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Gestorben Bernard Haitink, 92

aus DER SPIEGEL 44/2021
Foto: Michel Neumeister / IMAGO

Die Allüren eines Maestros und herrisches Gefuchtel waren dem niederländischen Dirigenten fremd. Umso mehr ging er bei Proben ins Detail – und das konnte schon mal heißen, sich für eine Mahler-Sinfonie ein ganzes Jahr lang Zeit zu lassen. Der Beamtensohn aus Amsterdam, gelernter Geiger, hatte selbst lange gebraucht, bis er sich ans Pult wagte. Dann aber sprach sich umso rascher herum, wie gründlich er seine Partituren beherrschte. So war der ruhige, freundliche Präzisionshandwerker bald in aller Welt begehrt. Von 1964 an leitete er das Concertgebouw-Orchester seiner Heimatstadt, ab 1967 auch das Philharmonic Orches­tra in London; später folgten Dresden und Chicago. In den Siebzigerjahren begann er, endlich auch Opern zu dirigieren – und das gleich an Englands legendärem Festivalort Glynde­bourne. Seine Mozart-Aufführungen in der Tradition von Fritz Busch hatten solchen Erfolg, dass man ihn 1987 zum Leiter des Royal Opera House in London machte. Sogar dieser glamourösen Welt verlieh der Antistar dank seiner unaufgeregten Gründlichkeit, die wie ein innerer Kompass wirkte, eine schon fast vergessene Solidität. Am liebsten blieb ihm aber der Konzertsaal, wo er als behutsam-weiser Lehrer agieren konnte; es sei »schwer, unter Bernard Haitink falsch zu spielen«, hat ein Experte die beinahe magischen Fähigkeiten des Künstlers einmal zusammen­gefasst. Erst 2019 nahm er Abschied vom Podium. Bernard Haitink starb am 21. Oktober in London.

SAL
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