BÜCHER / NEU IN DEUTSCHLAND Berühmtes Oho
Von Thüringen aus, wo »im Frühjahr rasche Bäche glucksten«, geht -- und stolpert -- ein Mann, ein Deutscher, ein Zeitgenosse, sehr prototypisch und Kramer geheißen, seinen Weg. Er schlägt sich mit Frau, Freundin und Gedanken herum, eckt an, wo die SED Ecken hat, und wird am 17. Juni 1953 aktiv, freilich mehr aus allgemein-menschlichem Antrieb -- das Prinzip Hoffnung, die Sache des »guten Sozialismus«, wird, nebulös doch krachig, bei »Schnaps und Schach von einem braven Altkommunisten vertreten, der zuweilen »sein berühmtes »Oho« in einem schollernden Baßlachen« hören läßt.
Beim Anblick der Sowjet-Panzer kündigt Kramer der DDR auf und zieht gen Westen. »Eingebürgert, eingegliedert, leidlich angepaßt« eckt er auch in der BRD an, als er bei einer 17.-Juni-Feier gegen Kalte Krieger redet, Anerkennungsformeln preisgibt und ein gutes Wörtchen für den Sozialismus einlegt. Die Kleinstadt, NPD-lastig, reagiert reaktionär: Kramer wird diffamiert und denunziert, und schließlich brennt seine Haustür wie weiland die des Günter Graß.
Hans-Christian Kirsch, 34, der 1949 aus Thüringen in den Westen floh und 1961 mit einigem Erfolg als eine Art deutscher Kerouac debütierte ("Mit Haut und Haaren"), hat in seinem vorwiegend aus Leitartikeln, halblinken Gemeinplätzen und einigen »schollernden« literarischen Etüden geformten gesamtdeutschen Schicksalsroman kaum ein aktuelles Motiv ausgelassen (einschließlich der Apo, deren Darstellung peinlich-tantenhaft mißlang).
Doch das kritische Panoptikum zeigt nur, was sich bequem in Fiktionen einhüllen und leicht verkaufen läßt: die Oberflächenphänomene deutscher Politik. Kramers Weg endet allerorten in Klischees.