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Gestorben Anshu Jain, 59

aus DER SPIEGEL 34/2022
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Ulrich Baumgarten / Getty Images

Es war von Beginn eine Mes­al­liance zwischen Anshuman »Anshu« Jain und den Deutschen, deren größte Bank er 2012 bis 2015 führte. Hier das gegenüber Wirtschaftsdingen misstrauische Publikum seines Gastlandes, dort der gebürtige Inder, der Karriere gemacht hatte im Handel mit Finanz­produkten, die kaum jemand verstand und in der Finanzkrise Billionenschäden anrichteten. Jains kurze Amtszeit als Vorstandschef der Deutschen Bank war überschattet von den Hinterlassenschaften aus seiner Zeit im Investmentbanking, milliardenteuren Bußgeldern und einer verblüffenden Unsicherheit als Entscheider, die mit seinem öffentlichen Bild als eiskalter Trader kontrastierte. Tatsächlich war Jain vielschichtiger als die meisten seiner Kollegen. In Neu-Delhi sowie Kabul aufgewachsen, wurde er von seinen Eltern nach den Grundprin­­zi­pien des Jainismus erzogen: Gewaltlosigkeit gegenüber allen Lebewesen, Unabhängigkeit von unnötigem Besitz, Wahrhaftigkeit. Ganz so friedfertig verlief seine Karriere indes nicht: Jain reüssierte bei der Wall-Street-Bank Merrill Lynch als gewiefter Trader. 1995 wechselte er zur Deutschen Bank, machte das piefige Kreditinstitut, auch mithilfe übler Geschäfte, kurzzeitig zur größten nicht amerikanischen Investmentbank der Welt und zahlte sich und seinen Gefolgsleuten, »Anshu’s Army«, horrende Boni aus. Nach seinem Abgang 2015 kam er beruflich nicht mehr auf die Beine, 2017 diagnostizierten die Ärzte Krebs. 2020 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos schien er wohlauf, von seinen chronischen Schmerzen wussten die wenigsten. Anshuman Jain starb am 13. August in London.

baz
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