Anwalt-Hobby als Beruf Boxenwummern, Hufschlag, Motorheulen
Segel-Anwalt Jochen-P. Kunze: Der unsinkbare Experte
Segelnde Anwälte gibt es einige. Aber Anwälte für Sportbootrecht? Jochen-P. Kunze ist eine dieser seltenen Spezies. Die schlanken schwedischen Schärenkreuzer sind seine besondere Leidenschaft. Eine moderne Interpretation davon besitzt der Flensburger selbst. Eigentlich wollte der 44-Jährige Bootsbauer werden. Nach der Schule zog es ihn in eine Werft. "Mein Meister damals war durch den Job gesundheitlich schwer gezeichnet - da habe ich mich umentschieden."
Aber die Kontakte blieben, und schon im Jura-Studium wandten sich Bootsbauer und -besitzer mit rechtlichen Fragen an Kunze. Einen erheblichen Anteil seiner Anwaltstätigkeit beschäftigt sich der Anwalt inzwischen mit Rechtsfragen im maritimen Sektor. Oft eine hochgradig emotionale Angelegenheit: "Die Leute sind abgöttisch verliebt in ihre Boote."
Liegt eines davon mit Loch im Rumpf in 90 Metern Tiefe auf Grund, oder reißt in voller Fahrt das Ruder ab, hat Kunze schnell den Konstrukteur in der Leitung, der wissen will, ob da Unheil auf ihn zukommen könnte. Käufer oder Verkäufer wenden sich an ihn, wenn die Liebe zum neuen Schiff wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Mängel schlagartig abkühlt.
Kunze ist auch Regatta-Schiedsrichter, aber seine Webseite "Yacht und Recht" und Empfehlungen aus der Branche tragen ihm die meisten Mandate ein. Anwalts- und Bootsbauwissen sind eine seltene Kombination. "Wenn Sie als Anwalt im Zivilprozess bei der Laminatstruktur der Bodengruppe im Unterwasserbereich mitreden können, wird der Sachverständige der Gegenpartei schnell vorsichtig."
Wer meint, Flensburg sei der optimale Ort für eine solche Kanzlei, liegt nur halb richtig. "Ich bin auch viel in Süddeutschland unterwegs und ringe auch am Landgericht Kempten um Bootsbaufragen." Von der Berufsschifffahrt hält Kunze sich gern fern. "Je schöner das Schiff, desto interessanter. Die verwaltungsrechtlichen Dinge der Berufsschifffahrt, Seehandel und Transportrecht, das ist mir persönlich zu langweilig."

Ein Fall ist Kunze besonders im Gedächtnis geblieben. Er hatte den bereits acht Jahre währenden Rechtsstreit als dritter Anwalt übernommen. Die Parteien, Bootskäufer und -verkäufer, waren tief zerstritten, der Gegner war hochgradig emotional und cholerisch. "Ich habe es geschafft, ihn von einer Mediation am Landgericht Kiel zu überzeugen. In eineinhalb Stunden hatten wir uns verglichen, eine gute Lösung gefunden. Beide Seiten gingen mit geradem Rücken aus dem Raum, der Fall war abgeschlossen."
Den höchsten Streitwert hatte eine 3,5 Millionen Euro teure Yacht, aber so richtig gefesselt hat der Fall Kunze nicht: "Das war nur ein Motorboot." Trotz der partiellen Fusion von Hobby und Beruf hat der Flensburger kein Problem, zwischen Job und Privatleben zu trennen: "Wenn ich mit dem Fuß vom Steg weg bin, kann ich mein juristisches Hirn abschalten. Da habe ich mir das Schöne am Segeln bewahrt."
Oldtimer-Anwalt Michael Eckert: Mit Grube und Endoskop
Was für Kunze der schlanke Rumpf und volle Segel, sind für Rechtsanwalt Michael Eckert, 56, glänzender Lack und nostalgische Formen. Der Anwalt aus Heidelberg ist Oldtimer-Fan. Zwei Prachtstücke besitzt er selbst: einen Ponton-Mercedes 220 S von 1959 und einen Mercedes 190 SL Roadster von 1957. Seinen ersten Oldtimer erstand Eckert vor 30 Jahren als Student - gekauft mit einem Unfallschaden.
Probleme mit der Gewährleistung, Unfälle - vor acht Jahren erkor Eckert die geliebten Oldtimer offiziell zu seinem Rechtsgebiet. Später gründete er sogar den Deutschen Oldtimer-Rechtstag. Inzwischen ist seine Kanzlei auf diesem Feld bundesweit bekannt.
Wenn es um einen alten Bugatti geht oder einen alten Mercedes 300 SL, nähern sich die Streitwerte der Millionenmarke. Außer Eckert beschäftigen sich noch drei weitere Anwälte in der Kanzlei mit Rechtsfragen rund um Oldtimer - etwa 1,5 Stellen beansprucht das Gebiet. Ein schnöder Verkehrsunfall wird mit Oldtimer-Beteiligung sofort zu einer Herausforderung. Welchen Wert der Oldtimer hat, ist nicht wie bei Allerweltsautos anhand von Ausstattung, Alter und Laufleistung aus Listen abzulesen, sondern vor allem Sache seines Zustands. Und wie ist die Schadenshöhe zu berechnen, wenn Ersatzteile nicht oder nur mit großer Mühe im Ausland zu beschaffen sind?
Als Fahrzeugprüfer der Internationalen Oldtimer-Organisation FIVA prüft Eckert die Authentizität der Autos auch selbst. Wie auf dem Kunstmarkt gibt es auch bei Oldtimern auf alt getrimmte Total-Fälschungen, also Nachbauten alter Autos. "Es kann Ihnen passieren, dass Sie viel Geld für einen Oldtimer und mehrere tausend Euro Startgebühr für eine Oldtimer-Rallye hingeblättert haben, und dann werden Sie vor dem Start rausgewunken, weil ein paar Meter weiter ein baugleiches Auto mit gleicher Fahrgestellnummer steht."
Daneben gibt es "einen großen Graubereich", berichtet Eckert. So ist es zwar in der Szene üblich und akzeptiert, wenn nicht mehr erhältliche Verschleißteile nachgebaut sind, aber bei anderen Teilen wird es schnell kritisch bei der Frage, ob es sich tatsächlich noch um einen Oldtimer handelt.
Oldtimer-Recht ist ein Sammelsurium aus Kaufvertrags-, Gewährleistungs-, Straf-, Marken-, Zulassungs-, Abfall-, Vereins-, Veranstaltungs- und Straßenverkehrsrecht. Rund ein Drittel des Aufwands sei Auseinandersetzung mit Sachverständigen, sagt Eckert. Oldtimer werden nach Noten beurteilt - zwischen 1 und 5. Aber wie die Qualität der Wagen, so sei auch die der Sachverständigen höchst unterschiedlich. "Der eine Gutachter stuft einen Wagen mit 1- ein, der nächste mit 4+. Da schau ich mir den Wagen gern erst mal selbst an." Deswegen verfügt er als Anwalt über ausgesprochen seltene Arbeitsmittel: eine Autowerkstatt mit Grube und Endoskop.
Der Heidelberger erinnert sich an einen fachunkundigen Kollegen, der einen Oldtimer, in den es reinregnete und der auf der Autobahn Teile verlor, dem Gericht als mängelfrei darzustellen versuchte, obwohl sein Zustand beim Verkauf mit Note 1 angegeben worden war. "Da muss man schon mal schmunzeln. Man muss mit dem Herzen dabei sein, sonst wird das nicht gut gehen."
Tierrecht-Anwältin Annette Brenken: Hoch zu Ross
Annette Brenken, 42, stammt aus der Pferdehochburg Münster und reitet für ihr Leben gern. Ihr eigenes Pferd "Theo" ist ein Knabstrupper, eine alte dänische Fürsten-Pferderasse. Die Wahl-Berlinerin hat sich dem Barockreiten verschrieben. Seit neun Jahren ist sie als Anwältin auch in Rechtsfragen rund ums Pferd präsent.
Die Idee, neben Medizin- und Verkehrsrecht auch Tierrecht anzubieten, "war für mich nicht die schlechteste. Das hat sich nach und nach entwickelt", sagt Brenken. Inzwischen haben rund zwei Fünftel ihrer Fälle mit Pferden zu tun. Tierarzt-Haftungsfälle, Probleme mit dem Pferdekauf, Verkehrsunfälle mit Pferden - die Mandanten kommen nicht nur aus dem Berliner Raum.
Wie müssen Reitböden und Reithallen beschaffen sein? Wann gerät der Hallenbetreiber bei einem Sturz in die Haftung? "Die Richtlinie für Reitplätze ist noch nicht alt. Da gibt es fast keine Urteile."

Erde an Anwalt: Beispiele für gescheiterte Mandantengespräche
Trotz solcher juristischen Spezialfragen ist Brenken nicht allein auf weiter Flur. Allein in Berlin tummeln sich fünf Anwälte in ihrem Metier. Der Markt ist vielfältig: Es gibt Dressur-, Spring-, Western-, Freizeit- und Wanderreiter - eine ganze Reihe verschiedener Verbände organisiert den Reitsport und hat entsprechenden Beratungsbedarf.
Brenken hält Fachvorträge, ist auf Pferdemessen als Anwältin präsent: "Die Reiter erwarten, dass ihr Anwalt Ahnung von Pferden und Pferdehaltung hat." Nachteil der Fusion von Hobby und Beruf: "Man ist nie ganz privat beim Hobby. Aber das ist als Anwalt ja immer so, damit muss man leben."
Metal-Anwalt Christian Koch: "Rechtssicher rocken"
Christian Koch, 34, ist im Hauptberuf IT-Rechtler und kümmert sich im mittelhessischen Linden um Software-Lizenzen und -Verträge. Im Nebenberuf ist er Deutschlands erster Metal-Anwalt. Sein Motto: "Rechtssicher rocken". Damit hat er die Sympathien in der Hardrock-Szene auf seiner Seite: "Ich habe mittlerweile sogar Fans. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Anwalt Fans haben kann."
Seit etwa zwei Jahren hat der Vater von vier Kindern sein lautstarkes Hobby mit seinem Anwaltsberuf verbunden. "Ich kann noch nicht davon leben, aber es ist besser angelaufen, als ich erwartet hatte." In seinem Büro steht eine große Hifi-Anlage samt Lautsprechern. Mindestens einmal am Tag schallt laute Musik aus der Kanzlei.
Als Musiker ist Koch nicht unterwegs: "Ich bin völlig talentfrei." Um dennoch in der Musikbranche ins Geschäft zu kommen, wollte er ursprünglich Nachwuchsbands rechtlich beraten, aber: "Die haben einfach kein Geld." Die Nachfrage kam aus anderer Richtung: Für Konzertveranstalter oder Diskotheken kreuzt er mit der Gema die Klingen, berät ein Internetradio und ein Plattenlabel - "und nein, die müssen nicht ausschließlich Heavy Metal spielen, es gehen auch andere Musikrichtungen".
Auf Konzerten ist Koch am T-Shirt mit Aufdruck "Metal-Anwalt" gut zu erkennen. Das stürzt ihn in einen Zwiespalt: "Wie darf ich mich auf Konzerten benehmen? Immerhin repräsentiere ich ja auch den Anwaltsberuf." Und: "Natürlich wird man genau beim Auftritt der Lieblingsband angesprochen." Für die Zukunft hat er einen festen Vorsatz: "Ich muss auch mal wieder privat auf ein Konzert gehen."
Der Beitrag von Malte Varnhagen erschien zuerst bei "Anwaltsblatt Karriere", dem Magazin des Deutschen Anwaltvereins für Jura-Studierende und Referendare