Dieser Beitrag wurde am 17.10.2016 auf bento.de veröffentlicht.
Wer beim Klick auf die Homepage von Aoife Dunne das sofortige Bedürfnis verspürt, aufgrund akuter Reizüberflutung einen neuen Tab zu öffnen, ist nicht alleine. Donuts, Videokassetten und fliegende Hamburger: Dem Besucher springt ab der ersten Sekunde eine grelle Mischung aus GIFs, modifizierten Selfies und Bam-Pow-Animationen entgegen.
Es lohnt sich jedoch, dabei zu bleiben und weiterzuklicken – denn die 21-jährige irische Multimedia-Künstlerin zählt zur digifeministischen Internet-Avantgarde, zu der auch Künstlerinnen wie Petra Collins, Dafna Ganani–Tomares oder Molly Soda gehören.
In der Fotostrecke: Aoifes Kunstwerke
Fotostrecke
Aoifes Kunstwerke
Auf ihrem Online-Auftritt vereint Dunne alles, was das Internet seit 1995 zu bieten hat. Ihr Faible für den leicht kitschigen Stil in Neunziger-Jahre-Ästhetik merkt man den Kompostionen sofort an. "Ich bin dort steckengeblieben", sagt Aoife. Elemente, die sie aus Filmen oder Zeitschriften von damals sammelt, werden mithilfe von digitaler Bearbeitungstechnik um fotografische Elemente ergänzt und so zu einem der wesentlichen Pfeiler ihrer Arbeit.
My work is heavily based on aesthetics and develops from collecting found materials.
Aoife Dunne
Collagen aus Zeitungsschnipseln und Gesichter mit Klebeband treffen auf computergenerierte Stimmen und automatisierte Anrufbeantworter. Aoife nutzt ihre Smartphone-Kamera genauso wie das mac-interne Fotoprogramm Photobooth und Material aus professionellen Shootings. Ihre Arbeiten sollen laut Dunne nicht nur Freude beim Anschauen bereiten, sondern auch dazu beitragen, dass wir die emotionalen Verbindungen, die durch Technologien relativ einfach herzustellen sind, zu hinterfragen lernen.
I like to build immersive environments, creating the perception of being physically present in a non-physical world. All of my installations are very imaginative and theatrical.
Aoife Dunne
Während ihres Studiums der bildenden Künste eignete sie sich Fähigkeiten im Bereich Animation, Foto- und Videografie an. Die Ergebnisse spiegeln einerseits ihr Fachwissen wider und sind andererseits unkonventionell genug, um nicht spiegelglatt und kommerziell zu wirken.
Dabei ist Aoife auf dem besten Weg, auch außerhalb Großbritanniens und Irlands bekannt zu werden. Ihr Video “Limitless“ wurde abgesehen von der Royal Academy of Arts in London bereits im Museum für zeitgenössische Kunst in Denver ausgestellt. Das Stück zeigt Aoife in multiplizierter Form, sie trägt clown-artiges Make-up und ein Outfit, das im entferntesten Sinne an japanische Mangas erinnert.
Im Fokus: Die allgegenwärtige Frage nach Perfektion. Die Angst, nicht zu genügen und der damit einhergehende Druck sich immer wieder neu zu erfinden. Ein, wie sie selbst sagt, niemals endender Prozess der Selbstkonstruktion, der durch Selbstkritik voran getrieben wird.
I play with 2D and 3D space recreating digital elements in the physical. Through this installation piece I try to capture the desire to continuously reconstruct and recreate oneself.
Aoife Dunne
In ihrem Schaffen kann sie gleichzeitig ernst und verspielt sein, Konzepte wie Reiz, Sex und Schönheit im selben Augenblick reproduzieren und hinterfragen. Auch sie selbst wird immer wieder Objekt ihrer Kunst. Sei es, indem sie als tanzende Puppe in einem Video mitwirkt, oder Fotografien ihrer selbst entfremdet. Aoife bewegt sich fließend zwischen physikalischen und digitalen Welten und schöpft damit die Grenzen der visuellen Identität jedes Mal aufs Neue aus.
Gerade weil die Gesellschaft, so Aoife, aktuell stark auf Technologien angewiesen ist, sei es wichtig, eine gesunde Balance zwischen menschlicher und computerbasierter Interaktion zu finden. "Versteht mich nicht falsch: Technologie ist großartig, aber sie kann unsere emotionalen Bedürfnisse nicht vollständig befriedigen."
I’m really motivated to produce and share my work online as it allows me to connect with other artists who appreciate my aesthetic.
Aoife Dunne
Ihre Kunst online mit anderen zu teilen, motiviert sie: "In Dublin verstehen die Menschen nicht, was ich mache. Ohne dem Internet hätte ich es nicht geschafft, Kunst zu praktizieren, mich auszuprobieren und weiter zu kommen. Ohne das Internet wäre ich verloren."
Tatsächlich kam die Anerkennung aus ihrer Heimatstadt Dublin erst, nachdem sie internationale Beachtung erfahren hatte.