Todesfall bei Dreharbeiten Alec Baldwin, die traurige Symbolfigur

Hollywood-Star Baldwin: Ikone des liberalen Amerika
Foto: Mark Sagliocco / Getty Images for National GeographicDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Im Kino-Blockbuster »Jagd auf Roter Oktober«, mit dem Alec Baldwin 1990 seinen Durchbruch zum Actionstar zu schaffen schien, spielt er den Geheimdienst-Analysten Jack Ryan, den es auf ein russisches Atom-U-Boot verschlägt. Als es dort zu einer Meuterei kommt, will er sich mit einer Waffe in die Nähe der Raketen vorkämpfen. Er solle bloß aufpassen, worauf er schieße, rät ihm der von Sean Connery verkörperte Kapitän. Es gebe da paar ein Teile, die auf Kugeln »nicht gut reagieren« würden. Wenige Augenblicke später muss Ryan seinerseits im gegnerischen Kugelhagel Deckung suchen. »Ich«, sagt er zu sich selber, »ich reagiere nicht gut auf Kugeln.«
Obwohl der U-Boot-Thriller ein Hit war, spielte Baldwin in den Fortsetzungsfilmen nicht mehr mit. Harrison Ford übernahm die Rolle von ihm. Warum es nicht weiterging mit seiner rasanten Karriere, warum er vom Star zum gefragten Nebendarsteller wurde, ist bis heute unklar und umstritten. Manche sagen, er wurde aus dem Jack-Ryan-Franchise herausgemobbt. Andere behaupten, ihm sei es damals wichtiger gewesen, in dem Stück »Endstation Sehnsucht« auf der Theaterbühne zu stehen, als Ryan ein zweites Mal zu verkörpern. Aber vielleicht war er auch einfach besser geeignet, Figuren zu spielen, die sich mit Wortgewalt statt mit Waffengewalt durchsetzen.
Männer wie den Manager Blake in David Mamets und James Foleys Film »Glengarry Glen Ross« (1992), der ein paar seiner Verkäufer mit allen Mitteln dazu bringen will, mehr Abschlüsse zu machen. Baldwins Darstellung ist das selten starke Porträt des amerikanischen Kapitalismus in seiner unbarmherzigsten Form. Er betont jedes einzelne Wort und wiederholt es auch mal gerne, damit simple Weisheiten wirken, als wären sie in Stein gemeißelt. In frappierender Weise nimmt dies ab und zu die Rhetorik von Donald Trump als US-Präsident vorweg, die Baldwin während Trumps Amtszeit in der TV-Show »Saturday Night Live« so oft parodierte.
Kämpfer gegen die US-Waffenlobby
Baldwin tat dies auch nach dem Massaker in Parkland, bei dem ein 19-Jähriger am 14. Februar 2018 an einer High School 17 Menschen erschoss. Nach dem Amoklauf hatte Präsident Trump Forderungen nach strengeren Waffengesetzen abgewiegelt. »Die NRA hat mir 30 Millionen Gründe gegeben, nichts zu ändern«, so Baldwin als Trump in »Saturday Night Live«. Die NRA, die National Rifle Association, eine mächtige Waffenlobby, gehört zu Baldwins Erzfeinden. Mit dem Hollywood-Star Charlton Heston, jahrelang Frontmann der NRA, lag er schon früher im Clinch. Nach dem Parkland-Massaker verlangte Baldwin zusammen mit anderen Stars wie Amy Schumer mehr staatliche Kontrolle über den Waffenbesitz der Amerikaner.

Baldwin als Trump in der Show »Saturday Night Live«: Parodie des Lieblingsfeindes
Foto: NBC / NBCU Photo Bank/NBCUniversal via Getty ImagesIm Augenblick muss man davon ausgehen, dass die Schüsse, die er bei den Dreharbeiten zu dem Western »Rust« in der Nähe von Santa Fe aus einer mit Platzpatronen geladenen Waffe abfeuerte, sich durch einen technischen Defekt in lebensgefährliche Geschosse verwandelten. Sie töteten die Kamerafrau Halyna Hutchins und verletzten den Regisseur Joel Souza. Dieser Vorfall ist tragisch, zumal es Filmwaffen gibt, die nur mit Luftdruck arbeiten. Bei jedem Schuss muss das Mündungsfeuer dann allerdings durch digitale Nachbearbeitung hinzugefügt werden, was nicht billig ist.
In den zutiefst gespaltenen Vereinigten Staaten, die sich so oft über die Frage des Waffenbesitzes entzweien, wird es vermutlich auch Menschen geben, die sich darüber freuen, dass dieses Unglück ausgerechnet Baldwin widerfahren ist, dieser Ikone des liberalen Amerika. Diesem angeblich so aufrechten Star, der seine Emotionen und seine Fäuste allerdings nicht immer im Griff hat und wegen Prügelattacken auch schon mal festgenommen wurde. So wird der Schauspieler, der statt strahlender Helden immer wieder Killer, skrupellose Militärs oder zwielichtige Geheimdienst-Chefs spielte, möglichweise zur traurigen Symbolfigur einer zerrissenen Nation.