Historisch frühe Weinlese "Wir müssen die Ernte in die Nacht verlegen"

Christian Schäfer (Mitte), Bruder Karl A. (l.) und Vater Karl P. (r.)
Foto: Privat"Wir hatten noch nie so früh so süße Trauben", sagt der Sprecher des Deutschen Weininstituts. Die Hauptweinlese beginnt deshalb in diesem Jahr zwei bis drei Wochen früher - so früh wie nie zuvor. Aber was bedeutet das für die Weinbauern? Ein Gespräch mit Winzer Christian Schäfer vom Weingut Sonnenhof in Bockenheim:
SPIEGEL ONLINE: Der heiße Sommer macht vielen Bauern zu schaffen. Für Winzer scheint die Hitze auch ein Vorteil zu sein. Wird das der beste Jahrgang aller Zeiten?
Christian Schäfer: Was das Rekordjahr bringt, wird man sehen, wenn man den Wein im Keller hat. Bis jetzt hat unser Weinberg noch genug Wasser. Wenn das Wetter so bleibt, dann wird allerdings der Alkoholanteil größer.
SPIEGEL ONLINE: Das klingt doch fantastisch!
Schäfer: Naja, die meisten Verbraucher mögen aktuell eher leichte Weine.
SPIEGEL ONLINE: Und wie wird der Wein schmecken?
Schäfer: Durch den höheren Alkoholanteil wird er kräftiger. Nach dem leichteren Jahrgang von 2017 erwarten wir jetzt einen Wein, der breitbrustiger daherkommt.
SPIEGEL ONLINE: Nun beginnen Sie die früheste Weinlese aller Zeiten. Waren Sie darauf vorbereitet?
Schäfer: Wir hatten schon eine frühe Blüte, dementsprechend war klar, dass die Lese schon Anfang August beginnt. Aber die Temperaturen machen uns zu schaffen. Wenn wir an Tagen mit 30 Grad Celsius ernten, dann hat auch die Traube 30 Grad - und bei hohen Temperaturen verbreiten sich Pilzarten schneller. Deshalb müssen wir die Ernte in die Nacht oder in die frühen Morgenstunden verlegen. Wir starten um vier Uhr morgens und müssen um zehn Uhr fertig sein. Durch die hohen Temperaturen haben wir nur ein extrem kurzes Zeitfenster. Da muss man äußerst flexibel sein und auch mal an Wochenenden durcharbeiten.
SPIEGEL ONLINE: War es schwer, für die frühere Ernte genug Arbeitskräfte zu bekommen?
Schäfer: Wir sind ein Familienbetrieb und machen fast alles allein. Mein Bruder und ich haben den Betrieb von unserem Vater übernommen, der auch noch mithilft. Bei der Haupternte unterstützen uns drei Saisonkräfte aus Polen. Mit denen haben wir schon im Frühjahr gesprochen, dass sie in diesem Jahr etwas früher kommen. Sie helfen uns aber eher im Keller bei der Reinigung. Richtige Erntehelfer leisten sich nur noch kleinere Betriebe, die Wert auf Handarbeit legen und das auch entsprechend vermarkten. Die 30 bis 40 Leute, die wir dafür bräuchten, kriegen wir schon lange nicht mehr zusammengetrommelt. Wir machen die Ernte maschinell, so können wir mit nur zwei Mann ernten. Mein Vater ist 67 und hat noch nie ein Smartphone bedient, aber vor drei Jahren hat er noch gelernt, die Kiste zu fahren.
SPIEGEL ONLINE: Je eher dabei, desto eher davon, sagt man. Haben Sie jetzt eher Urlaub?
Schäfer: Den Urlaub hat jeder von uns Winzern in diesem Jahr entsprechend eher geplant und war auch schon weg. Die richtige Haupternte kommt ja erst noch. Das geht etwa in der letzten Augustwoche los und geht bis Ende September. Die Trauben, die man jetzt schon ernten kann, sind nur für Federweißer und Traubensaft. Die Weinlese hat sich in den letzten Jahren immer weiter nach vorn geschoben. Als ich noch jung war, so in den Neunzigerjahren, da ging die Ernte noch bis in die erste Novemberwoche.