Arbeitsrecht Zu dick - darf der Arbeitgeber kündigen?

Der Arbeitgeber führte vor allem praktische Probleme an: Hartmut H. sei zu schwer, um auf eine Leiter zu steigen. Und er sei so dick, dass er den Kleintransporter des Gärtnerbetriebs nicht mehr fahren könne, der ihn und seine Kollegen zu den Kunden bringen soll. Normalerweise sei auf der Sitzbank vorne Platz für drei, inzwischen könne neben H. nur noch einer mitfahren. Und auch Arbeitskleidung sei für den Mitarbeiter - 1,94 lang, 200 Kilo schwer - praktisch nicht zu bekommen.
Deswegen hatte er Hartmut H. nach gut dreißig Jahren im Betrieb gekündigt: Der Mitarbeiter sei zu dick. H. klagte dagegen, jetzt wurde der Fall vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf verhandelt (Az. 7 Ca 4616/15).
Die Frage hat Gerichte in den vergangenen Jahren mehrfach beschäftigt: Was passiert, wenn der Chef einen Mitarbeiter zu dick findet? Darf er ihn rausschmeißen? Wiegen die praktischen Probleme so schwer?
Oder geht das einen Arbeitgeber eigentlich nichts an? Weil doch die Dimensionen und Proportionen des eigenen Körpers eine Privatsache sind. Ist das nicht folglich Diskriminierung, wenn er einen Mitarbeiter deshalb anders behandelt als die Kollegen?
Ist Adipositas eine Behinderung?
So argumentierte Hartmut H. Er forderte nicht nur mit einer Kündigungsschutzklage seinen Arbeitsplatz zurück. Er klagte auch auf Entschädigung: Wegen seiner körperlichen Behinderung sei er diskriminiert worden.
Klagen dieser Art hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) vor rund einem Jahr erleichtert. Damals stellte er fest, dass auch Fettleibigkeit als Behinderung eingestuft werden kann. In Deutschland ein Novum, hier galten Übergewichtige erst als behindert, wenn sich Folgeerkrankungen einstellten, etwa Diabetes oder starke Gelenkprobleme.
Arbeitnehmer mit Behinderungen dürfen im Arbeitsleben nicht benachteiligt werden. Wenn eine Firma das Arbeitsverhältnis mit einem Behinderten auflösen will, muss sie das sehr gut begründen können. Bei schweren Behinderungen wird das örtliche Integrationsamt den Fall prüfen und den Arbeitnehmer in dieser Situation besonders unterstützen. Nicht zuletzt kann ein Integrationsamt eine Kündigung auch verhindern.
Mit dem EuGH-Urteil wurde aber auch die besondere Verantwortung der Arbeitgeber klargestellt: Wenn sich Kollegen über einen pummeligen Kollegen lustig machen, muss der Chef ihn davor schützen. Arten die Angriffe zu Mobbing aus, muss er die Rädelsführer im Extremfall sogar rausschmeißen.
Die körperlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter
Kein Wunder, dass es dem Gärtnereibetrieb von Hartmut H. so wichtig war, die praktischen Probleme zu erklären: Wenn H. wegen seiner Leibesfülle nicht mehr der Arbeit nachkommen kann, dann will der Chef auch nicht dafür zahlen.
Allerdings war Hartmut H. da ganz anderer Meinung: Im Führerhaus des Kleintransporters hätten durchaus zwei weitere Kollegen Platz, zitiert ihn die "Bild"-Zeitung. Und immer wieder betonte er, dass er seine Aufgaben ohne Einschränkungen erledigen könnte.
Was die Arbeitsmittel angeht, wäre sein Arbeitgeber ohnehin in einer schwierigen Position gewesen: Bereits vor Jahren klärten die Arbeitsgerichte, dass die Firma für geeignete, sichere Arbeitsmittel zu sorgen hat. Dabei muss sie die speziellen körperlichen Bedürfnisse eines einzelnen Mitarbeiters berücksichtigen. Das betrifft nicht nur Übergewichtige, sondern beispielsweise auch Büroangestellte, die schon mal einen Bandscheibenvorfall hatten und nicht einen ganzen Arbeitstag lang sitzen dürfen.
Mit den Hinweisen auf seine Arbeitsfähigkeit hat H. am Ende gewonnen - und zugleich verloren. Mit der Kündigungsschutzklage kam er durch, weil sein Chef nicht überzeugend vermitteln konnte, warum eine Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich sein soll. Eine Entschädigung wegen Diskriminierung bekommt er dennoch nicht: Fettleibigkeit gilt nur dann als Behinderung, wenn man deswegen am Arbeitsleben nicht mehr voll teilnehmen kann.
Hartmut H. hat damit seinen Job zurück. Es sei denn, der Gärtnereibetrieb geht gegen das Düsseldorfer Urteil in die Berufung.