Titelstreit Ich bin irgendwas mit Psychologie

Streit um Wirtschaftspsychologen: Welches Zertifikat soll's denn sein?
Foto: Corbis
KarriereSPIEGEL-Autorin Bärbel Schwertfeger ist freie Journalistin in München und Chefredakteurin des Fachmagazins "Wirtschaftspsychologie aktuell", das vom Deutschen Psychologen Verlag, einer Tochter des BDP, herausgegeben wird.
"Mit einem Masterabschluss in Wirtschaftspsychologie verschaffen Sie sich vielfältige Karriereperspektiven", verspricht die Europäische Fernhochschule in Hamburg. "Als Absolvent sind Sie dank der Kombination aus psychologischem und betriebswirtschaftlichem Fachwissen besonders gefragt bei Arbeitgebern", lockt die SRH Hochschule Berlin.
Wirtschaftspsychologie ist beliebt, die Zahl der Masterstudiengänge in dem Fach wächst. Vor allem die privaten Fachhochschulen und Fernhochschulen haben hier einen lukrativen Markt entdeckt. So muss man an der FOM Hochschule 11.410 Euro für den zweijährigen Masterstudiengang hinblättern. An der Steinbeis Hochschule in Berlin sind es 12.950 Euro.
Andrea Abele-Brehm ist Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) und hat eine Erklärung für den Boom: "Vor allem Berufstätige mit betriebswirtschaftlichem Abschluss wissen inzwischen, wie wichtig fundierte psychologische Kenntnisse sind."
Doch wie fundiert die Kenntnisse sind, ist umstritten. Die Inhalte der Studiengänge unterscheiden sich erheblich, ebenso die Zugangsvoraussetzungen. Das führt zu großer Unsicherheit: Ob sich Absolventen in jedem Fall als Wirtschaftspsychologen bezeichnen dürfen, ist umstritten. Was den meisten Studenten nicht klar sein dürfte: Im Ernstfall müssten sie das vor Gericht klären lassen.
Psychologische Vorkenntnisse unnötig?
Das ist zumindest die Ansicht des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) in Berlin. Demnach darf sich nur Wirtschaftspsychologe nennen, wer ein mindestens vierjähriges Psychologiestudium mit diesem Schwerpunkt erfolgreich absolviert hat. Mit der Berufsbezeichnung Psychologe sei ebenso wie mit dem Wirtschaftspsychologen eine bestimmte Qualifikation verbunden, auf die Verbraucher vertrauen können müssten, so der BDP. Und Masterabsolventen ohne Bachelor in Psychologie, die sich als Wirtschaftspsychologe bezeichnen, riskieren laut BDP eine Klage wegen unlauteren Wettbewerbs: Zwar sei die Bezeichnung Wirtschaftspsychologe nicht direkt durch ein Berufsgesetz, aber wettbewerbsrechtlich und strafrechtlich geschützt.
Doch die meisten Masterprogramme setzen gar keine psychologischen Kenntnisse voraus. An der SRH-Hochschule braucht man lediglich irgendeinen Bachelorabschluss, egal in welchem Fach. An der Steinbeis Hochschule braucht man betriebswirtschaftliche Kenntnisse, aber keine in Psychologie. An der Euro-FH genügt ein Abschluss "mit wirtschaftswissenschaftlichem Schwerpunkt", ersatzweise ein Motivationsschreiben. Weiter heißt es: "Absolventen der Psychologie und Wirtschaftspsychologie können nicht aufgenommen werden."
Mit der Wettbewerbsklage macht der BDP ernst: Erst im April gab ein Gericht dem Berufsverband in einem Verfahren gegen einen Lübecker Anbieter recht, der bei seinen einjährigen Fernlehrgängen damit warb, sich danach als Betriebspsychologe oder Organisationspsychologe bezeichnen zu können. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Vor Kurzem hat der BDP außerdem Klage gegen einen Münchener Professor wegen "Irreführung über seine Befähigung" eingereicht. Der Fall wird im Januar vor Gericht verhandelt.
"Ihr könnt Euch Wirtschaftspsychologen nennen"
Informiert man sich bei der Bundesagentur für Arbeit, ist das Berufsbild allerdings recht klar definiert: "Wirtschaftspsychologen übertragen psychologische Erkenntnisse auf wirtschaftliche Fragestellungen". Sie "untersuchen Verhaltensmuster von wirtschaftlich handelnden Gruppen" und "schlagen Maßnahmen vor und erstellen Konzepte." Als weiterführendes Studienfach vertiefe Wirtschaftspsychologie "die im grundständigen Studienfach" erworbenen Kenntnisse. Folgt man dieser Beschreibung, sattelt die Wirtschaftspsychologie auf die Psychologie drauf.
DGPs-Präsidentin Abele-Brehm kritisiert Masterstudiengänge, die keinen Bachelor in Psychologie voraussetzen. Der Bachelor decke die Grundlagenfächer wie Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie, Psychodiagnostik sowie umfassendes Statistikwissen ab. Im Master spezialisiere man sich dann, zum Beispiel auf Wirtschaftspsychologie. "Wer ohne die Grundlagenkenntnisse aus dem Bachelorstudium psychologisch tätig ist, gleicht einem Mediziner, der nur den Namen eines Medikaments kennt, aber nicht weiß, wie es zusammengesetzt ist und wirkt", warnt die Psychologieprofessorin.
Sie rät Bewerbern und Unternehmen deshalb genau hinzuschauen, was hinter einem Angebot steckt und welche Qualifikationen überhaupt vermittelt werden - zumal alle Studiengänge mit demselben akademischen Titel Master of Science oder Master of Arts abschließen.
Mario Vaupel, Direktor des Institute of Executive Capabilities der Steinbeis Hochschule, hält den Titelstreit für obsolet: "Die Psychologenverbände haben kein Monopol. Wir sagen unseren Absolventen daher, dass sie sich Wirtschaftspsychologe nennen können."
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Beitrags wurde nicht ausreichend deutlich, in welcher Beziehung die Autorin zum BDP steht, daher haben wir den Beitrag umformuliert. Zwar ist "Wirtschaftspsychologie aktuell" als Fachmagazin nicht an Weisungen des BDP gebunden, wird über den Verband aber mitfinanziert. Die Autorin befindet sich mit einem der nicht namentlich genannten Protagonisten in einem Rechtsstreit über dessen Qualifikation. Der beschriebene Umstand, dass der BDP hier wettbewerbsrechtliche Klagen anstrengt, ist davon unberührt.