es entweder davon überzeugen - oder am eigenen Konzept feilen. Piraten kommen bei meinen Gästen eigentlich immer gut an.

"Wer andere motivieren will, muss auch motiviert sein."

Henrika Stoll, Animateurin

Das ist allerdings auch von Alter zu Alter unterschiedlich: Schulkinder sind deutlich schwerer zu begeistern, mit Geschichten komme ich da nicht an. Zeige ich ihnen allerdings, wie gut ich tanzen kann, verschaffe ich mir gleich Respekt bei ihnen. Als Führungskraft sollte man dementsprechend darauf achten, wer im Team welche Interessen hat - und darauf eingehen.

Wer andere motivieren will, muss allerdings auch motiviert sein. Wenn meine Gäste mir anmerken, dass ich keine Lust auf Tanzen habe, werde ich sie auch nicht begeistern können.

Trotzdem sollte man eines beachten: Man kann nicht immer jeden mitreißen. Besonders Lustlose oder Schüchterne kann man allerdings etwas aus der Reserve locken, in dem man auf sie zugeht und ihnen Fragen stellt, ruhig auch mehrmals. Mein Tipp, wenn das nicht zündet: Die animieren, die sowieso schon gute Laune haben und offener erscheinen. Sind sie einmal begeistert, werden sie auch die anderen im Raum anstecken."

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