

Mit Kollegen soll man es sich nicht verscherzen, heißt es immer. Schließlich verbringen viele Menschen im Laufe ihres Lebens mehr Zeit bei der Arbeit als mit der eigenen Familie - und wer weiß, vielleicht können die anderen Mitarbeiter im Laufe des Berufslebens noch mal förderlich sein. Man sieht sich immer zweimal und so.
Allerdings: Es gibt Kollegen, mit denen kann man einfach schwer auskommen. Fußatmer, Schnürsenkelbügler, Büroketzer - eben Nervensägen, die immer der gleichen Meinung sind wie der Chef, extrem pedantisch oder chronisch unzufrieden. Schon ist das Büroklima verpestet.
Wenn es gut läuft, klärt man's von Mann zu Mann, von Frau zu Frau oder kreuzweise. Im schlechten Fall kommt es zum verdeckten Bürokrieg. Als Waffe dienen der Bürodrucker oder handgekritzelte Zettel; bevorzugte Kampfzonen sind die Gemeinschaftsräume, nämlich Kaffeeküche und Büroklo.
Das klingt dann so: "Bitte den Mikrowellendeckel nutzen! Vertrocknete Essensreste in der Mikrowelle sind ekelhaft!" - "Beim Verlassen der Toilette: Klodeckel zu und Licht aus!" - "Tassen abspülen! Es ist nicht zumutbar, seinen Kollegen eine derart verschmutzte Küche zu hinterlassen!"
Wumm. Sätze wie Streubomben. Und sie können jeden treffen: Hat der Verfasser etwa beobachtet, wie ich meinen Becher kürzlich - große Ausnahme natürlich! - ungespült im Waschbecken versenkt habe?
Das Perfide am Zettelkrieg: Die Widersacher bleiben gesichtslos. Keiner weiß, von wem die Kampfansage stammt und an wen sie gerichtet ist. "Die Verfasser wollen ihrem Ärger Luft machen, dabei aber anonym bleiben", sagt Michael Kastner, Leiter des Instituts für Arbeitssoziologie und Arbeitsmedizin in Herdecke. Der gemeine Insbürogeher äußert seine Kritik an anderen nun mal nicht gern direkt. Dabei kann man sich nicht mal sicher sein, ob die Anhänger der Zettel-Guerilla nicht selbst zur Misere beitragen: "Wer solche Zettel schreibt, hält sich oft selbst nicht an die Regeln", so Kastner.
Die Botschaft darf auch mal wehtun
Richtig fies wird es, wenn der Angreifer unter die Gürtellinie zielt. Zum Beispiel auf der Herrentoilette: "Geh näher ran, er ist kürzer als du denkst." Ehrverletzend und lustig zugleich - so ein Satz wirkt nach. Emotionalisieren nennt der Wissenschaftler das. "Mit dem erhobenen Zeigefinger wird der Zettelschreiber sein Ziel kaum erreichen", so Kastner. "Eine Botschaft ist wirksamer, wenn sie die Kollegen zum Schmunzeln bringt." Dann dürfen die Nachrichten auch gern mal wehtun. Sind ja nicht persönlich gemeint.
Alles in allem halte er aber nicht allzu viel von den Zettelbotschaften, sagt Kastner. "Es wird sich erst was ändern, wenn falsches Verhalten bestraft wird." Etwa wenn Kaffeetassen-Sünder fürs Nichtabwaschen einen Euro in die Gemeinschaftskasse blechen müssen.
Vielleicht sollten wir aber auch einfach umdenken: Wie wäre es zur Abwechslung mit Abrüstung? Mit Friedensbotschaften, mit Zetteln, die entspannen? Eine Saarbrückerin hat den Versuch auf der Straße unternommen und auf dem Papier Zeit, Freude und Mut verschenkt. Bedürftige können die Schnipsel mit der Aufschrift "Alles wird gut" oder "50 Minuten Zeit" abreißen und mit nach Hause nehmen. Ein Prototyp fürs Büro? Einen Versuch wäre es wert.
Humorvoll und kreativ oder eine derbe Schimpfkanonade - die Zettel selbst sind so unterschiedlich wie ihre Verfasser. Für eine bessere Orientierung in der Welt der Papierkrieger haben wir sie in sechs Kategorien unterteilt.
Die Botschaften sind mal kreativ, mal garstig und plump. Wie versuchen Ihre Bürokollegen einander zu erziehen? Schicken Sie uns Fotos mit kuriosen Fundstücken und einer kurzen Erklärung.Leseraufruf Zettelkrieg
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Mag sein, aber was geht mich das an? Viele Zettelschreiber scheuen auch in dieser Kommunikationssituation die direkte Ansprache. Die Feststellung stimmt ja, aber eine Handlungsanweisung wird so noch nicht daraus.
In deutschen Büros herrscht Papierkrieg. Wir baten die Facebook-Leser von SPIEGEL ONLINE, ihre schönsten Zettelfotos einzusenden. Denn viele kleine Konflikte werden
in Deutschlands Büros per Wandzettel ausgetragen. mehr...
Als dem Müll die Tränen kamen: Ich bin Müll, holt mich hier raus - so kann man ungefähr die orthografisch nicht gaaaanz korrekte Botschaft in Marvin Cashes Barkowskis Foto zusammenfassen.
Der Kühlschrank lebt: Die kleine Tomati auf dem Foto von Kathrin Stich hat eine große Zukunft vor sich.
Dialogkultur: An der ursprünglichen Fassung haben Kollegen nachgebessert. Ob der Leuchtstiftschreiber, dessen Werk Silke Büttner festgehalten hat, selbst immer fleißig die Spülmaschine ausräumt?
Fehlersuche: Streng genommen wäre das ausgedruckte Foto rechts gar nicht nötig gewesen. Die gezeigten Flaschentreffen scheinen in dieser Firma gängig zu sein.
Bierdiebe treiben ihr Unwesen: Auf diesem Schild geht es um ehrliche moralische Empörung.
Na denn Prost: In diesem Geschäft darf man sich nicht beim Trinken zusehen lassen.
Das sieht nach Chef aus: Welche konkrete Handlungsanweisung aus dem Zettel auf Jörg Dittmanns Foto folgt? Schwer zu sagen, aber Ja-Sager dürften es dort leichter haben.
Korrekt geplante Abläufe: Bei Thorsten Bayer im Betrieb sind offenbar auch alltägliche Abläufe von langer Hand geplant.
Kostenlos, aber auch umsonst, im Sinne von vergebens: Die Küche ist nur ein Schauplatz von Erziehungsversuchen der lieben Kollegen - der andere ist der Lokus, wie hier auf dem Foto von Hendryk Ekdahl.
Sportlicher Lokus: Michael Jacksons Tanzstil als Beschreibung für vorbildliches Verhalten - ein Foto von Andreas Hofmann.
...und wer wäre nicht gern Vorbild? Florian Gery Liss fand diese moralisierende Regelsammlung.
Das geht an die Substanz: Einer muss den Dreck wegmachen - mahnende Worte an die Büromenschen in diesem Bild von Nadia Döhring.
Say it in broken English: Im Studentenwohnheim von Jens Krumeich wurde dieser Zettel zum Ziel von Spöttern.
Bestreitbare These: Patrick Kothens Foto lässt auf wiederholte Mangelzustände schließen.
Hygienewunsch mit Schniepel-Attacke: Ein Witz, der schon Jahrzehnte überdauert hat. Daniel Schlund zeigt auf seinem Blog "In den Schlund geschaut", dass er offenbar bis heute prächtige Lebensbedingungen vorfindet.
Sag mir, was du klebst, und ich sage dir, wer du bist: Die Zettel, die Büro-Toiletten und Gemeinschaftsküchen zieren , sind so unterschiedlich wie ihre Verfasser. Für eine bessere Orientierung in der Welt der Papierkrieger haben wir sie in sechs Kategorien unterteilt.
Der Brüller: Jeder Satz ein Schrei
Der Brüller schreit ohne Töne, er tut es auf dem Papier. Ausrufezeichen sind das Mittel seiner Wahl. Viele Ausrufezeichen. "Es ist nicht zumutbar, seinen Kollegen derart verschmutzte Toiletten zu hinterlassen!!!!", lautet sein stummer Schrei. Als Verstärker dienen auch Versalien: "DIE KLOBÜRSTE IST KEINE DEKO!!!", ruft der Brüller von der Toilettenwand. Besonders laut wird es, wenn er Großbuchstaben mit Ausrufezeichen kombiniert.
Erfolgschance: Gering. Der Brüller agiert zu cholerisch. Außerdem lässt sich niemand gern auf dem stillen Örtchen anschreien.
Der oder die Verzweifelte: Am Rande des Nervenzusammenbruchs
"Ist es denn so schwer...", beginnt die Botschaft des Verzweifelten, "...dass jeder, der sich einen Kaffee nimmt, 50 Cent die Kaffeekasse tut?" Er kann einfach nicht nachvollziehen, was in seinen Mitmenschen vorgeht. Und was so schwer daran ist, einfachste Regeln des Zusammenlebens zu befolgen.
Erfolgschance: Mittel. Der Verzweifelte bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen Sympathie und Mitleid. In seinen Kollegen weckt er das Bedürfnis, ihn in den Arm zu nehmen, ihm ein beruhigendes "Alles wird gut" ins Ohr zu brummen - und sich dann mit dem unbezahlten Kaffee aus dem Staub zu machen.
Der Kreative: Der tut nix, der will nur spielen
Ob der Kreative seine Kollegen belehren oder sie eigentlich lieber mit Spielkram überraschen will, ist noch nicht abschließend erforscht. Unter dem Titel "It works!" schreibt er eine Kurz-URL auf einen Zettel, den er in die Toilette hängt. Hinter der Internetadresse verbirgt sich ein Wikipedia-Artikel zum Thema "Toilet brush". Schlichte, aber wirkungsvolle Methode. Kollegen, die ihr Smartphone mit auf die Toilette nehmen, wissen dank des Kreativen, was zu tun ist. In einigen Unternehmen wird der Kreative auch Nerd genannt.
Erfolgschance: Hoch, vorausgesetzt, die Zielpersonen sind von den Spielereien nicht dermaßen abgelenkt, dass sie alles andere vergessen.
Der Freundliche: Heute schon ge :-) ?
Ohne Smileys geht im Büroalltag des Freundlichen nichts. Keine E-Mail, keine SMS, keine Zettelbotschaft kommt ohne Grinsebacke aus. "Wer die Kanne leert, bitte neuen Kaffee kochen :-)". "Der Hocker gehört in den Druckerraum - nicht in die Küche ;-)". Sie sind vom Verhalten der Kollegen genervt, wollen aber keinen Ärger mit ihnen.
Erfolgschance: Sehr gering. Das ist auf dem Papier nicht anders als im wahren Leben: Dauergriener können sich nicht durchsetzen.
Der Besitzstandswahrer: Alles meins!
Besitzstandswahrer verabscheuen Veränderungen, besonders wenn sie selbst von ihnen betroffen sind. Einen Kickertisch, der vor Jahren von ihrer Abteilung angeschafft wurde, betrachten sie als ihr Eigentum. Dass er mittlerweile in der Kaffeeküche steht und sich nun mehr Kollegen damit austoben als früher, ist in ihren Augen eine Gefahr. Ein Zettel mit der Aufschrift "Dieser Kicker gehört dem Einkauf!" soll ihr Hab und Gut vor jenen Tölpeln schützen, die den Ball womöglich zu scharf gegen die Bande schießen.
Erfolgschance: Gleich null. Besitzstandswahrer werden ausgelacht und mit Kicker-Bällen beworfen.
Der Poet: "... Und morgen ein anderer an der Reihe ist"
"Keine Angst - in mir steckt kein wildes Tier
Sondern nur jede Menge schmutziges Geschirr
Drum schalt mich ein, das ist nicht schwer
Und räume mich anschließend wieder leer
Mein Dank sei dir bestimmt gewiss
Und morgen ein anderer an der Reihe ist."
Erfolgschance: Da hilft kein Reimen und kein Träumen, der Poet wird das Geschirr stets selbst wegräumen.
Der Kreative: Der tut nix, der will nur spielen
Ob der Kreative seine Kollegen belehren oder sie eigentlich lieber mit Spielkram überraschen will, ist noch nicht abschließend erforscht. Unter dem Titel "It works!" schreibt er eine Kurz-URL auf einen Zettel, den er in die Toilette hängt. Hinter der Internetadresse verbirgt sich ein Wikipedia-Artikel zum Thema "Toilet brush". Schlichte, aber wirkungsvolle Methode. Kollegen, die ihr Smartphone mit auf die Toilette nehmen, wissen dank des Kreativen, was zu tun ist. In einigen Unternehmen wird der Kreative auch Nerd genannt.
Erfolgschance: Hoch, vorausgesetzt, die Zielpersonen sind von den Spielereien nicht dermaßen abgelenkt, dass sie alles andere vergessen.
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