KUNSTHANDEL An der Kasse
Als Entwurf zu den Memoiren, »dieich vielleicht nicht mehr schreibenkann«, möchte der 77jährige Daniel-HenryKahnweiler ein Buch verstandenwissen, das kürzlich in Paris unter demTitel »Meine Galerien und meineMaler« und in Deutschland unter demTitel »Meine Maler - meine Galerien«erschienen ist*.
Kahnweiler, seit über fünfzig Jahrenzugleich zur Avantgarde und zur Prominenzder in Paris ansässigen Kunsthändlerzählend - berühmteste Ware:das Werk Picassos -, hat sich demfranzösischen RundfunkjournalistenFrancis Crémieux, ehemaligem Chefredakteurdes »Journal parle«, zu einerReihe von Unterhaltungen gestellt, derenProtokolle nun gedruckt worden sind.
Der aus Mannheim stammende Kahnweiler,zusammen mit dem französischenKunsthändler Ambroise Vollard unddem deutschen Kunstenthusiasten WilhelmUhde Geniespürer fast allerheute anerkannten Meister der Moderne,beschäftigt sich mit dem Kunsthandelgenauso lange, wie die moderne Malereiexistiert - sofern deren Beginn, wieeinigen Experten, mit Picassos Bildder »Demoiselles d'Avignon« gerechnetwird, das 1907 entstand.
Als Kahnweiler den damals noch unbekanntenPicasso kennenlernte, hieltder Maler das Bild noch für unfertig.»Ich klopfte an die Tür, ein junger Mannim Hemd, mit bloßer Brust und bloßenBeinen, öffnete mir, ergriff meine Handund führte mich herein«, erinnert sichKahnweiler an seinen ersten Besuch imAtelier Picassos. Es befand sich damals,1907, in einer von Malern und Literatenbewohnten Holzbaracke, dem berühmten»Bateau-lavoir« in der rueRavignan auf dem Pariser Montmartre.Den Namen »Bateau-lavoir«, Waschschiff,hatte das Gebäude wegen seinerÄhnlichkeit mit den Seine-Booten, aufdenen noch um die Jahrhundertwendedie Mädchen Wäsche wuschen.
»Die Tapeten hingen in Fetzen vonden Bretterwänden«, beschreibt Kahnweilerseine Eindrücke von der Behausungdes Malers. »Dicker Staub lag aufden Skizzen- und Leinwandrollen, dieauf einem durchlöcherten Diwan aufgestelltwaren. Neben dem Ofen türmtesich ein Berg von Asche und Schlacken.Es war entsetzlich.«
Aber Picasso, der die Wohnung mitseinem Modell Fernande Olivier - »derschönen Fernande« - und einem großenHund namens »Fricka« teilte, habesich dort, meint Kahnweiler, offenbarso wohl gefühlt, daß er sein erstes PariserAtelier nie vergessen wollte: »ImGrunde hat er die ,rue Ravignan' überallrekonstruiert; ihre Unordnung undalles, was damit zusammenhing.«
Von dem Kunstmäzen Uhde hatte Kahnweilererfahren, daß Picasso an einemseltsamen, »assyrisch« anmutenden Bildarbeite, das später den Namen »Les Demoisellesd'Avignon« erhielt. FördererKahnweiler: »Das Bild erschien allen,die es zu sehen bekamen, als eine Ausgeburtdes Wahnsinns. (Der Maler Georges)Braque meinte, es wirke auf ihn,als habe jemand Petroleum getrunken,um Feuer zu spucken, und Derain prophezeitemir, daß man Picasso einesTages hinter seinem großen Bild erhängtfinden werde ...
»Picasso hielt das Bild für unvollendet,und es ist genau so geblieben, wiees damals war, mit zwei verschiedenenHälften. Der linke, fast einfarbige Teilknüpft noch an Picassos« rosa Periodean; aber die andere Bildhälfte ist wirklichder Anfang einer neuen Kunst.«
Kahnweiler behauptet, daß er vomKunsthandel nicht das geringste verstandenhabe, als er 22jährig seine vierQuadratmeter große Bildergalerie inder rue Vignon in Paris eröffnete, wohlaber etwas von der Malerei, »denn ichhatte seit meiner frühesten Jugend ausPassion die Museen besucht, wo ich nurkonnte«. Seine Fähigkeit, die Begabungvon Malern unfehlbar zu einer Zeit zuerkennen, wo sie kaum von jemandakzeptiert wurden, führt Kahnweilerauf Intuition und auf Übung zurück:»Mich leitet mein erster Eindruck, undich argumentiere erst nachher, nichtvorher.«
Seine Eltern - der Vater Kahnweilerswar in Mannheim und später inStuttgart als Vermittler von Börsengeschäftentätig - hatten in bezug aufdie Malerei einen recht entgegengesetztenGeschmack. Sie interessierten sichhauptsächlich für den Tiroler BauernmalerFranz von Defregger, dem »auchHitlers Bewunderung galt«, wie Kahnweilersarkastisch bemerkt; in der elterlichenWohnung in Stuttgart gab es nurBilder in der Defregger-Manier.
Sohn Daniel-Henry wollte um dieJahrhundertwende »Orchester-Dirigent«werden; seine Eltern jedoch dachteneher an die Börse und ließen ihn imBankfach ausbilden; danach schicktensie ihn als Volontär zu einem Börsen-Maklernach Paris.
Kahnweiler heute: »Dieses Metier istmir immer fürchterlich dumm vorgekommen.«Nach seinen Pariser Lehrjahrenmußte Kahnweiler zu einem Onkelnach London, der »ungeheuer reich war,Sigmund Neumann hieß und später geadeltwurde«. Kahnweiler hatte nichtsanderes zu tun, als zusammen mitzwanzig Angestellten das Vermögenund die weitverzweigten Geschäftsinteressendieses Onkels zu verwalten. DieseTätigkeit mißfiel ihm bald; er begann,wie schon in Paris, systematisch dieMuseen zu besuchen.
Als ihn der Onkel in ein Zweigbüronach Johannesburg schicken wollte,lehnte Kahnweiler ab; er erklärte kategorisch,daß er nicht Börsenmakler,sondern Kunsthändler werden wollte. Sokam er zu dem Londoner KunsthändlerWertheimer, dem Bilderlieferantendes Onkels. Von Wertheimer sollteKahnweiler auf seine Eignung geprüftwerden. Es wurden ihm Fragen gestelltwie »Welche Maler der ,NationalGallery' schätzen Sie besonders?«
Wertheimer, so erzählt Kahnweiler,erwartete etwa die Antwort: »Die großenenglischen Porträtmaler des 18. Jahrhunderts.«Solche Bilder - von Gainsborough,Reynolds und Lawrence (gestorben1830) - wurden von der Wertheimer-Kundschaftbevorzugt.
Obwohl der Prüfling Kahnweiler vonganz anderen Malern schwärmte - von.El Greco und Vermeer van Delft, vonVuillard und Bonnard - fiel das Urteilüber ihn nicht ungünstig aus. So stellteihm der reiche Onkel aus London eineSumme von tausend Pfund zur Verfügungund gab ihm eine Frist voneinem Jahr; falls es ihm nicht gelingensollte, seine Pariser Bildergalerie bisdahin rentabel zu machen, hatte Kahnweilerins Kontor des wohlwollendenOnkels Neumann nach London zurückzukehren.
In Paris gab es damals allenfalls zehnBildergalerien, die meist konventionelleGenre-Malerei verkauften: eineAusnahme bildeten Durand-Ruel, derHändler der Impressionisten, undAmbroise Vollard, der sich die Bilderihrer Nachfolger, Cézanne, Gauguin,Sonnard, beschaffte; auch Picasso beliefertezunächst Vollard.
Kahnweiler mietete in Paris eineSchneiderwerkstatt, bespannte dieWände mit Sackleinen und hängte dortBilder auf, die er für sein Geld im»Salon der Unabhängigen« zum offiziellenPreis erstanden hatte; erst spätererfuhr er, daß die Händler ein Recht aufVergünstigungen hatten.
Unter den Pariser Malern sprach essich bald herum, daß ein junger Deutschermit jenen Bildern handeln wolle,die von den Kritikern abgelehnt wordenwaren. Der Radrennfahrer undBauer Maurice Vlaminck, dem Kahnweilerein Übereinkommen zum Kaufseiner zukünftigen Bilder anbot, erkundigtesich bei seinem Abnehmer Vollard,ob er auf den Vorschlag eingehen solle;dieser, obschon Kahnweilers Konkurrent,riet dem Maler dringend zu.Kahnweiler: »Ich an Vollards Stellewäre ihm eher ins Gesicht gesprungenund hätte gesagt: ,Mein lieber Freund,Sie haben den Verstand verloren.'«
Umgekehrt ging Kahnweiler jedemAnschein eines Konkurrenzkampfes mitVollard aus dem Wege. Er stellt heuteseine Taktik, nur die jungen und halbwegsunbekannten Maler, und unterihnen nur die nach seiner Meinung begabtesten,an sich zu fesseln, als einGenerationsproblem dar: Cézanne undGauguin zum Beispiel, für die sich Vollardinteressierte, hätten bereits »einervergangenen Epoche« angehört; Kahnweilerdagegen nahm sich vor, »für dieMaler meiner Altersklasse in den Streitzu ziehen«.
Sein Verhältnis zu den Malern waretwa das des Vertrauten einer Horde,der über die Kasse verfügt. Kahnweilerteilte das Geld aus und paßte sich, obschoneigentlich »Puritaner«, demLebensstil seiner Maler-Clique an; erzog mit der »Picasso-Bande« in derenStammkneipe, den »Lapin agile«, spieltemit seinen Bilder-Lieferanten Schachund überließ die Galerie oft einem»geistig beschränkten« Faktotum.
Kurze Zeit nach Picasso war auchGeorges Braque im Kahnweiler-Kreiserschienen; er »spielte - nach eigenerBehauptung - Beethoven-Symphonienauf dem Akkordeon und war, gleichPicasso ... und Derain, bei Gelegenheitein ebenso guter Tänzer wie Boxer«.Kahnweiler veranstaltete im November1908 mit Braque-Bildern, die der Malervon einem Aufenthalt in Südfrankreichmitgebracht hatte, eine erste und zugleichletzte Einzelausstellung in derrue Vignon; danach verzichtete er einfür allemal auf besondere Ausstellungenund verlangte auch von seinenMalern, sie sollten an keinem öffentlichenSalon mehr teilnehmen.
»Ich begnügte mich damit, ihre Bilderaufzuhängen«, erzählt Kahnweiler,»die Maler konnten in Ruhe arbeiten,... und die Interessenten kamen zur Besichtigung,Ich muß sagen, daß diewenigen zahlungsfähigen Liebhaber,fünf oder sechs, von einem gewissenZeitpunkt an pünktlich erschienen,wenn es neue Bilder zu sehen gab - unddie zahlungsunfähigen Interessenten,Maler und Kunstfreunde, erschienenebenfalls.«
Immerhin führte die erste und einzigeKahnweilersche Einzelausstellung zueiner Wortprägung, nach der bald dieganze Richtung benannt wurde: DerKritiker Vauxcelles schrieb in derKunstrevue »Gil Blas« bei einer Besprechungder Braque-Ausstellung inder rue Vignon: »Braque malt kleineKuben.« Daraus bildete Vauxcelles späterden Begriff »Kubismus«. Auch das- nach Kahnweiler - »lächerliche«Wort »Les Fauves« (Wilde Tiere) füreine Künstlergruppe, der zeitweiligMatisse, Derain, Vlaminck und Dufy angehörten,ist eine Vauxcelles-Erfindung.
Kahnweiler stellt die Autorschaftdes Kritikers Vauxcelles an diesenTitulaturen, die später zu wichtigenKlassifizierungen der neueren Kunstgeschichtewurden, ausdrücklich fest,weil nach einer Behauptung des DichtersGuillaume Apollinaire der Begriff»Kubismus« von Matisse geprägt wordensein soll. Kahnweiler hält den DichterApollinaire - dessen Verse er übrigensals erster, quasi nebenberuflich,verlegte - zwar für einen »bewunderungswürdigenPoeten«, was er aberüber Kunst geschrieben habe, sei »völligfalsch«.
Kahnweiler nennt vier Maler die»Großen« unter den Kubisten: Picasso,Braque, Gris und Leger. FernandLeger, ein lang aufgeschossener, sommersprossigerNordfranzose, machte 1910Bekanntschaft mit Kahnweiler; denKontrakt, den Kahnweiler mit ihmSchloß, zeigte Leger seiner Mutter, einernormannischen Bäuerin, um ihr zu beweisen,daß er mit seinen Bildern Geldverdienen könne.
Bald darauf stieß auch Juan Gris, dermit Picasso im »Bateau-lavoir« wohnte,zu Kahnweilers Maler-Gruppe.Er warder erste, »der nichtzum Kubismus überging,sondern mit ihmbegann«. Kahnweiler,der Freundschaft mitGris Schloß, erinnertsich an den 1927 verstorbenenMaler: »Einwunderbarer Menschin jeder Beziehung,der selbstloseste undtreueste Freund, denman sich denkenkann.« Immerhinneigte Gris zu»schrecklichen Wutanfällen«;seinerGefährtin Josetteschüttete er einmaleine Schale heißenMilchkaffee ins Gesicht,weil es ihn ärgerte,daß sie denKaffee nicht trinkenwollte.
Im August 1914 befandsich Kahnweilerin Rom. »Der Krieg«,so beschreibt er seinedamaligen Empfindungen,»war fürmich etwas schlechthinEntsetzliches.« DerGedanke, auf deutscherSeite zu kämpfen,sei ihm nie gekommen;eher dachteer daran, sich bei denFranzosen als Sanitäterzu melden, »daich tief verwurzeltepazifistische Überzeugungenhabe«. Er begabsich jedoch Ende 1914 in die Schweiz,wo er fünf Jahre blieb; in den Kriegsjahrenentstand seine Schrift »Der Wegzum Kubismus«.
Die Galerie in der rue Vignon, für dieKahnweiler auch weiter die Mietezahlte, wurde geschlossen, und als derKunsthändler 1920 nach Paris zurückkehrte,wurde ihm die Rückgabe derBilder verweigert, so viele Demarchendie Maler zu seinen Gunsten auch unternahmen.Die Galeriegalt als ehemaligerfeindlicher Besitz, dernach einem vom französischenParlamentverabschiedeten Gesetzversteigert werdenmußte.
Kahnweiler führtdas Mißlingen seinerBemühungen, demGesetz zu entgehen,auf die »Borniertheitder Behörden« undmehr noch auf dieFeindseligkeit seinerKollegen im Kunsthandelzurück, dieweniger gegen seinePerson, als gegen denKubismus gerichtetgewesen sei - derMehrzahl der damaligenKunsthändlerpaßte die Richtungnicht, sie »verteidigtenandere Werte«.Sie hofften daher,nach Kahnweiler, diePreise für Kubismusmit einer Verkaufs-Lawinevon nahezu 800 Bildernzu »erledigen«. Innerhalb von zweiJahren wurde der Kahnweiler-Besitzliquidiert - er umfaßte fast die gesamteVorkriegs-Produktion von Picasso,Braque, Derain, Vlaminck, Leger und Gris.
Dadurch, daß es gelungen war, diegesetzlich vorgeschriebene Versteigerungin fünf Abschnitte über zwei Jahrehin zu verteilen, erzielten die Bilder erheblichhöhere Preise als in den Vorkriegsjahren.Junge Literaten wie AndreBreton, Tristan Tzara, Paul Eluard undArmand Salacrou und einige amerikanischeSammler traten bei den Versteigerungenals Käufer auf.
Kahnweiler schaltete einige Freundeein, die durch Scheinkäufe die ihmliebsten Bilder retteten. Der Händlerbüßte dabei fast sein gesamtes Vermögenein, konnte aber auf diese Weise,wenn auch unter dem Namen seines TeilhabersSimon, in einem Hinterhof derrue d'Astorg eine neue Galerie eröffnen.
Picasso, der zu dem Konkurrenz-HändlerRosenberg übergegangen war,kehrte 1923 zu Kahnweiler zurück.Derain und Vlaminck, deren Freundschaftzu Picasso abgekühlt war, trenntensich auch von Kahnweiler - weil sie indessen »kubistischem Laden« genug gelittenhätten, wie Derain behauptete.Vlaminck distanzierte sich von seinerkubistischen »Unterwerfung« mit denWorten: »Wenn ich daran denke, Kahnweiler,daß Sie mir in der rue Vignonein Blatt mit Kohlestrichen und aufgeklebtemZeitungspapier gezeigt habenund mir sagten, das sei schön . . . Unddas Traurigste ist, daß ich daran geglaubthabe.«
Auch Braque und Léger gingen zeitweilig,wie Picasso, zu Rosenberg; nurJuan Gris widerstand der Versuchung,wie Kahnweiler nicht ohne Rührungerwähnt. Einen Zusammenhalt zwischenden ehemaligen Pionieren des Kubismusgab es nicht mehr; Picasso - nachGertrude Stein der »von seinen Marschällenumgebene Napoleon« der Bewegung- praktizierte eine Art Klassizismus,obschon er den Kubismus nichtaufgab.
Mitte der zwanziger Jahre hatte sich der»Geburtshelfer« des Kubismus wiedereinen Platz im Pariser Kunsthandelerobert, und die ausländischen Kundensicherten der Galerie, wie Kahnweileres nennt, »une petite existence raisonnable«.
Da setzten mit dem Ausbruch derWeltwirtschaftskrise die »sieben magerenJahre« ein. 1929, so erinnert sich.Kahnweiler, blieben die Sammler undKunstinteressenten seiner Galerie fern;tage- und wochenlang erschien keineinziger Besucher in der rue d'Astorg.Der Händler kam auf die Idee, eineKünstler-Sparkasse zu organisieren, dievon Freunden der Galerie finanziertwurde: Aus Ratenzahlungen, die inKahnweilers leere Kassen flossen, erhieltendie Maler Vorschüsse; die Geldgebersparten auf Bilder ihrer Wahl an.
Auf die Frage des Interviewers FrancisCrémieux, warum er die surrealistischenMaler weniger beachtet habe, antworteteKahnweiler: »Sie waren mir zuliterarisch.« Die Kubisten, so meinte er,benutzten einfache Themen, sie stelltenAlltagsobjekte dar, wenn auch in neuerSicht. Die Surrealisten dagegen stelltenzwischen »Unvereinbarem« paradoxeBeziehungen her - etwa zwischen »derTaube und dem Hintern eines Bahnhofsvorstehers«.Dalis »Geschmolzene Zeit«,sagt Kahnweiler, habe ihn nie sonderlichinteressiert, denn »gemalte Literaturgehört nicht zu meinem Ressort«.
Anfang des Zweiten Weltkrieges verhieltsich Kahnweiler im Gegensatz zuanderen Pariser Kunsthändlern, die ihreGalerien schlossen und zum Teil mitihren Bildern nach Amerika emigrierten,zunächst abwartend; er brachtezwar einige Bilder an einen sicherenOrt in der Provinz, verkaufte jedoch biszum Einmarsch der Deutschen anLeute, die ihr Geld anlegen wollten.
Erst im Juni 1940 verließ er Paris inRichtung Limoges. Kahnweiler berichtet,daß die Deutschen über seine Schwägerin,Louise Leiris, Verbindung mit ihmsuchten; sie boten ihm ihre Protektion an.Louise Leiris hielt die Protektion aberfür gefährlich und behauptete, nichtsüber Kahnweilers Verbleib zu wissen.
Kahnweiler, der in seinem Versteckbei Limoges ein Buch über Juan Grisschrieb, blieb bis Mitte 1942 unbehelligt;als die Gestapo jedoch eine Haussuchungvornahm, verstand er das Zeichenund suchte sich zusammen mit seinerFrau ein neues Versteck. FalscheAusweispapiere für diesen Umzug bekamer von seinem Freund, dem»Zazie«-Autor Raymond Queneau.
Da es der Schwägerin gelungen war,die Kunsthandlung - die als jüdischesEigentum beschlagnahmt werden sollte- zu erwerben, konnte Kahnweilernach dem Ende des Zweiten Weltkriegessein Geschäft ohne größeren Schadenwieder übernehmen.
Über die Avantgarde der jüngstenGegenwart, über »Abstrakte«, über»Tachisten« und über Apologeten der»art informal« äußert sich, Kahnweilerskeptisch. Er nennt die abstrakte Malereieine gelenkte Pseudo-Kunst, dieebenso offiziell und gefällig gewordensei wie einst die akademische Kunstder Salons.
Sein Argument: Bei den Ausstellungender Abstrakten gebe es keine Skandalemehr, wie bei den Impressionistenund den Kubisten. Kahnweiler: Die abstrakteMalerei »ist keine Schrift; es gibtnichts zu lesen«.
* Daniel-Henry Kahnweiler: »Meine Maler- meine Galerien«. Verlag DuMont Schauberg,Köln; 120 Seiten; 9,80 Mark.
Kunsthändler Kahnweiler, Interviewer Crémieux: Ein reicher Onkel ...
Anfänger Kahnweiler (1907)... gab das erste Geld
Montmartre-Atelier »Bateau-lavoir": Revolution auf dem Diwan
Maler Braque (1910)Beethoven auf dem Akkordeon
Picasso, Modell Fernande (1906): Petroleum getrunken ...
... um Feuer zu spucken: Picassos »Demoiselles d'Avignon« (1907)