
Fit durch die Fußball-WM: Fünf Tipps von Schlafforscher Jürgen Zulley
Fußballfreunde auf der Arbeit Ausgeschlafen durch die WM
KarriereSPIEGEL: Am 12. Juni hat die Fußball-WM begonnen. Etliche Spiele beginnen spät. Wie sehr wirkt es sich auf die Arbeit aus, wenn man sich die Nächte um die Ohren schlägt?
Zulley: Wenn man regelmäßig zu wenig schläft, ist die Befindlichkeit gestört, die Konzentration lässt signifikant nach - und man kann regelrecht gereizt werden. Eine kurze Nacht hier und da steckt man weg, aber wenn man das einen Monat lang immer wieder macht, sind die Auswirkungen gravierend. Man sitzt schlaftrunken im Büro, das Gedächtnis lässt einen im Stich. Man wird auch viel riskanter in seinen Entscheidungen, weil man physisch und psychisch nicht mehr in der Lage ist, Dinge in Ruhe durchzudenken. Es können sogar leicht depressive Verstimmungen und Stresssyndrome auftreten - aber das hängt wahrscheinlich auch davon ab, wie die Spiele für die favorisierte Mannschaft laufen.
KarriereSPIEGEL: Gibt es Tricks, mit denen man die Folgen von Schlafdefiziten mindern kann?

Diplom-Ingenieur, Diplom-Psychologe und Professor für Biologische Psychologie: Jürgen Zulley arbeitet seit mehr als 40 Jahren auf den Gebieten der Schlafforschung und Chronobiologie. Er schrieb Bücher und zahlreiche wissenschaftliche Artikel.zulley.de:Homepage von Jürgen Zulley
Zulley: Man sollte sich am nächsten Morgen schnell wach machen - ein Kaffee ist gut, Licht ist noch wichtiger. Ein kurzer Mittagsschlaf kann auch helfen. Fehlenden Schlaf kann man aber über Kurzschlafepisoden nicht komplett kompensieren. Wenn man vorher schon weiß, dass es spät wird, sollte man seinen Terminplan vorausschauend gestalten und eher Routineaufgaben erledigen als wichtige Entscheidungen treffen. Das Risiko für Fehler steigt bei Schlafmangel exponentiell. Von Medikamenten zum Ausgleich kurzer Schlafzeiten rate ich ab - da sind die Nebenwirkungen zu riskant. Helles Licht hat eine wach machende Wirkung. Am Arbeitsplatz sollte es so hell wie möglich sein. Und man sollte auf jeden Fall gucken, dass man nach draußen kommt, wenn man müde ist. Das hilft.
KarriereSPIEGEL: Wie lange sollte man sich mittags hinlegen?
Zulley: Auf keinen Fall länger als 30 Minuten, sonst ist man nicht fit, sondern braucht lange, um wieder wach zu werden, und ist nicht leistungsfähig. Man darf nicht in den Tiefschlaf kommen.
KarriereSPIEGEL: Kann man vorschlafen?
Zulley: Das funktioniert begrenzt - und nur für einzelne Nächte. Sich früher hinlegen hat wenig Sinn, aber wenn spät ein Spiel kommt, könnte man so gegen 18 Uhr noch mal eine Schlafeinheit einschieben, dann bleibt man fitter.
KarriereSPIEGEL: Wie wirkt sich Alkohol auf die Schlafqualität aus?
Zulley: Der Abbau von Alkohol ist ein Schlafstörer, das ist für den Organismus richtige Arbeit. Man schläft schlechter, mit mehr Unterbrechungen. Ein Bier oder ein Glas Wein sind kein großes Problem, aber wenn es deutlich mehr wird, sinkt die Schlafqualität rapide.
KarriereSPIEGEL: Wie kann man nach einem aufregenden Spiel besser in den Schlaf finden?
Zulley: Man muss in die Entspannung kommen. Dazu zählt, dass man einen klaren Schlussstrich zieht unter alle Themen, die einen mental stark beschäftigen - sei es Fußball oder die Arbeit. Man kann gut leise, ruhige Musik hören, aber kein Hintergrundgeplätscher, sondern solche, auf die man sich konzentriert. Der Fachbegriff lautet: monotone Stimulation. Damit kann man deutlich besser einschlafen und findet schneller zur Ruhe. Und man sollte sich tagsüber körperlich ermüden, also Sport machen oder sich zumindest bewegen.
KarriereSPIEGEL: Gibt es Musiktipps vom Schlafforscher?
Zulley: Aber ja. Das Requiem von Gabriel Fauré eignet sich exzellent. Das von Mozart nicht - viel zu aufwühlend und dramatisch. Georges Moustaki ist auch wunderbar. Da gibt es ein ideales Stück: "Ma solitude". Oder auch "Le meteque". Man kann ruhig jeden Abend dasselbe hören oder auf eine kleine Auswahl zurückgreifen - das ist dann ein hilfreiches Ritual, mit dem man sich selbst auf rasches Einschlafen konditionieren kann.

Tipps für Langschläfer: Wie sag ich's meinem Chef?
KarriereSPIEGEL: Und wie startet man optimal in den Tag?
Zulley: Mit Licht und Musik. Allerdings dann nichts allzu Ruhiges, sondern etwas Positives, das einen wach macht, aber nicht zu laut. Und man sollte es hell haben. Es gibt natürlich Lichtwecker - aber man kann auch einfach eine Zeitschaltuhr an einer Lampe montieren, das tut es auch.
KarriereSPIEGEL: Es gibt Fitnessarmbänder, die ihre Träger abhängig von deren Schlafphasen wecken - ist das sinnvoll?
Zulley: Schlafphasenwecker gibt es schon seit einigen Jahren, das Prinzip ist also nicht neu. Die wecken einen nur, wenn man sich bewegt - denn das tut man nur, wenn man nicht im Tiefschlaf ist. Da reicht aber auch eine simple Smartphone-App aus, die gibt es mittlerweile zuhauf.
KarriereSPIEGEL: Die deutschen Spieler haben ja mit einer Zeitverschiebung von fünf Stunden zu tun. Wie lange braucht man, bis sich der Körper wirklich komplett daran gewöhnt hat und man auch im Training volle Leistung bringen kann?
Zulley: Es gibt eine einfache Regel: pro übersprungene Zeitzone einen Tag. Nach Westen fliegen erleichtert die Umstellung natürlich, nach Osten wird es schwieriger. Am besten ist es, sich sofort dem neuen Rhythmus anzupassen, viel im Hellen zu sein und ordentlich Sport zu treiben. In dem Punkt ist die Nationalmannschaft also gut aufgestellt.
KarriereSPIEGEL: Wer ist Ihr WM-Favorit?
Zulley: Brasilien. Der Heimvorteil ist wohl nicht zu unterschätzen.

Das Interview führte Maren Hoffmann, Redakteurin bei manager magazin Online. Dort erschien ihr Beitrag zuerst.