Prozess um Diskriminierung Kleine Frau darf nicht Pilotin werden

Zu klein für den Traumjob: Alina S. fehlen zur Pilotenausbildung 3,5 Zentimeter
Foto: Oliver Berg/ dpaIst die Mindestgröße für die Pilotenausbildung bei der Lufthansa eine Diskriminierung? Eine 19-jährige Bewerberin hatte alle Tests bestanden, bekam aber trotzdem keinen Ausbildungsvertrag - mit der Begründung, sie sei 3,5 Zentimeter zu klein. Dagegen zog die junge Frau nun vor Gericht. Sie verlangte von der Lufthansa 135.000 Euro Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund ihrer Körpergröße.
Frauen seien im Schnitt kleiner als Männer, argumentierte der Anwalt der Bewerberin vor Gericht. Also könnten weniger Frauen die erforderliche Mindestgröße erreichen. Die Richter stimmten zu. "Wir müssen davon ausgehen, dass über die Größenregelung deutlich weniger Frauen zum Zug kommen, als Männer", sagte der Vorsitzende Richter. Mehr als 40 Prozent der Frauen über 20 Jahre, aber nur vier Prozent der Männer über 20 Jahre seien kleiner als 1,65 Meter.
Hier handele es sich tatsächlich um eine Diskriminierung, die aber nicht geahndet werden könne: Da die Mindestgröße tarifrechtlich geregelt sei, habe die Fluggesellschaft als Arbeitgeber nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt. Die Richter wiesen die Entschädigungsklage ab. Gegen das Urteil ist Berufung zugelassen, es ist deshalb noch nicht rechtskräftig.
Im Cockpit geht es darum, dass der Pilot auch in Extremsituationen schnell alle Schalter und Hebel erreicht: Um das Fahrwerk auszufahren, muss er teils auf die andere Seite der Armaturen herübergreifen; im "Overhead Panel", einer Gruppe von Knöpfen, die am Flugzeugdach angebracht ist, wird unter anderem das Löschen von Triebwerksbränden ausgelöst.

Erste Pilotinnen: "Ich bin zu klein, zu blöd, ich bin eine Frau"
Damit alle Piloten zurechtkommen, gibt es einen Größenkorridor: Bei der Lufthansa darf niemand kleiner als 1,65 Meter oder größer als 1,96 Meter sein. Ähnliche Vorschriften gibt es auch beim Kabinenpersonal. Für Stewardessen gilt die Mindestgröße von 1,60 Meter, damit sie an die Gepäckboxen oberhalb der Sitzreihen herankommen.
Wer das zweistufige Bewerbungsverfahren bei der Lufthansa überstanden hat, wird am Ende einer Gesundheitsprüfung unterzogen: Wer zum Beispiel stark kurzsichtig oder weitsichtig ist, darf nicht Pilot werden. Allerdings werden Daten wie die Körpergröße schon bei der Online-Erfassung der Bewerber abgefragt. Wie die junge Frau trotzdem im Bewerbungsverfahren weiterkommen konnte, ist unklar.
Bei Swiss reicht eine Größe von 1,60 Meter
Bestimmte Anforderungen für den Pilotenjob gibt es bei prinzipiell allen Fluglinien, aber mit Abweichungen. Bei der Schweizer Lufthansa-Tochter Swiss werden auch 1,60 Meter große Menschen ausgebildet. Die Schweizer hätten aber auch andere Schul- und Passagierflugzeuge, argumentierte die Lufthansa. Und so große Passagiermaschinen wie die Lufthansa habe die Swiss gar nicht in Betrieb.
Die Flugzeughersteller selbst geben keine Mindestgrößen für Piloten an. "Aber Flugzeuge setzen einfach ein Mindestmaß voraus", so Lufthansa-Sprecher Michael Lamberty. Die 1,65 Meter seien "keine willkürliche Festsetzung" der Airline. In den Schulungsflugzeugen der Lufthansa im amerikanischen Phoenix habe man bereits vor Jahrzehnten getestet, wie groß oder klein ein Pilot maximal sein dürfe. "Wir suchen ja händeringend Bewerber. Jemanden wegen seiner Körpergröße auszusortieren, fällt uns wirklich nicht leicht", so Lamberty.
Allerdings wurden einige Vorschriften in den vergangenen Jahren den Gegebenheiten der Luftfahrtbranche angepasst. So wurden die Regularien für Fehlsichtigkeit stark gelockert; auch Laserkorrekturen der Sehstärke gelten inzwischen als akzeptabel.
Vor der Verhandlung hatte der Richter einen Vergleich vorgeschlagen: Gegen eine Zahlung von 10.000 Euro wäre das Verfahren beendet worden. Die verhinderte Pilotin wäre darauf eingegangen, die Lufthansa lehnte ab: Damit wäre kein Rechtsfrieden geschaffen.

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