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Doris Brenner

Tipps von der Karriereberaterin Zwei Bewerbungen, erst eine Zusage – jetzt heißt es pokern

Doris Brenner
Ein Gastbeitrag von Doris Brenner
Oliver hat sich bei zwei Firmen beworben. Eine hat zugesagt, bei der anderen steht noch ein Gespräch an. Wie kann er den ersten Arbeitgeber hinhalten, bis der zweite sich entschieden hat?
Foto: Dr. Fly / iStockphoto / Getty Images

Oliver, 37 Jahre, fragt: »Ich bin gerade in der Bewerbungsphase für einen neuen Job. Von einem Arbeitgeber habe ich bereits eine Zusage erhalten. Bei einem zweiten Arbeitgeber hatte ich ein erstes Vorstellungsgespräch, das Zweitgespräch steht noch aus. Eigentlich wäre mir die zweite Stelle lieber. Wie soll ich mich verhalten?«

Lieber Oliver,

zunächst herzlichen Glückwunsch zu der Zusage des einen Arbeitgebers. Es dürfte Ihnen ein gutes Gefühl geben, dass Sie am Arbeitsmarkt gefragt sind. Das Problem der oft sehr zeitversetzten Auswahlverfahren, selbst wenn Sie sich sehr zeitnah bei beiden Unternehmen beworben haben, ist leider häufig anzutreffen. Den Spatz in der Hand oder die Taube auf dem Dach – das ist keine leichte Entscheidung, die nicht pauschal getroffen werden kann.

Daher lassen Sie uns Ihre Situation ein wenig näher beleuchten.

Ist die erste Stelle für Sie eine echte Alternative?

Zunächst sollten Sie sich sehr ehrlich die Frage beantworten, ob die bereits von dem Arbeitgeber zugesagte Stelle für Sie grundsätzlich infrage kommt. Sprich: Würden Sie die Stelle annehmen, wenn die andere Position keine Option wäre?

Diese Einschätzung fällt leichter, wenn Sie sich eine Entscheidungsmatrix erstellen, bei der Sie alle für Sie relevanten Kriterien aufführen und diese nach Wertigkeit gewichten. Diese Visualisierung hilft, um alle Kriterien im Auge zu behalten. Wenn Sie derzeit angestellt sind, können Sie so Ihren derzeitigen Job mit dem bereits zugesagten Job vergleichen. Spricht mehr für den bisherigen Job, macht es sicherlich keinen Sinn, auf die zugesagte Stelle zu wechseln. Bewerben Sie sich aus der Arbeitslosigkeit heraus, fällt natürlich diese Vergleichsmöglichkeit weg. Hier ist ein Beispiel für eine solche Entscheidungsmatrix – bei dem deutlich wird, dass in diesem Fall mehr für die neue Stelle sprechen würde als für die alte:

Ein Alternativangebot macht Sie attraktiver

Jetzt kommen wir zu Ihrer eigentlichen Frage. Grundsätzlich macht Sie ein Alternativangebot für einen Arbeitgeber attraktiver: Dahinter steckt der psychologische Effekt, dass erhöhte Nachfrage das Geschäft belebt. Der andere Arbeitgeber bringt durch das Angebot zum Ausdruck, dass er Sie gern für seine Organisation gewinnen möchte. Sie haben also bereits ein Auswahlverfahren erfolgreich bestanden. Das ist wie ein Qualitätssiegel. Es entsteht eine Wettbewerbssituation, die für den zweiten Arbeitgeber den Anreiz steigert, als Sieger herauszugehen. Daher der Rat: Gehen Sie auf den zweiten Arbeitgeber zu. Sagen Sie ihm, dass Sie ein konkretes Vertragsangebot haben und sich daher unter Entscheidungsdruck befinden. Betonen Sie ruhig, dass Sie sehr an der Stelle interessiert sind, jedoch das Zweitgespräch recht kurzfristig stattfinden müsste.

Oft geht es plötzlich ganz schnell

In der Praxis habe ich schon oft erlebt, dass bei dem beschriebenen Sachverhalt plötzlich sehr schnell reagiert wird und Sie sehr kurzfristig zu einem Zweitgespräch eingeladen werden. Konkurrenz ist attraktivitätssteigernd. Sie sollten dies jedoch nur tun, wenn die erste Stelle wirklich eine realistische Alternative für Sie ist. Erst Druck machen und dann umschwenken, sollte das Unternehmen doch länger brauchen, wirkt nicht sehr seriös und wenig glaubwürdig.

Zwei Wochen sind in der Regel überbrückbar

In diesem Zusammenhang kommt immer wieder die Frage auf, wie lange Sie Ihre Zusage auf ein Angebot hinauszögern können. Sofern die Zusage nur mündlich erfolgt ist, können Sie zunächst um ein schriftliches Vertragsangebot bitten. Daraus ergibt sich in der Regel immer noch die eine oder andere Frage, die es zunächst zu klären gilt. Und das kostet Zeit.

Vor einer endgültigen Entscheidung nochmals einen »Schnuppertag« anzusprechen, kann auch eine gute Option sein: Zum einen ist es für beide Seiten sinnvoll, eine noch breitere Entscheidungsbasis zu bekommen – dies gilt ganz besonders, wenn das gesamte Auswahlverfahren nur virtuell gelaufen ist und Sie noch nie vor Ort waren. Andererseits gibt Ihnen dies wiederum Zeit, denn es dauert in der Regel ein paar Tage, bis ein solches Kennenlernen organisiert und dann auch umgesetzt ist. Ein positiver Nebeneffekt dabei könnte auch sein, dass sich die vermeintlich nicht so attraktive Stelle als durchaus interessant und mit Entwicklungspotenzial herausstellen könnte oder Sie sich in dem Team besonders wohlfühlen. So sind bis zu zwei Wochen ab dem Zeitpunkt der firmenseitigen Zusage realistisch, bis Sie Ihre Unterschrift unter den Vertrag setzen müssten.

Ausschluss der Kündigung vor Arbeitsbeginn

Natürlich könnte Ihnen auch der Gedanken kommen, dass Sie das erste Vertragsangebot einfach annehmen und dann, sollte es auch zu einem zweiten Angebot kommen, den ersten Vertrag einfach vor Arbeitsbeginn wieder kündigen. Hier sollten Sie zunächst im Vertrag genau lesen, ob eine Kündigung vor Arbeitsantritt vertraglich ausgeschlossen ist. Aufgrund schlechter Erfahrungen ist diese Klausel in vielen Verträgen mittlerweile bereits enthalten. Auch wenn die Mehrzahl der Unternehmen in diesem Fall keine rechtlichen Schritte einleitet, so ist dies doch nicht die feine Art, und eines ist sicher: Bei diesem Unternehmen brauchen Sie sich auf längere Zeit nicht mehr zu bewerben.

Nicht das Gefühl der zweiten Wahl geben

Dem ersten Arbeitgeber zu sagen, dass Sie noch auf die Entscheidung eines anderen Arbeitgebers warten, den Sie für attraktiver halten, davor rate ich eher ab. Wären Sie gern zweite Wahl?

Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen und einen spannenden neuen Arbeitsplatz.

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