Art Spiegelman Der Fall der Maus

Hermann Knippertz / ddp
Kontroversen gehören für den berühmten US-Cartoonisten Art Spiegelman, 73, schon lange zum Geschäft. Nun hat sein wohl bekanntester Comic »Maus« Jahrzehnte nach der Veröffentlichung erneut für Aufruhr gesorgt. Das Buch wurde von einer Schulbehörde im US-Bundesstaat Tennessee aus dem Lehrplan genommen – wegen »unnötiger Verwendung von Obszönitäten und Nacktheit und Darstellung von Gewalt und Suizid«. In dem Holocaust-Comic erzählt Spiegelman die Geschichte seiner Eltern, die Auschwitz-Birkenau überlebten: Jüdinnen und Juden zeichnete er als Mäuse, Deutsche als Katzen, aufs Cover setzte er ein fettes Hakenkreuz. »Maus«, an dem Spiegelman seit 1980 gearbeitet hatte, gewann 1992 einen Pulitzerpreis und wurde zum Bestseller. Spiegelman hatte schon in den Achtzigerjahren Anstoß erregt, viele Schulen verbannten seine subversiven Comic-Sammelkarten »Garbage Pail Kids« (etwa »Mülleimerkinder«). Sein 9/11-Buch »In the Shadow of No Towers«, in dem er die Bush-Regierung kritisierte, fand anfangs keinen US-Verleger. Die aktuelle Kritik der Schulbehörde in Tennessee lehnt Spiegelman als »bescheuert« und »ignorant« ab: »Die wünschen sich einen netteren, sanfteren, flauschigeren Holocaust, als ich ihn präsentiere«, sagt er dem SPIEGEL. Dabei ist »Maus« kein Einzelfall. In den USA, vor allem in den konservativen Südstaaten, werden immer mehr Bücher verboten, die sich mit Rassismus, Antisemitismus, Sexismus oder LGBTQ-Belangen befassen. Die Zensurmaßnahmen haben ungewollte Nebeneffekte: Spiegelmans »Maus« jedenfalls kletterte nach dem Tennessee-Bann in mehreren US-Bestsellerlisten auf Platz eins.