FERNSEHEN Absolut stur
Es hagelte Beschimpfungen: Ein »Neandertaler« und »Ignorant« sei der Professor, ein »blanker Materialist«, der »nicht der Astrologie, sondern sich selber in den Hintern getreten« habe.
»Noch nie in meinem Leben«, so Hoimar von Ditfurth, Autor der ZDF-Wissenschaftsreihe »Querschnitt« und seit 14 Jahren im Fernsehgeschäft, »bin ich so angegriffen und beschimpft werden.«
Dem ZDF-Intendanten wurde aus Astrologenkreisen nahegelegt: »Kurzen Sie ihm (dem Ditfurth) sein Honorar, weil er die Gebührenzahler liederlich informiert.« Auch möge er die Aufzeichnung der Sendung sicherstellen, »zwecks Überführung des Täters« Ditfurth. Beim Mainzer Staatsanwalt gingen Strafanträge ein -- wegen Betrugs, Untreue und Beleidigung.
Anlaß zu solch massiver Kritik war die »Querschnitt«-Sendung vom 14. November letzten Jahres. Der Titel -- »Die Sterne lügen nicht« -- klang wie Astrologen-Werbung, doch er trog.
Etwa die Hälfte aller erwachsenen Bundesbürger glaubt an Horoskope, und jedes Jahr, so wird geschätzt, setzen Deutschlands Sterndeuter mindestens 50 Millionen Mark um.
Ditfurth aus »Sorge um die Rationalität in unserer Zeit«, hielt dagegen: In der November-Sendung sprach er der Astrologie jeglichen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit ab. Die ganze Sterndeuterei« so der Professor, gelernter Psychiater und Neurologe, sei Humbug und Aberglauben. Ditfurth: »Als Naturwissenschaftler kann ich mir nur sehr schwer vorstellen, daß jemand ehrlich, intelligent und zugleich Astrologe sein kann.«
Natürlich ließen sich Deutschlands Sterndeuter nicht gern nachsagen, daß es ihnen in erster Linie uni die Sterntaler gehe, um »Märchen und Bargeld« (Ditfurth). Am 26. November, zwölf Tage nach der Sendung. konstituierte sich ein deutscher Astrologen- Dachverband -- zunächst wohl als Kampfverband gegen den ungläubigen Hoimar, der soviel Zweifel am Einfluß der Gestirne ins deutsche Fernsehpublikum zu streuen gewagt hatte.
Jetzt hat Ditfurth den Fehdehandschuh aufgenommen. Mit drei prominenten Vertretern verschiedener astrologischer Richtungen diskutierte er vor der Kamera besonders umstrittene Punkte seiner Novembersendung.
Debatten-Themen waren etwa die »Bedeutung des Geburtsaugenblicks« -- die Vorstellung der Astrologen, daß der Mensch gleichsam mit dem ersten Atemzug sein kosmisches Schicksal einschlürfe -- oder auch Ditfurths Einwand, daß sieh durch die Kreiselbewegung der Erdachse in den letzten 2500 Jahren alle Tierkreiszeichen verschoben haben.
Ditfurths Diskussionsgegner am Donnerstag letzter Woche waren die Berufsastrologen Reinhold Ebertin aus Aalen, der die »Kosmobiologie« vertritt, Karsten F. Kröncke aus Freiburg, ein Repräsentant der »Hamburger Schule« (die sogar unentdeckten Planeten, sogenannten »Transneptunen«, Einfluß auf Schicksal und Charakter beimißt), und der Wiener Medizinairat Heinz Fidelsberger, der einer angeblich »rein naturwissenschaftlichen Richtung« anhängt. Unter dem Titel »Streit über Astrologie« soll die (von Walther Schmieding moderierte) Sendung am 4. März ausgestrahlt werden.
Fast wäre die Studio-Diskussion nie zustande gekommen. Mehr als 200 Sterndeuter, zum Teil massiv unter Druck gesetzt von ihrem Wortführer, dem Kasseler Hans Genuit, hatten dem »Nichtskönner« Ditfurth einen Korb gegeben; sie lehnten es ab, sieh »zum billigen Spielball machen zu lassen«. Letztlich sei die Astrologie, so beschied Genuit die ZDF-Redaktion in einem sieben Seiten langen Absagebrief, »eine Lehre, deren Grundthesen sich im Gegensatz zu allen anderen Wissenschaften im Laufe der Jahrtausende nie geändert haben«.
»Na eben«, sagt Astro-Skeptiker Ditfurth und blieb auch in der Fernseh-Diskussion dabei, Astrologie sei »eine Form von Aberglauben«, die sich anmaße, »dem lieben Gott in die Karten zu schauen«.
Vergebens forderte Ditfurth naturwissenschaftliche Beweise für die behaupteten kosmischen Einflüsse im Augenblick der Geburt -- angesichts der unbezweifelbaren biologischen Tatsache, daß die menschlichen Anlagen genetisch, also »schon neun Monate früher festgelegt sind« (Ditfurth).
Den Astrologen und Arzt Dr. Fidelsberger aus Wien fragte er, warum er nicht schon längst einen eingeschriebenen Brief an das Gesundheitsministerium geschrieben habe, daß es Geburtshelfern in Zukunft untersagen möge, ohne fachastrologische Aufsicht den Geburtszeitpunkt zu beeinflussen.
Dem Freiburger Kröncke, der sich als »astrologischer Unternehmensberater« im Geschäft hält, warf Ditfurth vor, »wie ein Killer oder Scharfrichter im Hintergrund« bei der Einstellung etwa eines leitenden Angestellten über dessen Karriere zu entscheiden -- nur auf Grund des Geburtsaugenblicks.
Nun soll Kröncke »wie ein Rennfahrer zeigen, ob er Schalten kann«. Ditfurth wettete 10 000 Mark aus eigener Tasche gegen ihn und alle Astrologen, die bei diesem »Streit über Astrologie« gekniffen haben.
Inhalt der Wette: In fünf Fällen sollen die Astrologen bei jeweils zwei zum selben Zeitpunkt geborenen Menschen -- von denen einer etwa körperbehindert, der andere Leistungssportler, der eine Professor, der andere schwachsinnig ist -- den Richtigen identifizieren, allein aus der Kenntnis von Geburtsdatum, -stunde und -ort. Kröncke nahm vor der Kamera die Wette an.
Aber da hatte er schon einen Astro-Kollegen gegen sich. Die Aufgabe mit Hilfe der Astrologie zu lösen, sei »unmöglich«, flüsterte der Wiener Sterndeuter Fidelsberger. »Bei uns würde Kröncke aus der »astrologischen Gesellschaft« fliegen.«
Doch auch bei Herausforderer Ditfurth, geboren am 15. 10. 1921 um 22.30 Uhr in Berlin, sah der Wiener nicht viel Gutes in den Sternen. Ditfurth habe Sonne, Jupiter und Saturn in der Waage -- das bedeute: »Ein Mensch, der seine eigenen Wahrheiten produziert und die Wahrheiten anderer in seinem Weltbild nicht berücksichtigt«.
Fidelsberger: »Mit anderen Worten: Der ist absolut stur.«