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1, 2, 3, 4 oder 5 Fläschchen?

Den umstrittenen Abituriententest für die harten Numerus-clausus-Fächer Human-, Zahn- und Tiermedizin beschloß die Konferenz der Kultusminister (KMK) am vergangenen Freitag für zunächst drei Jahre, beginnend mit dem Wintersemester 1980/81. Wegen des Widerstands der Minister und Senatoren der SPD/FDP-regierten Länder hatte sich die KMK bis dahin nicht einigen können. Auch jetzt stimmten nur zehn der elf Länder für den Start: Bremen enthielt sich. Druckreif ist der Text einer Broschüre, mit der kurz vor Testbeginn die Studienbewerber über Bedingungen und Aufgaben des Tests informiert werden sollen. Bislang veröffentlichte der SPIEGEL Aufgaben aus Entwürfen, die noch überarbeitet wurden (Hefte 7/1977, 33/1977 und 37/1978). Die folgenden Aufgaben aus der geplanten Broschüre sind repräsentativ für den nunmehr beschlossenen Test, von dem zwei Fassungen in den Safes des Bonner Testinstituts der »Studienstiftung des deutschen Volkes« liegen.
aus DER SPIEGEL 14/1979

Das Prinzip ist bei fast allen Aufgaben gleich: Von fünf Lösungsvorschlägen A bis E ist der richtige anzukreuzen. Die Zeit für die Lösung ist stets knapp bemessen.

Der gesamte Test besteht nur aus Papier-und-Bleistift-Aufgaben. Die Bemühungen, mit einem apparativen Test die Fingerfertigkeit zu prüfen, sind gescheitert.

Hinweise für die folgenden Aufgaben:

Die Numerierung erfolgt nur zur bessern Übersicht. Lösungen und Angaben über den Schwierigkeitsgrad am Schluß. Text der »Erläuterungen«, soweit wörtlich zitiert: Testinstitut der Studienstiftung.

»Figuren zusammensetzen«

Bei diesem Untertest sind 21 Aufgaben in 20 Minuten zu lösen. Es soll geschätzt werden, »welche Einzelteile sich zu einem vorgegebenen Ganzen zusammensetzen lassen«. Jede Aufgabe besteht aus einer »Figur« und fünf »Teilfiguren« a bis e. »Zwei oder drei dieser fünf »Teilfiguren' lassen sich so zusammenfügen, daß die »Figur' entsteht, ohne daß Teile überstehen oder sich überdecken.« Den Testteilnehmern wird außerdem erläutert: »Beim Zusammensetzen dürfen Sie die »Teilfiguren' beliebig drehen, jedoch nicht kippen.«

Aufgaben 1 und 2: (A) a+c (B) b+c (C) c+e (D) b+d (E) d+e (A) b+e (B) a+b (C) c+d (D) a+e (E) a+c+d

Satzergänzung«

Soll-Zeit: 26 Aufgaben in 16 Minuten. Erläuterungstext: »Die folgenden Aufgaben prüfen Ihr sprachliches Differenzierungsvermögen: das Erkennen feiner sprachlicher Unterschiede und die genaue Ausdrucksweise. Es werden Sätze vorgegeben, in denen jeweils ein oder mehrere Wörter durch einen Strich ersetzt sind. Suchen Sie unter den fünf Ergänzungsvorschlägen (A) bis (E) denjenigen heraus, der sich vom gedanklichen, vor allem aber vom sprachlichen Zusammenhang am besten in den Satz einfügt.« Aufgabe 3:

Viele Prozesse im Bereich des Organischen können heute erst mit relativ geringer Exaktheit registriert werden. Meßwerte mit vielen Dezimalstellen täuschen in solchen Fällen eine ... vor, die gar nicht gegeben ist. (A) Sicherheit (B) Objektivität (C) Genauigkeit (D) Prägnanz (E) Ordnung Aufgabe 4:

Die Einsicht, daß zwei Symptome in der Regel zusammen auftreten, ist kein Hindernis, sie in der medizinischen Wissenschaft ...

(A) unterschiedlich zu gewichten (B) gesondert zu behandeln (C) gemeinsam zu untersuchen (D) als voneinander unabhängig zu behandeln

(E) voneinander getrennt zu erheben »Bilder ordnen«

Mit Aufgaben dieses Untertests soll geprüft werden, »wie gut Sie sich in soziale Situationen einfühlen und sie nachvollziehen können. Vorgegeben sind vier bis sechs Abbildungen in beliebiger Reihenfolge. Von fünf Lösungsmöglichkeiten A bis E zeigt eine die »richtige Reihenfolge der Bilder«. Testzeit: 30 Minuten für 26 Aufgaben.

Aufgaben 5 und 6: (A) e-c-a-b-d (B) c-d-b-a-e (C) e-c-b-d-a (D) e-c-a-d-b (E) e-c-d-b-a (A) d-c-a-e-b (B) e-c-b-a-d (C) d-c-b-a-e (D) d-c-a-b-e (E) c-d-a-b-e

»Fakten lernen«

Dieser Untertest besteht aus zwei Teilen. Um zu prüfen, »wie gut Sie Fakten lernen und behalten können«, werden »mehrere Personen vorgestellt, die durch verschiedene Kennzeichen beschrieben sind (Name, Alter, Diagnose). Ihre Aufgabe ist es nun, sich die Informationen über jede Person so einzuprägen, daß Sie später Fragen nach Details beantworten können«. Diese Aufgaben werden erst später gestellt, nachdem mehrere andere Untertests bearbeitet wurden. Die »Lernzeit« für 18 »Charakterisierungen« beträgt 4 Minuten, die »Bearbeitungszeit« für 20 Aufgaben 4 Minuten.

Beispiele für Charakterisierungen: Huber: 10 Jahre, Grundschule, Einzelkind, Masern.

Störri: 60 Jahre, Witwe, Altenheim, Beinbruch.

Hürrlimann: 40 Jahre, Vertreter,

Autounfall, Schockzustand. Bauer: 25 Jahre, Kaufmann, Fußballspieler, Schlüsselbeinbruch. Müller: 75 Jahre, Schriftstellerin, Intensivstation, Krebs. Aufgaben 7 bis 12: Die Witwe ... (A) hatte Krebs. (B) war 75 Jahre alt.

(C) hatte das Schlüsselbein gebrochen.

(D) wohnte im Altenheim. (E) hieß Huber.

Auf der Intensivstation lag ... (A) der Patient mit dem Autounfall. (B) die Schriftstellerin. (C) Frau Störri.

(D) der Patient mit dem

Schockzustand. (E) das Einzelkind.

Wer hatte den Autounfall erlitten? (A) der Vertreter. (B) der Grundschüler. (C) die Witwe.

(D) der 25jährige Patient. (E) der Kaufmann. Das Einzelkind ... (A) war 12 Jahre alt.

(B) besuchte die Sonderschule. (C) hieß Huber. (D) spielte Fußball. (E) hatte Röteln. Der Fußballspieler ... (A) hatte das Bein gebrochen. (B) hatte einen Schockzustand. (C) hieß Müller. (D) war Vertreter.

(E) hatte das Schlüsselbein

gebrochen. Der Kaufmann ... (A) hieß Müller.

(B) hatte das Bein gebrochen. (C) spielte Fußball.

(D) hatte einen Schock erlitten. (E) war 40 Jahre alt.

»Mathematisches Grundverständnis«

Mit den Aufgaben dieses Untertests (21 Aufgaben in 45 Minuten) soll die Fähigkeit geprüft werden, »quantitative Probleme zu lösen, die algebraische! arithmetische Rechenoperationen, das Umsetzen verbaler Inhalte in Formeln und Gleichungen sowie das Interpretieren formaler Inhalte erfordern«.

Aufgabe 13:

Ein Medikamentenfläschchen enthält eine Flüssigkeit mit 60 mg des Medikaments Decentan. 4 mg Decentan sind in 1 ml enthalten; 1 ml entspricht 20 Tropfen.

Wie viele Fläschchen müssen einer Patientin für 10 Tage verschrieben werden, damit sie die vorgeschriebene Dosierung konsequent einhalten kann? Sie soll zunächst morgens und mittags je 20 Tropfen nehmen, abends das Doppelte, nach Ablauf der ersten 7 Tage aber nur noch die Hälfte dieser Tagesdosis.

(A) 1 Fläschchen (B) 2 Fläschchen (C) 3 Fläschchen (D) 4 Fläschchen (E) 5 Fläschchen

»Beurteilung formalisierter Informationen«

Dieser Untertest (21 Aufgaben in 50 Minuten) stellt laut Testinstitut »eine unmittelbare Simulation einer typischen Anforderung des Studiums dar, der Analyse und Interpretation von Diagrammen und Tabellen« Aufgabe 14:

Die folgende Tabelle zeigt die Häufigkeit des Auftretens (in Prozent) von fünf Symptomen bei den Krankheiten 1 bis 5.

Krankheit

Symptom

1 2 1 3 4 5

Schlafstörung 80 90 75 90 95 Kopfschmerz 50 40 65 30 60 Zittern der Hand 60 20 50 80 10 häufiges Hinfallen 70 30 3O 60 60 Ausschlag 10 50 0 50 30

Herr Meyer kommt in die Praxis, klagt über Schlafstörungen, häufiges Hinfallen und ein Zittern der Hand. Er leidet wahrscheinlich unter Krankheit (A) 1 (B) 2 (C) 3 (D) 4 (E) 5

»Figuren lernen«

Dieser Untertest besteht aus zwei Teilen. Zunächst haben die Teilnehmer drei Minuten Zeit, sich 18 Figuren einzuprägen. Nachdem sie einige andere Testaufgaben gelöst haben, werden ihnen die Figuren wieder vorgelegt, um das Gedächtnis zu prüfen.

Erläuterungen: »Dieser Test prüft, wie gut Sie sich Einzelheiten von Gegenständen, die Sie mit dem Auge wahrnehmen, einprägen und merken können. Es werden Ihnen 18 Figuren vorgegeben, die Sie an Knochen, Knorpel o. ä. erinnern können. Ein Teil jeder Figur ist geschwärzt.

Die Lage der schwarzen Fläche sollen Sie nun so erlernen, daß Sie später wiedererkennen, welcher Teil der Abbildung schwarz gezeichnet war. Jedoch wird dann die Reihenfolge der Figuren eine andere sein. Es folgt ein Beispiel für die Art, wie Sie später abgefragt werden.« »Schlauchfiguren«

Erläuterung dieses Untertests, bei dem 21 Aufgaben in 15 Minuten zu lösen sind:

»Die folgenden Aufgaben prüfen Ihr räumliches Vorstellungsvermögen. Jede der Aufgaben besteht aus zwei Abbildungen eines durchsichtigen Würfels, in dem sich ein, zwei oder drei Kabel befinden. Die erste Abbildung (links) zeigt Ihnen stets die Vorderansicht (Frontansicht) des Würfels; auf dem rechten Bild daneben ist derselbe Würfel noch einmal abgebildet. Sie sollen herausfinden, ob von rechts (r), links (1), unten (u), oben (o) oder hinten

Aufgaben 15 und 16: (A) r (B) l (C) u (D) o (E) h (A) r (B) l (C) u (D) o (E) h

»Muster zuordnen«

Erläuterungen: »In den folgenden Aufgaben wird Ihre Fähigkeit geprüft, Ausschnitte in einem komplexen Bild wiederzuerkennen.

Dazu werden pro Aufgabe ein »Muster' und je fünf »Musterausschnitte' (A) bis (E) vorgegeben. Sie sollen herausfinden, welcher dieser fünf »Musterausschnitte' an irgendeiner beliebigen Stelle deckungsgleich und vollständig auf das »Muster' gelegt werden kann; die »Musterausschnitte' sind weder vergrößert oder verkleinert, noch gedreht oder gekippt.«

Aufgaben 17 und 18:

»Konzentriertes und sorgfältiges Arbeiten«

Als einziger Untertest bietet dieser Teil Aufgaben, bei denen nicht von fünf Lösungsvorschlägen A bis E der richtige gefunden werden soll. Der Erläuterungstext für die Test-Teilnehmer:

»Hier sehen Sie dreimal den Buchstaben b:

Jedes b ist mit zwei Querstrichen versehen, die entweder beide unten (b), beide oben (b) oder je einer unten und oben (b) angebracht sind.

Ihre Aufgabe besteht nun darin, innerhalb der Bearbeitungszeit möglichst alle b zu markieren, die zwei Querstriche aufweisen. In der folgenden Beispielzeile müssen Sie also das 1., 4., 6., 8., 9. und 13. Zeichen markieren.

Sie markieren alle b mit zwei Querstrichen, gleichgültig, wo diese Querstriche angebracht sind, Sie dürfen kein b mit einem, drei oder vier Querstrichen markieren.

Sie dürfen kein q markieren, gleichgültig, wie viele Querstriche es aufweist.

Der Untertest besteht aus 20 Zeilen mit den gleichen Aufgaben. Arbeiten« Sie jeweils bis zum Ende einer Zeile, und beginnen Sie unaufgefordert sofort vorn in der nächsten Zeile; tun Sie das solange, bis das Zeichen zum Aufhören gegeben wird.«

Als Bearbeitungszeit für 20 Zeilen mit je 50 Zeichen sind 10 Minuten festgesetzt.

»Schattenrisse«

Mit diesem Untertest soll geprüft werden, »wie rasch und genau Sie beobachten«. Erläuterungstext:

»Unter den jeweiligen Aufgabennummern sehen Sie als Vorlage den Schattenriß eines Phantasievogels; daneben -- in gleicher oder unterschiedlicher Lage -- vier ähnliche und einen identischen Schattenriß mit (A) bis (E) gekennzeichnet.

Markieren Sie auf Ihrem Antwortbogen den Buchstaben des mit der Vorlage identischen Schattenrisses.«

Aufgaben 19 bis 21:

Medizinisch-naturwissenschaftliches Grundverständnis«

Für die Aufgaben dieses Untertests ist durchschnittlich zwei Minuten Zeit. Geprüft wird »das Verständnis für Fragen der Medizin und der Naturwissenschaften, wobei der Aufgabentext gedanklich umstrukturiert und verarbeitet werden muß«.

Aufgabe 22:

Das Verhältnis von Wärmeproduktion und Wärmeabgabe wird beim Warmblüter im Gehirn reguliert. Der Stoffwechsel und die motorische Aktivität erhöhen die Wärmeproduktion. Über die Haut kann die Wärme zum Beispiel durch die Verdunstung von Schweiß abgegeben werden. Eine Vergiftung mit Atropin, das in der Tollkirsche enthalten ist, führt zur Blockade der Schweißsekretion.

Wie verändert sich daraufhin die Körpertemperatur?

(A) Sie steigt durch Lähmung des Wärmezentrums.

(B) Sie sinkt durch den abnehmenden Blutdruck.

(C) Sie sinkt durch die Lähmung der Gefäßmuskulatur.

(D) Die Angaben reichen zur Beantwortung der Frage nicht aus.

(E) Sie steigt durch Verminderung der Wärmeabgabe über die Haut. Aufgabe 23:

Bei bestimmten Säugetieren ist die Gesamtzahl der einzelnen Leberzellen, die selten mehrkernig sind, bei jungen und ausgewachsenen Tieren etwa gleich groß. Das Volumen der Gesamtleber wächst aber etwa auf das 10- bis 20fache. Dabei bleibt der Volumenanteil der Zellen am Gesamtvolumen gleich. Dieses Wachstum kommt dadurch zustande, daß ...

(A) die Zahl der Zellen, die doppelkernig sind, entsprechend zunimmt.

(B) die Blutmenge in der Leber entsprechend ansteigt.

(C) sich das mittlere Volumen der einzelnen Leberzelle entsprechend vergrößert.

(D) die Anzahl der sich teilenden Leberzellen entsprechend zunimmt.

(E) Keine der unter (A) -- (D) genannten Erklärungen ist richtig. Lösungen:

Aufgabe 1 (Schwierigkeit: niedrig) Lösung D, Aufgabe 2 (Schwierigkeit: niedrig bis mittel) Lösung A, Aufgabe 3 (Schwierigkeit: mittel) Lösung C, Aufgabe 4 (Schwierigkeit: mittel bis hoch) Lösung B, Aufgabe 5 (Schwierigkeit: niedrig) Lösung E, Aufgabe 6 (Schwierigkeit: hoch) Lösung E.

Aufgabe 7 Lösung D, Aufgabe 8 Lösung B, Aufgabe 9 Lösung A, Aufgabe 10 Lösung C, Aufgabe 11 Lösung E, Aufgabe 12 Lösung C.

Aufgabe 13 (Schwierigkeit: mittel) Lösung C, Aufgabe 14 (Schwierigkeit: niedrig bis mittel) Lösung D, Aufgabe 15 Lösung A, Aufgabe 16 Lösung C, Aufgabe 17 (Schwierigkeit: niedrig bis mittel) Lösung B, Aufgabe 18 (Schwierigkeit: mittel) Lösung C.

Aufgabe 19 Lösung D, Aufgabe 20 Lösung A, Aufgabe 21 Lösung A.

Aufgabe 22 (Schwierigkeit: niedrig) Lösung E, Aufgabe 23 (Schwierigkeit: mittel) Lösung C.

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