Schauspieler-Aktion gegen Coronapolitik »Echt ja, Leude? Unfuckingfassbar«

Nora Tschirner: Klare Worte
Foto:Gregor Fischer/ dpa
Ulrich Tukur fordert die Schließung aller Lebensmittelgeschäfte, Meret Becker betet von einem überdimensionalen Zettel einen ironischen Text über Schutzmasken vor, Richy Müller atmet abwechselnd in zwei Tüten: Dutzende Schauspielerinnen und Schauspieler haben in Videos mit ironischen und sarkastischen Beiträgen die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie kritisiert.
Hinter der Aktion steckt die Münchner Firma Wunder Am Werk GmbH. Wer das Projekt unter dem Hashtag #allesdichtmachen koordiniert hat und was genau damit bezweckt wird, ist noch nicht ganz klar. Die Reaktionen fallen aber schon jetzt zum Teil sehr deutlich aus: Es gibt euphorische Zustimmung – und viel Empörung.
Begeistert reagierte etwa der frühere Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen. Der CDU-Rechtsaußen bezeichnete die Aktion auf Twitter als »großartig«. Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit sprach von einem »Meisterwerk«, das »uns sehr nachdenklich machen« sollte. Und die AfD-Bundestagsabgeordnete Joana Cotar twitterte, sie feiere Jan Josef Liefers für dessen Medienkritik: »Das ist intelligenter Protest.«
Tobias Schlegl
Von vielen anderen Prominenten gab es indes scharfe Kritik. »Die Schauspieler*innen von #allesdichtmachen können sich ihre Ironie gerne mal tief ins Beatmungsgerät schieben«, twitterte Moderator Tobias Schlegl, der auch Notfallsanitäter ist. Der Schauspieler Marcus Mittermeier kommentierte: »Niemand hat mich gefragt, ob ich bei #allesdichtmachen mitmachen will. Gott sei Dank!« Die stumpfste Waffe gegen die Pandemie, so formulierte es der Pianist Igor Levit auf Twitter, sei »schlechter, bornierter Schrumpfsarkasmus, der letztendlich bloß fader Zynismus ist, der niemandem hilft. Nur spaltet.«
Der Medienjournalist Stefan Niggemeier schrieb von »ekliger Ironie« und einem »Dammbruch«, der zugleich der »größte Erfolg der Querdenkerszene bisher« sei. Der Grünen-EU-Abgeordnete Erik Marquardt befand, die Aktion sei ein »Ausdruck einer zunehmenden Resignation von eigentlich Vernünftigen«.
Weitere prominente Schauspieler mischten sich via Instagram in die Diskussion ein. Elyas M'Barek schrieb: »Mit Zynismus ist doch keinem geholfen.« Jeder wolle zur Normalität zurückkehren, und das werde auch passieren. Hans-Jochen Wagner nannte die Aktion peinlich. Er verstehe sie nicht, schrieb der Schauspieler und sagte in Richtung von Jan Josef Liefers: »Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
Liefers distanziert sich – aber nicht von seinem Beitrag
Liefers hatte die Berichterstattung vieler Medien über die Pandemie auf sarkastische Art scharf kritisiert. Er distanzierte sich mittlerweile von vielen, die seinen Videobeitrag feierten: »Eine da hinein orakelte, aufkeimende Nähe zu Querdenkern u.ä. weise ich glasklar zurück«, schrieb der 56-Jährige auf Twitter. »Es gibt im aktuellen Spektrum des Bundestages auch keine Partei, der ich ferner stehe, als der AfD. Weil wir gerade dabei sind, das gilt auch für Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker, Corona-Ignoranten und Aluhüte. Punkt.«
Dass sich gerade Rechtsextremisten und Verschwörungsgläubige von der Aktion bestätigt fühlen, überraschte einige von Liefers Kollegen indes nicht. Christian Ulmen etwa fühlte sich an den rechten Verschwörungserzähler Ken Jebsen erinnert, wie er schrieb: Jebsen »hätte es nicht schöner sagen können«.
»Echt ja, Leude?«, fragte Nora Tschirner auf Instagram. »Kann halt sein, dass man sich ein büschn schämen wird in ein paar Jahren (Wochen?)«, schrieb sie und ergänzte: »Unfuckingfassbar.« Sie warf den Machern der Clips Handeln aus Langeweile und Zynismus vor – und schlug einen alternativen Hashtag vor: #allesschlichtmachen.
Der Satiriker Jan Böhmermann hielt der Aktion auf Twitter entgegen, das einzige Video, das man sich ansehen solle, »wenn man Probleme mit Corona-Eindämmungsmaßnahmen hat«, sei eine ARD-Dokumentation: Die Produktion mit dem Titel »Station 43 – Sterben« entstand während der Pandemie in der Berliner Charité.