Zurückbehaltungsrecht Was tun, wenn der Chef nicht zahlt?

Kein Geld, keine Arbeit: Ich mach' jetzt gleich gar nichts mehr!
Foto: CorbisMitarbeiter einigen sich mit Arbeitgebern über eine bestimmte Arbeitsleistung. Was im Job wichtig ist, regelt der Arbeitsvertrag. Zudem können Arbeitgeber per Weisungsrecht bestimmen, welche Arbeit wann und wo zu erledigen ist. So weit, so klar, so fair. Zur Schieflage kommen kann es, wenn ein Angestellter beharrlich seine Leistung verweigert. Aber auch umgekehrt, wenn eine Firma das Gehalt schuldig bleibt.
Wird der Lohn nicht gezahlt, erwartet der Gesetzgeber zunächst von Mitarbeitern, dass sie mit dem Arbeitgeber kommunizieren. Fruchtet das Gespräch nicht, können Mitarbeiter schriftlich eine Frist zur Lohnzahlung anmahnen. Hilft das auch nicht, bleibt nur der Gang zum Gericht.
Weil das aber Geld und Zeit kostet, können Mitarbeiter auch ihre Arbeit verweigern. Das gilt ebenso, wenn ein insolventer Arbeitgeber den Lohn nicht zahlt. Dieses sogenannte Zurückbehaltungsrecht bleibt so lange bestehen, bis der Arbeitgeber die Lohnforderungen erfüllt hat. Allerdings sollten Mitarbeiter diesen harten Weg erst wählen, wenn der Arbeitgeber zwei bis drei Monatsgehälter schuldig ist. Steht nur ein geringer Lohnanteil aus, darf man nicht ohne Weiteres die Arbeit verweigern.

Gehaltsgespräch: So wird's was mit dem Geld
Wer sich dafür entscheidet, verliert weder seinen Anspruch auf den vergangenen Lohn noch für die Zeit, in der ein Mitarbeiter dem Arbeitsplatz fernbleibt. Und schon gar nicht riskiert man den Arbeitsplatz. Denn ein Arbeitgeber hat in dieser Situation nicht das Recht zur Kündigung.
Lohnansprüche genau belegen
Das Zurückbehaltungsrecht muss aber ausdrücklich - am besten schriftlich - geltend gemacht werden. Sieht sich der Arbeitgeber im Recht, wird er präzise aufführen müssen, welche Gegenleistung der Mitarbeiter nicht erfüllt und ihn daher zur Lohnaussetzung gezwungen hat. Der Mitarbeiter seinerseits muss seine fälligen Lohnansprüche genau belegen können. Ferner muss er explizit schreiben, dass er genau deshalb seine Arbeitsleitung bis zur Begleichung der Lohnforderung nicht mehr erbringen wird.
Mitarbeiter müssen allerdings mit der Arbeitsverweigerung vorsichtig umgehen. Führt die nämlich zu einem enormen wirtschaftlichen Schaden für den Arbeitgeber, dürfen sie diesen Weg nicht wählen.
Wichtige Urteile und ihre Folgen
Ausgeprägte Sturheit, das geben Norddeutsche in schwachen Momenten selbst zu, siedelt besonders häufig in Küstennähe. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hatte über zwei Fälle zu entscheiden, in denen Mitarbeiter eine bessere Bezahlung erzwingen wollten:
Ein Bodenleger fühlte sich unterbezahlt. Er verlangte mehr Lohn oder einen anderen Einsatzort. Der Arbeitgeber lehnte beides ab und forderte ihn in mehreren Gesprächen eindringlich auf, die ihm zugewiesene Arbeit auf der Baustelle zu erledigen. Der Geschäftsführer drohte mit der fristlosen Kündigung, sollte der Mitarbeiter sich weiter weigern. Und weil er trotz Warnung genau das tat, kündigte das Unternehmen dem 49-Jährigen fristlos.
Zu Recht, so das Landesarbeitsgericht. Nicht nur, dass sich der Mitarbeiter bewusst und beharrlich weigerte, seine Arbeit zu verrichten. Der Arbeitgeber war gar nicht im Zahlungsverzug, denn der Lohnanspruch war noch gar nicht fällig. Der Mitarbeiter hätte weiterarbeiten müssen und nach der Lohnabrechnung mit dem Arbeitgeber über den Lohn streiten sollen. Die fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber war also rechtens (Urteil vom 17. Oktober 2013, Aktenzeichen 5 Sa 111/13 ).
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Zu einer drastischen Aktion entschloss sich eine Abteilungsleiterin - zum Sitzstreik: Nach einem gescheiterten Gehaltsgespräch wollte sie partout nicht aus dem Büro des Niederlassungsleiters weichen, bis er einer übertariflichen Bezahlung zustimmt. Auch Vermittlungsversuche misslangen, sie gab erst auf, als nach gut drei Stunden die Polizei anrückte. Am nächsten Tag legte die 49-Jährige noch per Mail über den Firmenverteiler nach und schrieb an Mitarbeiter und Geschäftspartner: "Wer solche Vorgesetzte hat, benötigt keine Feinde mehr." Keine Überraschung, dass die Firma sie danach entließ.
Das Landesarbeitsgericht sah trotz 22-jähriger beanstandungsfreier Betriebszugehörigkeit genügend Gründe für eine Kündigung, wenn auch nicht fristlos. Denn die Abteilungsleiterin habe ihre arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verletzt und zudem mit ihren E-Mails den Betriebsfrieden nachhaltig gestört; ihr Verhalten sei untragbar für eine Führungskraft mit Vorbildfunktion (Urteil vom 6. Mai 2015, Aktenzeichen 3 Sa 354/14).
Das rät Ina Koplin, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Wer seine Arbeitsleistung zurückhält, sollte sich sehr sicher sein, dass ihm das Zurückbehaltungsrecht auch zusteht. Ansonsten haben Arbeitgeber die Möglichkeit, aufgrund der unberechtigten Arbeitsverweigerung fristlos zu kündigen.
Streiten Mitarbeiter mit ihren Arbeitgebern über einen zukünftigen Lohn, haben Mitarbeiter generell nicht das Recht, vorab ihre Leistung zu verweigern. Ansonsten könnten Mitarbeiter mit ihren Arbeitgebern über das Druckmittel der Arbeitsverweigerung ihren Lohn per Nötigung nachverhandeln.