RAUMFAHRT Anfang vom Ende
Das Zwei-Personen-Auto ist schon oben. Der Super-Caravan, ein rollendes Forschungslabor mit Besatzung, soll im nächsten Jahr hinaufgeschossen werden, so jedenfalls erhofft es sich Wernher von Braun.
Dem Planungschef der Nasa schien der erfolgreiche Abschluß des dreitägigen Mondaufenthalts der Apollo-15-Astronauten David Scott und James Irwin ein günstiger Zeitpunkt, dem Traum von glanzvoller Zukunft der bemannten Raumfahrt nachzuhängen. Immerhin: Die US-Fernsehstationen hatten entgegen ihrer ursprünglichen Planung dann doch Stunde um Stunde die Bildübertragungen vom Erdtrabanten fortgesetzt.
»Wenn man eine Mondmission gesehen hat, hat man eigentlich alle gesehen«, war die verbreitete Meinung unter den Fernsehzuschauern gewesen. Und so war es wohl nur die verblüffende Qualität der Fernsehbilder über eine Distanz von 400 000 Kilometern, was das TV-Volk vor der 445-Millionen-Dollar-Schau festhielt,
Was die elektronischen Meßgeräte und die fünf Kilogramm schwere, zwei Millionen Mark teure, mit goldglänzender Folie umwickelte Farbfernsehkamera zur Erde übermittelte, begei-
* Bei der Bergung der Filmkassetten am Donnerstag letzter Woche.
sterte jedenfalls die einschlägig befaßten Wissenschaftler: die Geologen und Kosmologen im Hinterzimmer des Kontrollzentrums Houston. »Sie warfen ihre Notizblöcke und Aufzeichnungen in die Luft«, so beschrieb es der »Washington Star«, »und tanzten vor Freude um ihre Pulte.«
An wissenschaftlicher Ausbeute übertraf die Apollo-15-Mission alles, was bemannte und unbemannte Mondfahrt bis dahin erbracht hatten, um ein Vielfaches. Von dem kristallbesetzten (möglicherweise Ur-) Gestein, das im Probenbeutel Nummer 196 verstaut wurde. über die Tiefenproben, die das sperrige Bohrgestänge aus dem Landegebiet im lunaren »Sumpf der Fäulnis« zutage förderte, bis hin zu den fast 2,5 Filmkilometern, die Astronaut Alfred Worden in der Mondumlaufbahn belichtete und später -- mit seiner Eva-Turnübung am Donnerstag letzter Woche -- in Sicherheit brachte: Der Zwölf-Tage-Flug der drei Luftwaffenoffiziere war das wissenschaftlich erfolgreichste Unternehmen in der Geschichte der Raumfahrt.
Experten der Nasa nannten es eine »Reise in die Vergangenheit«. eine »Expedition zu den Ursprüngen unseres Sonnensystems«.
Das, meinte Walter Sullivan, Wissenschaftskolumnist der »New York Times«, könne »schon die Phantasie beflügeln«. Doch neben dem Stolz über diese neue, ertragreiche Phase der Monderkundung beobachtete er
allen an der Apollo-11-Mission Beteiligten« auch noch etwas anderes: »Ein Gefühl ... daß damit auch der Anfang vom Ende der bemannten Mondunternehmungen in diesem Jahrhundert« gekommen sei.
Es war wohl der letzte, besonders aufwendige Versuch der Nasa-Planer. in dem erbitterten Streit, ob Menschen oder Maschinen den erdnahen Kosmos erkunden sollen, für die bemannte Raumfahrt Punkte zu sammeln. Denn die beiden noch geplanten Apollo-Flüge, Nummer 16 und 17, können das Mondunternehmen vom vorletzten Wochenende kaum mehr übertreffen. Die Leistungsfähigkeit des Apollo-Designs ist, wie sich Wernher von Braun ausdrückte, ausgereizt.
Doch Ende letzter Woche, als das beladene Forschungsschiff Apollo 15 mit immer größerer Geschwindigkeit zur Erde zurückstürzte, zeichnete sich schon ab, daß sich die Hoffnungen der Nasa-Chefs nicht erfüllen würden. 82 ]Kilogramm Mondstaub und -gestein konnten nicht das Desinteresse aufwiegen, das sich wieder breitmachte.
»Wir haben einen Weg zum Mond gefunden«, resignierte Kurt Debus. Chef des Raketenstartplatzes Cape Kennedy, »aber wir wissen noch keinen Weg, das amerikanische Volk von der Notwendigkeit der bemannten Raumfahrt zu überzeugen.«