Arbeitgeber gegen Blaumacher "Ein Bauchgefühl rechtfertigt keine Spionage"
Eine Mitarbeiterin meldet sich lange krank. Die Firma lässt einen Detektiv ausspähen, ob sie nur simuliert - unzulässig, urteilte jetzt das Bundesarbeitsgericht. Arbeitsrechtlerin Monika Birnbaum erklärt, welche Möglichkeiten Chefs bleiben.
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Birnbaum: Ein Bauchgefühl darf keine Rechtfertigung für Spionage sein. Jeder weiß, dass Streit krank machen kann. Der Chef hätte sich lieber mal die Krankmeldungen anschauen sollen.
KarriereSPIEGEL: Was hätte das genützt? Auf dem gelben Schein, der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, stehen nur Ziffern. Welche Krankheit jemand hat, steht da nicht.
Birnbaum: Aber wer die Krankmeldungen ausgestellt hat. In diesem Fall war es zunächst der Haus-, dann ein Nervenarzt und schließlich ein Orthopäde.
KarriereSPIEGEL: Und was sagt das jetzt aus?
Birnbaum: Dass verschiedene Ärzte nach einer Krankheit gesucht haben. Viel verdächtiger wäre es doch gewesen, wenn die Kranke von einem Allgemeinmediziner zum nächsten gewechselt wäre und nie einen Facharzt aufsucht hätte.
KarriereSPIEGEL: Hätte dann ein konkreter Verdacht vorgelegen, so wie ihn die Richter jetzt verlangt haben?
Birnbaum: Unter Umständen. Jeder Chef sollte die Verdachtsmomente ganz genau überprüfen, zum Beispiel die Fehltage seiner Montags- und Freitagskranken ganz genau notieren. Es gibt in jeder Firma ein paar Kandidaten, die regelmäßig ihre Wochenenden verlängern oder mal ein paar Tage an den Urlaub dranhängen. Die könnte ein Detektiv wahrscheinlich auf frischer Tat erwischen. Andererseits muss ein Arbeitnehmer, der seit Wochen krank ist und plötzlich einen Marathon läuft, noch lange kein Simulant sein.
KarriereSpiegel: Der macht blau - ist das nicht sonnenklar?
Birnbaum: Nicht unbedingt. Vielleicht hat ihm ja ein Psychiater den Lauf verordnet, damit er mal abschalten kann. Anders sieht es wieder aus, wenn ein Orthopäde die Krankmeldung unterschrieben hat, etwa wegen eines Rückenleidens.
KarriereSPIEGEL: Dann darf man ihn mit einem Schnüffler überführen?
Birnbaum: Den Weg würde ich nicht unbedingt empfehlen. Einen Büroangestellten kann man nämlich nicht so leicht ertappen. Kein Detektiv kann Fieber filmen oder einem psychisch Kranken in den Kopf gucken. Selbstverständlich darf auch eine erkältete Mutter ihr Baby im Park spazieren schieben. Außerdem ist ein Detektiv nicht günstig. Da kommen schnell 500 Euro am Tag zusammen.
Birnbaum: Doch, die gibt es. Vor kurzem habe ich einen Arbeitgeber beraten, der mit einer jungen Mutter Ärger hatte. Sie kam gerade aus der Elternzeit und wollte sofort auf Teilzeit gehen. Als das nicht klappte, meldete sie sich krank. Mein Klient hat beim Medizinischen Dienst der Krankenkasse angerufen. Die haben die Frau vier Tage später vorgeladen. Sie ist nicht gekommen.
KarriereSpiegel: Vielleicht war sie doch krank? Laut Statistik sind vier von fünf Krankgemeldeten tatsächlich arbeitsunfähig.
Birnbaum: Die junge Mutter gehörte aber offensichtlich zu den 16 Prozent, die sich durchmogeln wollen. Als das klar war, hat der Arbeitgeber ihr Gehalt gesperrt und gewartet, dass sie ihn verklagt. Vor Gericht ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kein Vollbeweis. Spätestens, wenn der Arzt vorgeladen wird, kommt die Wahrheit ans Licht.
KarriereSpiegel: Das sind harte Methoden.
Birnbaum: Es ist ja auch kein Kavaliersdelikt, sondern ein klarer Betrug. Wenn der Verdacht sehr konkret ist, dass der Arbeitnehmer nur blau macht und nicht krank ist, sollte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer damit konfrontieren und ihm klar machen, dass eine fristlose Kündigung wegen Entgelterschleichung droht. Wenn der Mitarbeiter sich dann nicht entlastet, kann und sollte der Arbeitgeber ihm kündigen.