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Job & Karriere

Tipps von den Karrierecoaches Wie kann ich besser mit Kritik umgehen?

Dorothea Assig
Dorothee Echter
Ein Gastbeitrag von Dorothea Assig und Dorothee Echter
Sie legen sich als Führungskraft für die Firma ins Zeug, doch dann kommt Kritik. Gekränkt? Sehen Sie genau hin: Gibt es inhaltlich etwas zu lernen – oder müssen Sie auf der Chefetage politischer denken?
Mit Kritik umzugehen ist schwierig. Denn wenn man selbst Fehler hätte, würde man das ja wohl als Erster mitbekommen, oder? (Symbolbild)

Mit Kritik umzugehen ist schwierig. Denn wenn man selbst Fehler hätte, würde man das ja wohl als Erster mitbekommen, oder? (Symbolbild)

Foto: Image Source / Getty Images

Sie werden kritisiert? Wer große Ideen hat, jeden Tag viel bewegt und viel für andere leistet, erwartet Anerkennung und Dankbarkeit. Kritik passt nicht ins Bild. Aber gerade Menschen in herausgehobenen Positionen ziehen Kritik auf sich – und oft kommt sie unerwartet. Sie wollen doch das Beste, tun doch das Mögliche, warum wird das nicht so gesehen?

Dieses enttäuschende, kränkende Gefühl kennen fast alle Menschen in Leitungspositionen und Fachexperten. Sie gehen davon aus, dass sie wissen, was das Beste für das Unternehmen ist. Logisch, denn sonst wären sie nicht da, wo sie stehen – der eigene Lebenslauf bestärkt die Selbstwahrnehmung. Da ist es schwer anzuerkennen, dass es die letztendliche Wahrheit nicht gibt.

Aber im Rückblick hätte jede Entscheidung anders ausgehen können. Denken Sie zurück an Vor-Corona-Zeiten und die vielen Positionen zur Digitalisierung, zur Umorganisation, zum Geschäftsmodell: Alle fühlten sich im Besitz der Wahrheit. Und dann kam alles anders.

Den inneren Widerspruch des gefühlten überlegenen Wissens und Könnens auf der einen, und die Einsicht in deren Relativität auf der anderen Seite: Diesen Widerspruch immer wieder aufzulösen, ist eine entscheidende persönliche Disziplin jeder Karriere.

Das ambitionierte, leidenschaftlich vorgetragene und notwendige »Ich weiß« darf nicht zum desaströsen »Ich weiß es aber besser« übergehen. Wie können Sie verhindern, dass es zu Besserwisserei, destruktiver Kritik, und in der Folge zum Patt, Kampf, Stillstand, zu menschlichen Desastern, Mobbing, Kränkungen und Kummer kommt?

Kommen Sie zu dieser Einsicht: Meine Ambition führt zu Veränderungen. Wahrheiten nicht.

  • Es gibt keine unternehmerische Wahrheit, sondern Interessen, Annahmen, Ideen, und das gilt auch für Sie selbst.

  • Kritik, Kämpfe und Durchsetzung in Unternehmen lohnen sich nicht, auch wenn der Alltag durchsetzt damit ist.

  • Kritik wirkt nie konstruktiv, auch wenn sie so gemeint ist. Sie ist immer schmerzlich. Wenn sie mit einem Lob eingeleitet oder abgewechselt wird, umso mehr. Sie zieht im Regelfall nicht Lernen, sondern Rückzug, Verteidigung oder Gegenkritik nach sich.

  • Gefolgschaft gewinnen heißt, den eigenen Standpunkt einbeziehend statt abwertend zu vertreten. Durch Werben, Zuhören und Anerkennen der brillanten Idee einer anderen Person.

Wenn Sie kritisiert werden: Reagieren Sie Einfluss-steigernd!

Bei Schmähungen. Daraus besteht der Großteil kritischer Bemerkungen: Schlichte Schmähungen, schon bei der ersten Führungsaufgabe. Eben noch waren Sie mit Ihren früheren Kolleginnen und Kollegen ein launiges, engagiertes Team und plötzlich, mit Ihrer Beförderung zur Teamchefin, machen Sie in den Augen Ihrer KollegInnen alles falsch. Diese Kritik kommt direkt aus dem Ich-weiß-es-besser-und-ich-bin-besser-Lebensgefühl. Das wissen Sie, dennoch reagiert Ihr Ego gekränkt, will sich verteidigen oder gleich in den Kampfmodus übergehen. Nur, wozu? Ihr gerade gewonnener Einfluss würde gleich wieder schrumpfen.

Ihre Strategie: Lassen Sie Ihr Ego nicht die Regie übernehmen. Wenn jemand Sie schmäht, öffentlich, oder in kleiner Runde, dann haben Sie das nicht gesehen, nie gehört und wollen es auch nicht erzählt bekommen. Sie sprechen positiv über sich selbst und andere Menschen. Damit hat Ihr Ego genug zu tun.

Bei Druckaufbau. In Unternehmen scheint immer alles dringend, permanent herrscht Mangel. Nie ist es schnell genug, nie gut genug. Die Zahlen zu spät und nicht akribisch genug aufbereitet, Ergebnisse sind mangelhaft, Kunden unzufrieden. Der Ton Ihrer Chefs wird schärfer. Sie nehmen wahr, hier gibt jemand Druck an Sie weiter, der von wer-weiß-wo herkommt. Von weiter oben? Aus seinem Ego? Aus Angst? Die Person, die den Druck aufbaut, ist fast immer von Selbstzweifeln getrieben: »Ich bin nicht gut genug, nicht schnell genug, ich mache Fehler, ich kann's nicht.« Und Sie vielleicht auch? Sicher, manches können Sie nicht. Lernen Sie. Lernen ist die innere Antwort auf Selbstzweifel.

Ihre Strategie: Vertrauen aufbauen. Sie sprechen über das, was Sie gerade erfolgreich beendet haben, wie ambitioniert Ihr Team arbeitet. Sie betonen die Gemeinsamkeiten mit dem Kritiker, Sie erinnern daran, welche Themen Sie bereits zusammen hervorragend gelöst haben, Sie erklären, was Sie bewegt und wohin Sie zusammen das Ganze führen wollen, zum Wohl des Unternehmens. Sie sind das Erfolgsversprechen und verhalten sich auch so.

Bei berechtigter Kritik. Diese kommt selten in einer Form einher, die Sie sofort als Kritik erkennen und umsetzen können. Sie kommt von wohlmeinenden Vorständen, Aufsichtsrätinnen, Kollegen und Beraterinnen, en passant, als kleines Staunen oder als Idee. Weil Sie sich nicht gekränkt fühlen, ist es leicht, die Bedeutung dieser Interventionen zu unterschätzen.

Ihre Aufgabe ist es, sie wahr- und ernst zu nehmen.

Was gesagt wird – und wie es in Wahrheit gemeint ist:

  • »Wollen Sie sich nicht erst mit Ihren KollegInnen beraten, bevor Sie dieses Vorhaben ankündigen?« Damit ist gemeint: Für diesen Vorschlag gibt es keine Gefolgschaft, machen Sie keine Alleingänge, suchen Sie das Gespräch.

  • »Sie sind aber schnell, da haben andere bestimmt Mühe mitzukommen.« Damit ist gemeint, Ihr Tempo ist für unser Unternehmen viel zu hoch. Wir wollen Innovation, dafür haben wir Sie eingestellt, und nun nehmen Sie die Menschen bitte mit.

  • »Sie sind fachlich eine Granate.« Damit ist gemeint, dass Sie politisch noch einiges dazulernen, Dankbarkeit und Zugehörigkeit pflegen, andere Menschen wertschätzen sollten.

Ihre Strategie:

  • Sie sind aufmerksam für solche feinen Botschaften. Je höher die Hierarchie, je exponierter die Position, umso verhaltener wird berechtigte Kritik ausgedrückt. Dabei ist sie äußerst wertvoll für Sie. Sie suchen nach berechtigter Kritik. Sie bedanken sich. Sie ändern Ihr Verhalten.

  • Kritik von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an Ihnen nehmen Sie äußerst ernst. Sie bedanken sich. Ihre Teams und jede/r Einzelne/r wollen von Ihnen geschätzt werden, dann setzen sie sich für Ihre Ziele ein.

  • Machen Sie anderen das Leben leicht, rechtfertigen Sie sich niemals, zeigen Sie Ihre Kränkung nicht.

Was tun bei Kritik, die etwas anderes meint?

Manchmal klingt eine Kritik berechtigt, ist es aber nicht. Es gibt eine verführerische Kritik, die Sie gern annehmen wollen, denn sie erleichtert es Ihnen, etwas anderes, vermeintlich Schlimmeres zu ertragen. Da wäre es fatal, dieser Kritik, diesem Rat zu folgen, denn er führt Sie komplett in die Irre. Der Klassiker ist ein Head Hunter, der Ihnen nach Ihren Gesprächen, auf Ihre Nachfrage nach Feedback (großer Fehler), erklärt, Sie müssen noch dieses und jenes lernen, Sie haben leider nie im Mittelstand gearbeitet, Sie sind zu jung oder zu alt, oder Sie sind einfach in der falschen Branche. Und so weiter. Oder es wird Ihnen eine Ausbildung zum Aufsichtsrat nahegelegt, bevor man Sie berufen kann.

Das ist reiner Unsinn. Dahinter verbirgt sich etwas ganz anderes, nämlich, dass es für Sie keine Aufgabe gibt und Sie auch bitte nicht mehr nachfragen sollten. Die gleiche Entlastung suchen Vorständinnen und Personalmanager, die Ihnen irgendwann, zum Beispiel vor Ihrem Auslandsaufenthalt, ein Versprechen gegeben haben und es jetzt nicht einlösen können. Sie schämen sich und wünschen sich im Grunde, dass Sie kündigen. Stattdessen geben Sie Ihnen Rat oder kritisieren oder empfehlen ein Coaching, um Ihre Kommunikation zu verbessern. Sie verstehen das nicht ganz. Zu Recht. Darum geht es nämlich nicht.

Ihre Strategie: Sie bleiben aufmerksam für die Interessenlage der Menschen, von denen Sie etwas wollen. Sie denken ein Worst-Case-Szenario durch. Sie suchen nach Alternativen. Sie intensivieren Ihre Communitystrategie. Sie bedanken sich bei den »Ratgebern«. Sie bedrängen sie nicht.

Dorothea Assig und Dorothee Echter sind Beraterinnen für das internationale Topmanagement, Konferenzrednerinnen und Autorinnen von Fachartikeln und Fachbüchern. Dazu zählen »Freiheit für Manager« und »Ambition. Wie große Karrieren gelingen«. Ihr jüngstes Buch: »Eines Tages werden sie sehen, wie gut ich bin! – Wie Karrieremythen Ihren Erfolg blockieren und wie Sie dennoch weiterkommen.« Ariston Verlag. In ihren Beiträgen gehen sie besonders auf Probleme von Führungskräften ein. E-Mail an karriere.leserpost@spiegel.de schreiben – Stichwort Assig und Echter 

Dass Menschen in herausgehobener Position überhaupt kritisiert werden können, anders als etwa in totalitären Systemen, ist eine enorme politische und wirtschaftliche Errungenschaft, die unseren Fortschritt begünstigt. Der Kritik mit genauer Wahrnehmung, mit Lernen, mit Souveränität, Gelassenheit und Dankbarkeit zu begegnen, ist Ihre persönliche Errungenschaft, die Ihre Karriere beflügelt.

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