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Trinksitten Adel abgeschafft

Der internationale Durst nach echtem Cognac wächst schneller, als ihn die französischen Hersteller befriedigen können. Folge: Die Spitzenqualitäten lassen nach.
aus DER SPIEGEL 17/1972

Schnaps ist Schnaps, gewiß. Doch Cognac ist nicht immer auch gleich Cognac.

Generationenlang waren wahre Cognac-Kenner nicht nur auf einen möglichst respektablen Firmennamen und auf die drei Sterne des Etiketts fixiert.

Wichtiger noch war ihnen das Adelsprädikat »Fine Champagne«, denn das verbürgte nobelste Weinbrand-Abkunft: aus einem engbegrenzten Revier mit besonders kalkhaltigen Weinbergen, südlich der Stadt Cognac im französischen Departement Charente.

Nun, scheint es, soll der Cognac-Adel abgeschafft werden. Sicherstes Zeichen: Die drei Cognac-Handelsmagnaten Hennessy, Martell und Courvoisier haben das Attribut »Fine Champagne« kurzerhand von den Etiketten ihrer Renommier-Produkte gestrichen. Sie wollten, so verkünden sie, künftig allein auf die Werbewirksamkeit der alteingeführten Familiennamen setzen und im Handel lediglich das Alter ihrer feinen Destillate, nicht mehr deren Provenienz hervorkehren.

Dieser Nivellierungsakt der Spitzen-Cognacs ist symptomatisch für die Entwicklung eines Luxusprodukts zum Massenkonsumgut.

Französischer Cognac fließt derzeit zu mehr als 80 Prozent in landesfremde Kehlen: Er ist einer der wichtigsten französischen Devisenbringer. Allein in Europa, Frankreich eingeschlossen, werden jährlich 65 Millionen Flaschen gekippt.

Die Nachfrage nach dem »Echten aus Cognac«, der allein sich etwa im Gegensatz zu spanischen, deutschen oder griechischen Brandys und Weinbränden »Cognac« nennen darf, hat sich in den vergangenen 25 Jahren vervierfacht; die Produktion in den Weinbergen der Charente ließ sich in derselben Zeit nur etwas mehr als verdoppeln.

Nicht nur die Briten, die schon immer außer Whisky und Gin am liebsten Cognac süffelten, und die ständig wachsende Genießer-Riege in der Bundesrepublik heben den Cognac-Schwenker und damit den Export des Edeltropfens.

Auch die Amerikaner, Afrikaner. Malaien, Chinesen und Japaner haben mittlerweile Durst nach den feineren Dingen bekommen: In Hongkong zum Beispiel ist Cognac das meistgetrunkene alkoholische Getränk der chinesischen Bevölkerung.

Durch diese weltweite Popularisierung des Nobeltranks drohen freilich die Cognac-Sitten, Kenner klagen es, arg zu verkommen: So kippen Amerikaner beispielsweise den Cognac gern »on the rocks«; in den asiatischen Ländern »bevorzugen Cognac-Kunden eine Art »Schorle« als Getränk zum Essen (1/5 Cognac verdünnt mit »h' Wasser).

Kein Wunder, daß bei dieser Nachfrage selbst bei Rekordernten wie in den vergangenen Jahren der Nachschub allmählich in Gefahr gerät.

Um die Preise nicht ins Unerschwingliche klettern zu lassen, erliegen immer mehr Cognac-Hersteller der Versuchung, ihre Destillate möglichst bald auf Flaschen zu füllen und auf den Markt zu werfen, anstatt sie wie in guten alten Cognac-Zeiten in Limousin-Eichenfässern jahrzehntelang zu höchster Qualität heranreifen zu lassen.

»Bei der subtilen Alchimie des Alkohols, zu der auch Eiche und Zeit gehören«, so konstatierte das französische Nachrichtenmagazin »L'Express«, »ist eben letztere am teuersten.«

Andere, darunter eben auch die Etiketten-Rebellen Hennessy, Martell und Courvoisier, setzten ihren Mischungen immer mehr Destillate aus weniger exklusiven Kreszenzen zu, als es die Reben aus der Grande und Petite Champagne sind. Denn der Rebenanbau in dieser bevorzugten Region kann nun einmal nicht in dem Maß forciert werden, wie die Nachfrage nach den Spitzen-Sorten steigt.

Ob sich die drei in diesem »Cognac-Krieg«. so bezeichnen die Franzosen das Gerangel zwischen Marke und Produkt, durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. Die Champagne-Winzer jeden. falls wollen den Kampf für den guten, alten, echten Cognac nicht aufgeben.

»Wir wollen nicht«, so formulierte es ein Genossenschaftssprecher hochgemut, »daß der Cognac zu irgend so einem Brandy verkommt.

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