Ausstellung der Fotografie von Andreas Gursky Cool und rätselhaft

Gurskys 2020 entstandenes Bild »Politik II«: Kunst als Warnhinweis
Foto: Andreas Gursky / VG Bildkunst / BonnAndreas Gursky ist Düsseldorfer, in der Stadt am Rhein wuchs er auf, dort fühlt er sich noch immer zu Hause. Zur Welt gekommen ist er jedoch 1955 in Leipzig. Deshalb erinnert nun das dortige Museum der Bildenden Künste mit einer Ausstellung seiner Werke auch an seine Wurzeln.
Gursky, der weltweit schon in vielen wichtigen Museen ausgestellt hat, berührte der Vorschlag aus Leipzig offensichtlich, er hat die Schau jahrelang mit vorbereitet. Eigentlich sollte die Eröffnung im vergangenen November stattfinden, im Jahr seines 65. Geburtstages, wegen der Pandemie wurde es nun der März. Der für seine malerischen Fotografien bekannte Künstler sagte in einem Interview, dass es für ihn nicht so einfach gewesen sei, so lange zu warten.
Jetzt sind seine Tableaus zu besichtigen, erst einmal wohl nur für ein paar Tage, denn es zeichnet sich ab, dass das Museum bald wieder geschlossen wird; es könnte sein, dass Besucher danach, wenn dann alles wieder öffnen darf, einen negativen Corona-Test vorweisen müssen. Doch Warterei und Aufwand lohnen sich, Gursky hat immer eine Menge zu bieten, und damit überfordert er sein Publikum auf gewisse Weise auch.

Andreas Gursky: Plakate der Gegenwart
Oft zeigt Gursky mehr von einer Szene, als ein Betrachter, wäre er dabei, erfassen kann. Denn typischerweise setzt er mehrere Einzelbilder zusammen. Er schafft dabei eine enorme Spannung zwischen der Genauigkeit der abgebildeten Details und dem oft monumentalen Format. Viele Bilder wirken also wie Panoramen – vom Angebot im Billigsupermarkt, vom Rhein, von Menschenansammlungen. Zu den neueren Motiven gehört eine Ansicht von einem über-kolossalen Kreuzfahrtschiff, es passt aus vielen Gründen gut in die Zeit.
Gursky erzählt von der Welt
Überhaupt wirkt manches Bild wie ein Plakat der Gegenwart. Da ist etwa die Runde der Politiker, die sich zusammenfinden wie zu einem letzten Abendmahl, vor einer Uhr, die klarmacht, dass es fast zu spät ist. Im Laufe der Jahre haben Gurskys Werke ein schon überdeutliches Gewissen entwickelt, er geizt nicht mit Warnhinweisen. Früher hat der Künstler die Formel 1 mit seinen aufwendigen Kompositionen zelebriert – heute zeigt er, wie die Umwelt leidet, wie sie austrocknet, zugemüllt wird. Wobei man ihm natürlich vorwerfen könnte, dass selbst die Dystopie bei ihm noch ästhetisch wirkt, zugleich ist das Teil der Irritation.
So bunt und cool manches wirkt, so wenig subtil eben, so verwirrend ist es dann letztlich also doch. Die Kuratoren in Leipzig sagen, dieser Fotokünstler würde auch »paradigmatische Orte der globalisierten Welt« zeigen, aber es sind doch immer wieder Orte darunter, an die nicht jeder hinkommt, Pjöngjang beispielsweise und ebenso die Zentrale von Apple. Gurskys Bilder sind fast immer beides, anschaulich und auch rätselhaft. Ein realistischer Surrealismus.
Dass er große Entwicklungen in große Bilder zu übersetzen wusste, brachte Gursky Ruhm, er ist ein echter Star. Seine Fotos gehören zu den teuersten auf dem Weltkunstmarkt. Andererseits hat gerade er enorm dazu beigetragen, dass Fotografie endlich als echte Kunst gilt, für die ja auch kein Preis zu hoch ist.

Künstler Gursky vor seinem Bild "Lager": Alles wird zum Panorama.
Foto: Peter Endig / imago images/Peter EndigWie wäre sein Leben in Leipzig verlaufen?
Jedes seiner Werke handelt davon, was Fotografie kann, was sie darf. Sein 2016 gestorbener Vater Willy Gursky war ein Werbe- und Porträtfotograf, zu Andreas Gurskys Lehrern an der Düsseldorfer Akademie gehörten wiederum die beiden Foto-Konzeptkünstler Bernd und Hilla Becher. Gursky nahm sich aus diesen Einflüssen alle Freiheiten und entwickelte etwas Eigenes. Digitale Kameras hat er schon benutzt, als es noch verpönt war. Heute hängt er auch vergrößerte Handybilder ins Museum. Etwa eines, das seine Frau und seinen jüngsten Sohn zeigt.
Außer in Düsseldorf lebt er auf Ibiza, so steht es sogar auf dem Flyer zur Ausstellung, andere deutsche Künstler würden einen so lässigen Zweitwohnsitz wohl eher verschweigen. Wie hätte sich sein Leben entwickelt, wenn seine Eltern nicht in den Fünfzigern aus Leipzig an den Rhein geflüchtet wären, wenn er als Kind und junger Erwachsener ganz anderen Zwängen ausgeliefert gewesen wäre? In der Ausstellung sind Dokumente zu sehen, die von der Familiengeschichte erzählen, und auch Werke von Gurskys Vater und seinem Großvater, der ebenso Fotograf war.
So ist diese Schau eine sehr persönliche Angelegenheit – und gleichzeitig auch wieder nicht, erinnert wird anhand der Familie Gursky ja an den auch irgendwie paradigmatischen Ort Deutschland, der lange nicht einmal nur ein einziger Ort war. Die Realität spielt immer wieder verrückt, ihre Plots sind geradezu unglaubwürdig, unsubtil sowieso. Und davon erzählt auch der junge Altmeister aus Leipzig und Düsseldorf.