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AUTOREN Abschied vom Beton-Brecht

Der Klassiker Bertolt Brecht gilt als Besserwisser und Moralist. Doch nun entdeckt die Literaturwissenschaft seine Notizbücher - ein echter Quellenschatz. Sie zeigen einen widersprüchlichen, modernen Brecht und bedienen nicht das Klischee vom linken Dogmatiker.
aus DER SPIEGEL 7/2008

vieles

versuchend

äußerte er viel:

haltet ihn doch

nicht bei dem was er sagte bald

ändert ers

Brecht-Notizbuch 24, 1927

Es war seine Schuld, dass er zum Klischee verkam. Bertolt Brecht, der Klassiker schon zu Lebzeiten. Brecht, der Mann mit der Lederjacke, der Mann mit der dicken Zigarre im zarten Gesicht. Brecht, der Ausbeuter, der einen Harem begabter Frauen für sein Ego missbrauchte - und etliche Männer auch.

* Skizze für einen Gedankengang, 1929.

Und natürlich: Brecht, der Anti-Bürger, der Sozialist, der Moralist, der Mann mit dem erhobenen Zeigefinger, einer, der »Lehrstücke« schrieb und den Nationalpreis der DDR und den Stalin-Preis entgegennahm.

Er hat das alles genauso gewollt, Denkmal sein, überragend und eindeutig. Doch das hat er nun davon: Er, der große Didaktiker, wird zwar in den Schulen durchgenommen, rauf und runter, er wird auch in den Theatern gespielt, seine »Dreigroschenoper« vor allem, doch auf einer Liste der deutschen Lieblingsklassiker würde er zwar weit vorn, aber wohl nicht ganz vorn stehen. Auf einer solchen Liste stünde er ausgerechnet hinter jenen Kollegen, auf die er selber herabgeschaut hat.

Thomas Mann etwa liegt in der Publikumsgunst eindeutig vor ihm - peinlich für Brecht, hatte er doch bei jeder Gelegenheit gespottet, Mann sei von gestern. Zeiten ändern sich. Mann ist gerade bei jüngeren Leuten beliebt. Brecht aber, der Held der 68er, wird bisweilen belächelt.

Auch wenn Deutschland eher nach links rückt und die SPD immer noch den »demokratischen Sozialismus« beschwört, ist der praktische Sozialismus einer DDR, für die Brecht in seiner letzten Lebensphase agitierte, dermaßen überholt, dass der Agitator selbst dran glauben muss. Er steht erstarrt auf seinem Sockel und verstaubt.

Doch nun tauchen auf einmal Leute auf, die tief Luft holen, um den Staub vom

Denkmal zu pusten. Es sind nicht die großen Regisseure, Biografen, Werk-Exegeten, die für solcherlei Aufgaben normalerweise zuständig sind, sondern es sind Archivare und Editoren, die berüchtigten Kriminalisten und Erbsenzähler der Literaturbranche, die jeden Quellenfitzel auseinandernehmen und hoffen, dass etwas darin steckt, was bisher nicht bekannt war.

Der Literaturwissenschaftler Peter Villwock - ein ebensolcher Erbsenzähler aus Leidenschaft - hat sich im Auftrag des Heidelberger Instituts für Textkritik und der Akademie der Künste Brechts Notizbücher vorgenommen und ist dabei auf einen Quellenschatz gestoßen. Villwock, 45, wird demnächst eine erste Ausgabe der Notizbücher beim Suhrkamp-Verlag veröffentlichen; Auszüge aus diversen Notizen werden am Sonntag dieser Woche in Berlin im Haus der Akademie der Künste am Pariser Platz vom Schauspieler Mario Adorf vorgelesen - etliche Textpassagen waren bisher nicht bekannt.

Denn die Notizbücher sind von der germanistischen Zunft kaum beachtet worden. Sie sind zwar für die Herausgabe von Brechts Gesammelten Werken (der Berliner und Frankfurter Ausgabe des Suhrkamp-Verlags) ausgewertet worden, doch es sind nur einzelne Sätze und Textpassagen in die Ausgabe eingeflossen, die Notizbücher wurden zerpflückt. Was nach Lyrik aussah, kam in den Gedichtband, vieles, was mit »Ich« anfing, kam zu den autobiografischen Schriften, das meiste aber verschwand in den Anmerkungen. So ging der Zusammenhang der Notizbücher verloren, etwa ein Drittel wurde überhaupt nicht verwertet.

Darunter sind Blätter mit wunderbaren Sentenzen: »Der Mensch ist kein Schwimmer, der Mensch ist kein Flieger: Er ist aus der Gattung der Rückenlieger«. Oder: »Ich hätte mein Versprechen gern gehalten. Aber ich konnte nicht / Warum? / Ich hatte keine Lust«. Oder: »Der Bürger ist ebenso nötig wie das Pissoir. Wie unsittlich wäre das öffentliche Leben ohne diese beiden Einrichtungen.« In diesen Sätzen zeigt sich das Schlitzohr Brecht. Das ist eben kein erstarrter Dogmatiker, sondern ein gutgelaunter Wortspieler, der scherzt und spöttelt. Man kann ihn mögen oder ablehnen - gleichgültig ist er keinem.

Brecht selbst hat seine Notizbücher gehütet wie einen Schatz. Von 1918 an, da war er gerade 20 Jahre alt, hat er sie aufbewahrt. Immer trug er eines mit sich herum. Als er 1933 vor den Nazis ins Exil floh, sicherte er seine Notizen mit allen Mitteln, transportierte sie unter größten Schwierigkeiten von Land zu Land.

Die Aufzeichnungen waren sein Ideenspeicher, sein transportables Gedächtnis, die Keimzelle seines Werkes. Er wollte sie für spätere Phasen seines Schaffens erhalten und ahnte auch, dass das scheinbar Flüchtige den Nachgeborenen dazu dienen könnte, den Blick auf sein Werk und auf ihn selbst zu schärfen. Selbstbewusst, wie er nun mal war, orientierte er sich am größten aller Dichterfürsten und notierte: »Goethe: seine Abfälle sammelte er mit Ehrfurcht.«

Er brauchte seine Hefte und Kladden, um jederzeit schreiben zu können. Einmal notierte er, dieses »Schreiben« sei ein »Laster«, das »blutsaugerischer ist als der Morphinismus«. Im Café, im Bett - immer musste ein Heft zur Hand sein. Dieser Dichter war dauernd im Dienst.

Das Unfertige, Improvisierte, Mangelhafte hatte für Brecht - der die durchgearbeitete, ziselierte Prosa eines Thomas Mann verabscheute - ohnehin einen eigenen Wert: »Wie lange dauern die Werke?«, fragte er einmal im Notizbuch und gab dann eine Antwort: »So lange als bis sie fertig sind.« Oder: »So gebaut muß sein das Werk für die Dauer wie die Maschine voll der Mängel.« Das Werk als Werkstatt - solche Gedanken gefielen ihm.

Die Notizbücher dokumentieren nahezu lückenlos den Arbeitsprozess von 1918 bis zu Brechts Tod 1956: was er verwarf, was er über Jahrzehnte weiterentwickelte.

54 Notizbücher sind es, die im Brecht-Archiv der Akademie der Künste in Berlin aufbewahrt werden. Manche sind klein wie eine Zigarettenschachtel, andere so groß wie ein DIN-A4-Block. Manche Umschläge sind aus Leder, andere aus Pappe, Kunststoff oder Leinen. Ab 1940 finden sich überwiegend kleinformatige Einzelstücke, die wahrscheinlich Brechts Frau Helene Weigel hergestellt hat.

Brecht notierte Gedanken, er entwarf Skizzen für seine Stücke, er hielt Adressen von Künstlerfreunden fest, von begehrten Frauen, er schrieb Ansätze von Gesellschaftstheorien nieder ("Die Mutmaßungen der alten Philosophen von der Gespaltenheit des Menschen realisieren sich: in Form einer ungeheuren Krankheit spaltet sich Denken und Sein in der Person").

Oft ersetzten ihm die Notizen auch sein Tagebuch: Im Exil etwa schilderte er, wie es ihm und seiner Familie als »Flüchtlinge in Finnland« erging: »Meine kleine Tochter kommt abends schimpfend nach Hause, mit ihr will kein Kind spielen. Sie ist Deutsche und entstammt einem Räubervolk.« Er beschrieb in unbekannten Quasi-Gedichten, wie er mit Wertsachen hausieren ging, um an Geld zu kommen: »Gutes Seidenfutter / Auf Wollwatte gearbeitet / Mit Katzenfellen im Brustteil / 2000 geboten / 8000 geschätzt, neu / Herbst, Zeit der Ernte / und der Verkäufe«.

Als er aus dem Exil 1948 nach Deutschland zurückkehrte, exzerpierte er wortwörtlich ein Dokument der Stadtverwaltung Augsburg, aus dem hervorgeht, dass das »Reichsinnenministerium« ihm am 8. Juni 1935 die Staatsbürgerschaft aberkannt hatte.

Er kommentierte auch den Tod seiner Mutter: »Meine Mutter ist gestorben am 1. Mai. Der Frühling erhob sich. Schamlos grinste der Himmel.« Diese Sentenz über den Tod der Mutter wurde von Brecht-Biografen

bereits verwendet - hochinteressant aber ist der Zusammenhang im Original-Notizbuch. Da schreibt Brecht erst über seine tote Mutter, wenig später hebt er zum erotischen »Gesang von einer Geliebten« an, dann folgt wiederum ein »Lied von meiner Mutter«.

Die tote Mutter - die Geliebte - die tote Mutter, das ist die Assoziationskette: ein Fall für die psychoanalytische Literaturwissenschaft. Ödipus vom Feinsten.

Brecht versuchte auch, seine ausgeprägte Angst vor dem eigenen Ende zu bezwingen. In den Notizbüchern ist viel vom »Atem«, vom »Herz« die Rede. »Ich kann mich auch hinlegen ins schwarze Gras.«

Brecht fürchtete, vergessen zu werden: »Schreibt Eure Zeichen in den Sand«, orakelte er einmal pessimistisch, »sie werden nicht mehr gedeutet werden und vergehen.« Oder: »Meine Freunde, ich habe diese Nacht darüber nachgedacht, wie wir unsern Verfall aufhalten könnten. Auf die Menschen ist kein Verlaß.« Aber auf die Werke, so hoffte Brecht, sei Verlass, auch auf die unfertigen. Er schrieb, um sich selber zu überleben.

Auch sein ungewöhnliches Verhältnis zu Frauen ist in den Notizbüchern dokumentiert. Brecht war immer von treuen Frauen umgeben, Helene Weigel und Ruth Berlau waren über Jahrzehnte hinweg gleichzeitig seine Partnerinnen, er fand es normal, mehrere Beziehungen zu führen, selber aber von den Frauen zu fordern, nur ihn allein zu lieben. Einmal aber, das geht aus einem Notizbuch hervor, geriet er an eine Frau mit beträchtlichem Männerverschleiß und musste sehen, wie er damit zurechtkam.

Die Schauspielerin Carola Neher, die er für die Hauptfigur Polly der »Dreigroschenoper« vorgesehen hatte, begehrte ihn und unzählige andere Männer auch. Konsterniert, aber um Fassung bemüht schrieb Brecht: »Die Neher und was sie einem Mann zumutet. Er gibt seinen Besitzbegriff auf und wird aber unzerstörbarer.«

Manchmal klebte er Anzeigen und Werbung, die ihn zu Literatur anregen sollten, in die Notizbücher hinein. Geschrieben hat er die Aufzeichnungen oft mit einem Bleistift, deshalb sind die Eintragungen heute auch gefährdet. Die blasse Schrift reibt sich ab, das pergamentartige Papier vergilbt und zerfällt - Brecht war kein Materialfetischist, er ging robust mit seinen Notizbüchern um, knickte sie und stopfte sie in seine Westentasche.

Um sie vor dem endgültigen Verfall zu retten, wurden die Notizbücher kürzlich restauriert. 70 000 Euro hat der Deutsche Literaturfonds für die Digitalisierung und Restaurierung ausgegeben. Zerknitterte Blätter wurden geglättet, rostende Heftklammern durch neue ersetzt. Nun können die vorhandenen Notizbücher komplett ediert und veröffentlicht werden - allerdings nur, wenn die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Mittel bewilligt. Sie sind beantragt.

Die Edition aller 54 Notizbücher wird teuer und aufwendig. 15 Jahre wird es dauern, bis alles fertig ist. Es geht darum, die fürchterliche Klaue Brechts zu entziffern, Wort für Wort, Heft für Heft zu rekonstruieren und zu versuchen, in Anmerkungen Bezüge zu Brechts anderen Texten und zu seinem Leben herzustellen.

Eine solche Ausgabe wird musterhaft den Paradigmenwechsel in der Editionswissenschaft zeigen. Früher ging es Editoren vornehmlich darum, aus diversen Schnipseln ein ideales Werk zu bilden, Widersprüche zu glätten, Unverständliches wegzulassen. Heutige Editoren dokumentieren lieber das Chaos der Quellen, damit Leser eigene Schlüsse ziehen können.

Für Brecht ist diese Herangehensweise die Rettung. Seine Notizbücher - eben weil sie so vollgeschmiert und unfertig daherkommen - haben nicht nur den eigentümlichen ästhetischen Reiz von altgewordener Objekt-Kunst, sie sind auch wie gemacht dafür, das Klischeebild des ewigen Besserwissers zu revidieren.

Denn hier zeigt sich der Autor in allen seinen Facetten. Gerade der Brecht vom Ende der zwanziger Jahre, der die »Lehrstücke« schrieb und deswegen auch als Beton-Brecht galt, gerade dieser Brecht erweist sich in den Notizbüchern als hochgradig ambivalente Person. Er ringt mit sich, sucht, irrt, verwirft.

Diese Zeit erweist sich als Kulminationspunkt seiner Biografie. Er ist noch der junge Wilde, der Provokateur mit dem Gespür für soziale Ungrechtigkeiten, in der Kulturwelt aber ist er schon eine feste Größe, eine Berühmtheit. Er bekennt sich in Zeiten des heraufziehenden Nationalsozialismus zum Marxismus, liebt aber auch den Luxus, Autos vor allem und gute Zigarren.

In seiner »Dreigroschenoper« prangerte er an, die Menschen dächten erst ans »Fressen« und dann an »die Moral«. Er selbst verachtete den bürgerlichen Hang zum guten Essen, zur Kulinarik. In seinen Notizbüchern feierte er in primitiven Gedichten derbe Trinkgelage: »Jetzt trinken wir noch eins / dann gehen wir noch nicht nach Hause / dann trinken wir noch eins / dann machen wir eine Pause«.

Dann aber gab er sich einer sehr bürgerlichen Empfindsamkeit hin, übte Askese, notierte Diät-, Koch- und Baderezepte seines Arztes: »Mittwoch: 2 Sitzbäder«, »Donnerstag: Wechselguss, Dämpfwickel um den Leib«, »Dienstag: ganzer Körper genadelt, mit Franzbranntwein gebürstet, mit kalten Tüchern geschlagen, abgeölt«. »Viel mit Butter kochen«, »wenig Hülsenfrüchte«, »kein Blumen noch Rosenkohl«.

Alles geht hin und her bei ihm, der Brecht der Notizbücher lässt sich nicht festlegen. Er, der in seinen »Lehrstücken« das Proletariat verherrlichte, die Besitzlosen stärken wollte, bekennt in seinen Notizbüchern eine Schwäche für den kapitalistischen Menschentypus, für Leute, die sich durchsetzen, die beißen können. Ein Sonett-Entwurf findet sich aus dem Sommer 1928, und da heißt es: »Was ich nicht gern gesteh: gerade ich verachte solche, die im Unglück sind«. Natürlich ist mit so einem »ich« nicht automatisch das biografische Ich gemeint.

Bemerkenswert ist dennoch, dass Brecht solcherlei Ambivalenzen zuließ: »In der Welt, die ich mir wünsche, komme ich nicht vor.«

Es ist bekannt - und gilt in der Brecht-Gemeinde als kaum verzeihliche Peinlichkeit -, dass Brecht für einen Autokonzern ein Lobgedicht auf eine Nobelkarosse, auf den »Steyr«-Wagen, verfasste und daraufhin vom Konzern einen solchen Steyr geschenkt bekam. Die Vorarbeiten für das Autogedicht finden sich im Notizbuch ("Jedes Hinterrad schwingt geteilt für sich"). Es ist sogar bekannt, dass Brecht

Ende der zwanziger Jahre vorhatte, ein Stück über ein Auto zu schreiben, kaum bekannt aber dürfte sein, dass diese Autokomödie schon sehr weit gediehen war.

In den Notizbüchern finden sich seitenlange Konzepte - und siehe da: Im Prozess der Literarisierung ist das Auto für Brecht nicht mehr das Symbol für mobiles Vergnügen, sondern auf einmal das Symbol für die kapitalistische Betrugsgesellschaft. Der Brecht der Bühne will belehren und mahnen.

Die Autokomödie ist die Geschichte einer Familie, die sich einen Wagen kauft. Ziemlich schnell stellt sich heraus, dass die Familie auf einen Betrüger hereingefallen ist, das Auto war beim Kauf schon kaputt, es bleibt beim ersten Ausflug liegen. Bald darauf verkauft der Familienvater das Auto seinerseits, ohne auf die Mängel hinzuweisen.

In seinen Notizbuchkonzepten schreibt Brecht von der »Parallelität des Kauf u. Verkaufsaktes«, der »Betrogene hat sich in einen Betrüger verwandelt«. Die Autokomödie vollzieht sich, laut Notizbuch, in drei Teilen: »Aufschwung«, »sittlicher Verfall« und »Verkauf«.

Der Bühnen-Brecht kämpfte für die bessere Welt, der Notizbuch-Brecht schlingerte, vor allem zwischen den Interessen des Individuums und des Kollektivs. »Wodurch wird die ,Eigenheit' des Einzelnen garantiert?«, fragt er sich. Antwort: »Durch seine Zugehörigkeit zu mehr als einem Kollektiv.« An einer anderen Stelle wiederum notierte er, dass es »in den wachsenden Kollektiven« zu einer »Zertrümmerung« der einzelnen Person kommen werde.

Es arbeitete in ihm, er wälzte riesige Begriffe.

Im Notizbuch konzipierte er eine Revue über Lenin, wollte die Melodien bekannter Operetten und Gassenhauer mit neuen Texten versehen. Aus »Wien, Wien, nur du allein« sollte »Lenin, nur du allein« werden, und aus »Ich muß wieder einmal in Grinzing sein« wurde »I mueß wiedramol im Smolny sein« (im ehemaligen Kloster Smolny in Sankt Petersburg war die russische Oktoberrevolution geplant worden). Eine andere Liedzeile sollte lauten: »Wir san von (de)r KPD Sowjetrepublik«.

Doch Brecht verfolgte den Plan der Lenin-Revue nicht weiter. Vielleicht fürchtete er, dass seine Scherze falsch ankommen würden: als reiner Spott oder als verpackte Propaganda.

Dieser Brecht war sich seiner Gewissheiten nicht sicher. Selbst seinem Atheismus schien er bisweilen zu misstrauen: »Immer noch, wie im Pawlowschen Versuch, veranlassen Glocken in mir Prozesse sicherlich chemischer Art, Gedanken metaphysischer Richtung.« Und: »Wisse auch, dass etwas nicht glauben, doch etwas glauben heißt.«

Ein solcher Brecht passt in die Zeit und perfekt in ein Land, das zaudernd einen Linksruck vollzieht und dabei nicht recht weiß, wie ihm geschieht. SUSANNE BEYER

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