Der österreichische Schriftsteller H. C. Artmann, 76, über den Georg-Büchner-Preis, den er am Samstag in Darmstadt entgegennehmen wird
SPIEGEL: Freuen Sie sich auf Samstag?
Artmann: Zwischendrin vergesse ich das immer wieder.
SPIEGEL: Aber Sie werden nach Darmstadt kommen?
Artmann: Ja. Die Rede ist schon fertig. Sehr kurz.
SPIEGEL: Sie gelten als Avantgardist. Geht es immer weiter mit den Experimenten?
Artmann: Ich gehe auf alte Sprachen zurück. Alles ist schon dagewesen. Das schönste Gedicht ist für mich: »Der Wind, der Wind, das himmlische Kind«. Das ist der Zauberspruch, das Magische, das Märchen. Das ist mir vertraut, weil ich vom Lande komme. Da ist alles überliefert. Vor 1945 habe ich nichts geschrieben. Und nur Schundromane gelesen.
SPIEGEL: Sie haben Ihr erstes Gedicht am 14. April 1945 geschrieben. Woher wissen Sie das Datum so genau?
Artmann: Weil ich es immer dazuschreibe. Das war bei Kriegsende, wir waren auf der Flucht vor den Russen - und da gab es ein Mädchen, eine romantische Geschichte.
SPIEGEL: Also seit mehr als 50 Jahren im Dienst der Lyrik ...
Artmann: ... was mir selbst komisch vorkommt.
SPIEGEL: Gerade sind bei Residenz vier Bände »Gesammelte Prosa« erschienen. Sind Sie eher Lyriker oder Erzähler?
Artmann: Bei mir ist alles Gedicht. Sonst würde ich viel länger schreiben. Ich bin Minimalist.
SPIEGEL: Hätten Sie den Preis gern früher bekommen?
Artmann: Sicher, dann hätte ich etwas damit anfangen können. Ich hätte nach Japan reisen können. Heute kann ich das nicht mehr, die Beine machen nicht mehr mit. Selbst die Reise nach Darmstadt macht Mühe. Da werde ich zum Flugzeug geschoben.