Kommunikations-Coaching Wie Sie rechtspopulistische Phrasen kontern

Der Kollege, der rassistische Sprüche klopft. Die Großmutter, die gut findet, dass AfD-Leute die Verbrechen der Deutschen zwischen 1933 und 1945 als "Vogelschiss" bezeichnen. Oder Freunde von Freunden, die auf Partys von "Überfremdung" und "Lügenpresse" sprechen. Viele Menschen sind im beruflichen oder auch privaten Alltag ab und zu mit Gesprächspartnern konfrontiert, die sich rechtspopulistisch oder offen rassistisch äußern.
Mancher kann das schwer ertragen, fühlt sich aber hilflos: "Viele Leute sind verunsichert, haben in der Vergangenheit noch keine politische Streitkultur entwickelt und wissen deshalb nicht, wie sie ins Gespräch kommen können oder sich gegen rechte Sprüche abgrenzen", sagt Paulina Fröhlich, Gründerin der Initiative "Kleiner Fünf", die sich zum Ziel gesetzt hat, offen geäußerten rechtspopulistischen Ansichten etwas entgegenzusetzen. Das Team gibt Seminare und schult Menschen im Umgang mit rechten Phrasen und Einstellungen.
1. Prinzip "Radikale Höflichkeit"
"Die Gesprächstechniken sind letztlich einfach", sagt Fröhlich. Am wichtigsten sei, erst einmal eine klare Grundhaltung zu finden: Prinzip "radikale Höflichkeit". "Wir nehmen unser Gegenüber als Mensch ernst, bleiben höflich und werten andere nicht ab, wenn sie politisch anders denken. In der Sache selbst sind wir aber konsequent und radikal, vertreten unsere Positionen mit guten Argumenten." Damit das am Arbeitsplatz und anderswo gelingt, gibt Fröhlich folgende Tipps:
Ruhig und sachlich bleiben. Sich vom Gegenüber nicht provozieren zu lassen. Selbst, wenn Sie innerlich kochen - versuchen Sie nicht, in moralisierende Empörung zu verfallen.
Offene Fragen stellen. Versuchen Sie, ihr Gegenüber mit ehrlichem Interesse zu fragen, wie es zu seiner Meinung kommt. Sagt jemand zum Beispiel "Man ist abends auf der Straße nicht mehr sicher, weil so viele Flüchtlinge hier sind.", können Sie fragen: "Wie kommst du darauf?"
Kritik höflich formulieren. Beachten Sie übliche Feedbackregeln. So können Sie zuerst sagen, welchen Teil der Argumentation oder Sorge Sie nachvollziehen können (Zum Beispiel: "Ich hatte auch schon mal abends Angst auf dem Heimweg. Das ist unangenehm.") Dann sagen Sie: "Aber ich bringe meine Angst nicht mit Geflüchteten in Zusammenhang." Danach erklären Sie, warum Sie anders denken.
Abgrenzen und Agieren. Wenn Ihr Gegenüber rassistisch schwadroniert, sagen Sie höflich aber klar: "Das, was du hier sagst, geht für mich nicht. Es ist menschenfeindlich." Auch bei abwertenden Begriffen wie "Asyltourismus" können Sie sofort dazwischengehen: "Wenn Menschen fliehen oder vom Tod bedroht sind, finde ich es unangemessen, von Tourismus zu sprechen."
2. Vieraugengespräche
Gespräche über rechtspopulistische Thesen arten schneller in einen verbalen Nahkampf aus, wenn sie vor Publikum stattfinden. Das ist die Erfahrung von Philipp Steffan, Buchautor und Referent für politische Bildung, von der Initiative "Diskursiv". Man könne Menschen viel besser in einem kleineren Kreis erreichen. "Zweiergespräche sind erfolgreicher als ein Streit vor Publikum", sagt Steffan. Sein Tipp: In der Gruppensituation sagt man: "Ich sehe das ganz anders als du. Wollen wir darüber mal in Ruhe sprechen, wenn Zeit ist?" Dann könne man später, wenn andere außer Hörweite seien, darauf zurückkommen.
3. Gegenargumente üben
Menschen sollten versuchen, in einem Streitgespräch mit Vertretern rechtspopulistischer Thesen auch inhaltlich etwas entgegenzusetzen, sagt Steffan, der in seinen Seminaren eine Art Spickzettel mit den Teilnehmern erarbeitet, um bei typisch rechten Aussagen gegenhalten zu können: "Weil die Argumente der Rechtspopulisten oft ähnlich sind, kann man das relativ gut üben."
Phrase 1: "Es sind so viele Muslime in Deutschland, das ist gefährlich für unsere Kultur."
Mögliche Argumentation: Hier geht es zunächst wieder darum zu fragen, was daran Sorge macht. Die Antwort könnte sein: "Deutsche Kultur geht verloren... ." Darauf können Sie antworten: In Deutschland leben verschiedene Menschen, die unterschiedliche Hobbys, Gewohnheiten und Religionen haben. Diese Vielfalt war schon immer Teil der deutschen Kultur. Darüber hinaus ist Religion nur ein Merkmal von vielen, das Menschen ausmacht.
Wenn das Gegenüber darauf erwidert, dass es "diese Religion hier nicht haben will, weil unsere eigene Religion wichtiger ist", könnten Sie deutlicher werden: In Deutschland gilt Religionsfreiheit, die im Grundgesetz festgeschrieben ist. Wer die Religionsfreiheit einschränken will, ist viel eher eine Gefahr für die deutsche Kultur als Menschen muslimischen Glaubens, die ihr festgeschriebenes Recht ausüben.
Phrase 2: "Die Meinungsfreiheit ist bedroht, wenn AfD-Politiker oder AfD-Wähler ihre Themen nicht öffentlich anbringen dürfen."
Mögliche Argumentation: Wer verbietet der AfD den Mund? Keiner. Anhänger der AfD ebenso wie Parteimitglieder dürfen sich äußern und machen von diesem Recht ausgiebig Gebrauch. Vielleicht müssen sich AfD-Politiker klarmachen, dass Meinungsfreiheit nicht heißt, dass alles, was man sagt, von anderen kritiklos und widerspruchslos hingenommen wird. Die AfD kann sich positionieren - aber Politiker anderer Parteien und Bürger dürfen darauf reagieren und widersprechen.
Auch Widerspruch ist Teil der Meinungsfreiheit. Darüber hinaus geht es darum, ob das, was Populisten oder Rechtsextremisten im Einzelfall konkret sagen, von der Meinungsfreiheit abgedeckt ist: Menschenverachtende, volksverhetzende Äußerungen oder Geschichtsrevisionismus sind das nicht.
Phrase 3: "Das Geld bekommen die Flüchtlinge, und die Obdachlosen gehen leer aus."
Mögliche Argumentation: Die beiden Themen gehören doch eigentlich gar nicht zusammen, ein scheinbarer Zusammenhang wird von Rechtspopulisten nur immer wieder propagiert. Die Etats, aus denen hierzulande die Flüchtlingshilfe finanziert wird, werden keinesfalls aus den Töpfen für Obdachlose oder Arbeitslose abgezogen.
Als Beleg können Sie anführen, dass Obdachlosigkeit oder zu geringe Bezüge für Arbeitssuchende keine Probleme sind, die seit der verstärkten Einwanderung 2015 bestehen. Selbstverständlich liege einem das Wohl von Obdachlosen ebenfalls am Herzen. Nur der Zusammenhang sei vollkommen aus der Luft gegriffen. Rechtspopulisten bringen häufiger Dinge zusammen, die nicht zusammengehören. Erkennt man dieses Argumentationsmuster, kann man es leichter entkräften.
4. "Das kann ich so nicht stehen lassen"
Ob ein Gespräch überhaupt Sinn ergibt, hängt stark vom Gegenüber ab, sagt Fröhlich von "Kleiner Fünf". Es sei deshalb wichtig, den Gesprächsverlauf zu beobachten - und die eigene Strategie daran anzupassen:
Mit Verunsicherten reden: Viele Gesprächspartner zeigen sich vor allem besorgt, haben rechte Phrasen aufgeschnappt oder vertreten sie sehr emotional - lassen sich aber auf eine inhaltliche Diskussion ein. Hier lohnt ein ausführliches Gespräch, in dem Sie Fragen stellen, Gemeinsamkeiten finden und Kontroversen diskutieren. Wichtig: Zu harsches Argumentieren kann Verunsicherte einschüchtern, sie ziehen sich dann oft ganz zurück.
Mit Provokateuren reden: Der Gesprächspartner haut permanent provokante Thesen heraus, springt von einer These zur nächsten. Auf Nachfragen wie "Seit wann denkst du so?" gehen diese Menschen oft nicht ein. Sie können versuchen, die Person argumentativ bei einem Thema zu halten - oder deutlich machen, dass aufgrund des Themen-Hoppings kein inhaltliches Gespräch möglich ist. Tipp: Auch ironische Kommentare können provokanten Parolen ihre Schärfe nehmen.
Mit Leuten reden, die sich menschenfeindlich äußern. Das Gegenüber äußert sich rassistisch, sexistisch oder gewalttätig-aggressiv gegenüber bestimmten Gruppen. Hier ist eine inhaltliche Diskussion nicht mehr möglich. Machen Sie unmissverständlich deutlich, dass Sie diese Haltung ablehnen: "Hören Sie auf damit, das ist völlig daneben!"
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Preisabfragezeitpunkt
07.06.2023 09.07 Uhr
Keine Gewähr
Wenn sich jemand rassistisch äußert, Geschichtsrevisionismus oder Gewaltfantasien in den Raum gestellt werden, tun Sie gut daran, sehr deutlich Stellung zu beziehen - und Stopp zu sagen. Ganz gleich, in welchem Rahmen solche Sätze fallen, Fröhlich von "Kleiner Fünf" empfiehlt, sich an folgende Faustregeln zu halten:
Widerspruch klar formulieren: Mit einfachen Sätzen wie "Das kann ich so nicht stehen lassen" oder "Was du da sagst ist menschenverachtend, ich will nicht, dass du so redest", können Sie Position beziehen.
Rote Karte zeigen: Setzen Sie inhaltlich Standards, beziehen Sie sich zum Beispiel auf die Verfassung. Das muss nicht in Sonntagsreden ausarten, sondern kann auch provokant sein: "Das steht aber genau so im Grundgesetz."
Sich solidarisieren: Sagen Sie deutlich, dass Sie sich für die Rechte und die Würde aller Menschen einsetzen - auch für die Gruppe, die das Gegenüber gerade abgewertet hat.
Ruhig und stark bleiben. Sich nicht zu hasserfüllten Aussagen hinreißen lassen, sondern stark bleiben und dem Gegenüber zeigen, dass Sie sich nicht beeindrucken lassen.
Grenzen der Meinungsfreiheit aufzeigen: Wenn Menschen den Holocaust leugnen oder verbal gewalttätig gegenüber bestimmten sozialen oder ethnischen Gruppen werden, können Sie das als Volksverhetzung benennen und darauf hinweisen, dass dies strafbar ist.
Gegenhalten: Auf menschenfeindliche Phrasen zu reagieren, ist sehr wirkungsvoll. Sie müssen dabei nicht bravourös auftreten oder souverän wirken. Das Wichtigste ist, dass die Botschaft "So geht es nicht" und "das teile ich nicht" irgendwie rüberkommt.
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5. Rechte Parolen am Arbeitsplatz kontern
Abgrenzung ist auch am Arbeitsplatz oft die wirkungsvollste Taktik. Viele Menschen erlebten allerdings, dass ihre Kollegen im Großraum oder in der Kantine bei rechtspopulistischen Parolen betreten schweigen würden - obwohl sie selbst völlig anderer Meinung seien, sagt Ursula Wawrzinek, Konfliktberaterin aus München.
"Die Zurückhaltung ist zunächst verständlich, denn der Arbeitsplatz ist kein privater Ort, und Diskussionen über Politik sind heikel." Kontroversen erregten schnell die Gemüter und könnten zu Zerwürfnissen führen, die das Teamklima dauerhaft belasten könnten. Dennoch, sagt Wawrzinek, sei es keine Option, bei menschenfeindlichen Äußerungen im Team stillzuhalten - oder zuzulassen, dass rechtspopulistische Ansichten bürokompatibel werden. Deshalb:
Klarstellen, wo man steht: Begegnen Sie rechtspopulistischen Kollegen oder Grüppchen im Abgrenzungsmodus. Gehen Sie dabei immer zuerst darauf ein, dass Sie auf die Besonderheit der Bürosituation Rücksicht nehmen. Zum Beispiel so: "Eigentlich müssten wir jetzt in eine politische Diskussion eintreten. Das passt aber überhaupt nicht hier an den Arbeitsplatz. Nur so viel von mir: Ich habe zu dem Thema eine vollkommen andere Meinung."
Verbündete suchen: Wenn Sie nicht wissen, ob noch jemand unter rechten Parolen von Kollegen leidet, kann es ratsam sein, sich in Zweiergesprächen nach Gleichgesinnten umzuhören. Finden Sie diese, können Sie vereinbaren, bei der nächsten rechtspopulistischen Äußerung gemeinsam Position zu beziehen.
Vorgesetze einbeziehen: Hören die rechten Parolen oder menschenfeindlichen Äußerungen trotz Aufforderung nicht auf, können Sie Vorgesetzten signalisieren, dass Sie Probleme damit haben, wenn sich Kollegen auf diskriminierende Weise äußern. Dieses Eskalieren nach oben ist ein Schutz - auch für Mitarbeiter, die eventuell von solchen Aussagen indirekt abgewertet werden.
Privat sprechen: Gehört ein rechtspopulistischer Kollege zu Ihrem privaten Kreis oder können Sie besonders gut mit ihm reden oder arbeiten, kann es auch im Job sinnvoll sein, sich nicht nur abzugrenzen, sondern eine politische Diskussion im Zwiegespräch zu führen. Falls das jedoch zu eskalieren droht, ziehen Sie rechtzeitig die Reißleine.
Allgemein gilt im Gespräch mit Menschen, die rechts außen stehen: "Ob und wie man kommunizieren kann, hängt immer vom Kontext ab", sagt Paulina Fröhlich von "Kleiner Fünf", "und man tut gut daran, diesen zu erkennen und dann eine Strategie auszusuchen."