BÜCHER / NEU IN DEUTSCHLAND Akt im Takt
Der sich Janosch nennt und bisher Kinderbücher machte, wurde 1931 geboren. Spätestens mit der Muttermilch, wahrscheinlich aber vorgeburtlich hat er aufgenommen, was damals und vorher In den zwanziger Jahren In den unterprivilegierten Schichten Oberschlesiens gesprochen, gefühlt, gedacht und getan wurde; denn dieses Volkes Stimme, Volkes Tratsch und Treiben sind so faustdick in diesen Erstroman destilliert, daß der Leser zuweilen Schluckbeschwerden bekommt.
Der Gemüsefrau-Stil seiner Frau Schwientek nutzt ziemlich bald ab, so informationsdicht Janosch Ihn sich auch zubereitet hat. Immerhin wird hinter dem komisch kommentarlosen Kleingeschehen die große Misere jener Jahre deutlich, in denen Adolf Detlev Cholonek, das Schalttagskind, lebte.
Aus Kleinleutemief und -moral. krudem Katholizismus und opportunistischer Nazirerei holt Janosch dennoch deftigen Spaß und unüblich groteske Szenen. Ein »Musiker für schwere Musik und Opern« etwa, Liebhaber einer Schwientek-Bekannten, führt stets ein Metronom in seiner Aktentasche mit sich: »Kam es zum Liebesakt, stellte er das Ding neben das Bett auf den Stuhl und stellte den Takt ein. Manchmal hörte er mittendrin auf und stellte den Takt schneller. Nach fünf Tagen war sie ein Nervenbündel, packte ihn am Hals und fing an, Ihn zu würgen.«
Mit knappen und genauen Sätzen erreicht Janosch zwischendurch jedoch auch Wirkungen jenseits des Schwientek-Horizonts: »Die Mädchen rochen nach Feldluft, nach Regen und etwas nach Menschen.«