Arbeitnehmer Gut zwei Drittel gehen krank zur Arbeit

Krank zur Arbeit
Foto: CorbisDie Krankheit, die bei deutschen Arbeitnehmern am weitesten verbreitet ist, heißt Präsentismus. Sie ist immer dann akut, wenn ein Kollege zur Arbeit kommt, obwohl er so krank ist, dass er eigentlich das Bett hüten sollte.
Wie verbreitet das Phänomen ist, hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) untersucht. Demnach schleppten sich im vergangenen Jahr mehr als zwei Drittel der Arbeitnehmer an wenigstens einem Tag krank zur Arbeit.
Bei einem Tag ist es dann aber oft nicht geblieben: Im Durchschnitt haben diese Kollegen während eines Jahres 12,1 Tage krank gearbeitet. Fast die Hälfte (47 Prozent) quälte sich eine Woche oder länger. Und 14 Prozent brachten sogar über einen Zeitraum von mindestens drei Wochen ihre Bazillen mit zur Arbeit.
Für die Untersuchung hat der DGB eine repräsentative Befragung aus dem Jahr 2015 ausgewertet, an der über 4600 Arbeitnehmer teilgenommen haben. Eine Umfrage für die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin kam vor drei Jahren zu einem ähnlichen Ergebnis und berichtete von 57 Prozent Krankarbeitern.
Präsentismus ist gleich auf mehreren Ebenen problematisch: Wer krank arbeitet, braucht länger, um gesund zu werden. Oft verschlechtert sich sein Zustand, und er fällt später doch aus. Es ist aus anderen Studien bekannt, dass bei erkrankten Mitarbeitern das Unfall- und Fehlerrisiko steigt, ihre Produktivität nimmt ab. Und oft stecken sie noch ihre Kollegen an.
"Generation Y" arbeitet seltener krank
Warum also tun sich das so viele an? Der DGB sieht einen Zusammenhang mit dem Arbeitsklima. Unter Präsentismus leiden vor allem die Befragten, die von einer schlechten Betriebskultur in ihrer Firma berichten. Das gilt vor allem für diejenigen, die für längere Zeiträume krank arbeiten. Ähnlich wirkt sich Arbeitsverdichtung aus.
Offenbar fürchten viele, dass sich in ihrer Abwesenheit so viel Arbeit anhäuft, dass sie sich mit ein, zwei Krankheitstagen eher schaden. Zu einer guten Betriebskultur gehören unter anderem Arbeitsabläufe, die einen Krankheitsausfall verkraften, aber auch ein wertschätzendes Klima, in dem der Einzelne im Krankheitsfall keine persönlichen Nachteile fürchten muss.
Eine Gruppe unter den Krankarbeitern ist auffällig groß, nämlich Menschen, die sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen. Zusammenfassend kann man also sagen: Häufig ist es eine Form von Angst, die Menschen in den Präsentismus treibt.
Aber kann es nicht auch sein, dass jemand dermaßen begeistert im Job ist, dass ihm seine Rotznase egal ist? Solche Fälle gibt es vereinzelt sicher, für das Gros der Arbeitnehmer lässt sich ein derartiger Zusammenhang mit der Untersuchung aber nicht belegen. Befragte, die sich selbst als besonders motiviert einstuften, haben keine stärkere Tendenz zum Präsentismus als die anderen.
Eine kleine Rolle spielt auch das Alter. Arbeitnehmer über 55 arbeiten etwas seltener als der Durchschnitt trotz Krankheit. Tun sie es doch, dann oft für längere Zeiträume. Am anderen Ende des Altersspektrums stehen die Beschäftigten unter 25 Jahren, die wesentlich seltener krank arbeiten. Vielleicht ist das tatsächlich ein Merkmal der "Generation Y".
Krank zur Arbeit - nach Berufsgruppen
Berufsgruppe | Mind. eine Woche krank zur Arbeit |
---|---|
Medizinische Gesundheitsberufe | 60% |
Gebäudetechnik, Ver-/Entsorgung, Sanitär | 55% |
Lager, Verkehr, Logistik (außer Fahrzeugführ.) | 54% |
Lehrende und ausbildende Berufe | 53% |
Nichtmed. Gesundheit,Körperpfl, Medizint. | 53% |
Berufe in Recht und Verwaltung | 52% |
Schutz, Sicherheit, Überwachung, Militär | 51% |
Landwirtschah/Forst/Garten | 51% |
Metallberufe | 51% |
Erziehung, soz, hauswirt. Berufe, Theologie | 50% |
Verkaufsberufe | 49% |
Finanzdienstl. Rechnungsw., Steuerberatung | 49% |
Reinigungsberufe | 48% |
Mathe/Biologie/Physik/Geologie etc. | 47% |
Einkaufs-, Vertriebs- und Handelsberufe | 47% |
Gesamt | 47% |
Lebensmittel | 46% |
Bauplanung/Architekt/Hoch-/Tief-/Ausbau | 44% |
andere Dienstleistungsberufe | 44% |
Konstruktion/Steuerung | 43% |
Berufe Verwaltung, Untemehmensführung | 43% |
Elektro/Mechatronik | 42% |
Maschinenbau | 41% |
Rohstoffgewinnung/-verarbeitung | 41% |
Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufe | 39% |
Führer von Fahrzeug- u. Transportgeräten | 35% |
Informatik/IT Berufe | 24% |