FÄLSCHUNGEN Besondere Rarität
Im Januar staunte Bundesbankdirektor Werner Lucht noch, es sei »doch »ne einmalige Sache, daß eine Staatliche Münze fälscht«. Und Willy Ott, Direktor der Staatlichen Münzanstalt Karlsruhe, wies Frager barsch ab, als sein Stellvertreter Stefan Heiling und der Facharbeiter Klaus Fetzner wegen des Verdachts der Falschmünzerei verhaftet wurden: »Was hier im Hause geschieht, hat die Presse nicht zu interessieren.
Mittlerweile steht Otts Name mit in der Anklageschrift, die demnächst abgeschlossen werden soll, und gegen Lucht liegt eine Strafanzeige eines Münz-Experten vor. Gegen die drei von der Münzanstalt wird wegen »Geldfälschung« und »Inverkehrbringen von Falschgeld« ermittelt, mit Gefängnis bedrohte Delikte.
Jahrelang, so stellte sich heraus, waren in Karlsruhe, einer der vier deutschen Münzstätten (Herkunfts-Kennbuchstabe »G"), Geldstücke im Nominalwert von zwei Pfennig bis fünf Mark produziert worden, in der richtigen Legierung, mit Original-Prägestempeln, auf echten Prägestöcken (SPIEGEL 5/1975) -- aber »ohne Auftrag des Münzherrn« (Lucht). Die illegalen Stücke, vor allem Raritäten mit geringer Auflage oder Abweichungen in Text oder Druckqualität, erreichten -- wie die Originale -- Katalog- und Handelswerte bis zu 1800 Mark.
Münzsammlern war freilich schon zwei Jahre lang aufgefallen, daß allzu häufig und in viel zu großer Zahl vermeintlich rare deutsche Münzprägungen der Nachkriegszeit auftauchten -- so auch zur Begutachtung bei dem Münzexperten Philipp Kaplan in Münster, Herausgeber der Monatsfachzeitschrift »der Münzensammler mit dem Münzenmarkt«.
Kaplan sandte am 21. November 1974 der für Echtheits-Prüfungen zuständigen Bundesbank in Frankfurt einen Satz Kursmünzen des Jahrgangs 1967 »6« mit verdächtigen Merkmalen. Am 4. Dezember bestätigte ihm die Bundesbank, es handle sich »um echte Münzen«, die jedoch »nachträglich hergestellt wurden« -- mit »Werkzeugkombinationen«, wie sie 1967 noch gar nicht vorhanden gewesen seien.
Zugleich bat die Bundesbank-Direktion den mißtrauischen Kaplan, vom Bundesfinanzministerium »eingeleitete Ermittlungen« zu unterstützen und von einer Berichterstattung »vor dem Abschluß der Untersuchungen abzusehen«, um die Maßnahmen »nicht zu beeinträchtigen«. Kaplan hielt still in der irrigen Annahme, es handle sich um ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren.
Aber die Bundesbank als Münzen-Aufsichtsbehörde ermittelte gewissermaßen hausintern in Karlsruhe und kontaktierte jene, die mutmaßlich betroffen sein mußten: Ott und Vize Heiling, die als einzige über Schlüssel für den Tresor verfügten, in dem alle Prägestempel -- ob noch benutzt oder bereits archiviert -- aufbewahrt werden.
Erst acht Wochen nach dem Bundesbankbrief an Kaplan wurde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Kaplan: »Eine bühnenreife Farce, denn es gab bis dahin gar keine Ermittlungen, die gefährdet werden konnten.«
Stellvertreter Heiling samt Helfer Fetzner wurde überführt, Direktor Ott zunächst wegen möglicher Unterlassungen bei der Aufsichtspflicht vorläufig suspendiert. Erst nach weiteren Nachforschungen wurde er als Mitbeschuldigter eingestuft: Er habe von den Vorgängen in seiner Anstalt gewußt und sie geduldet.
Die Ermittlungen betrafen auch die achtwöchige Spanne zwischen der Einschaltung von Bundesbank und Staatsanwaltschaft. Zumindest war zu prüfen, ob Heiling und Fetzner, die zu Ostern aus der Untersuchungshaft entlassen wurden, und auch Ott Gelegenheit oder Absicht hatten, etwas zu vertuschen oder zu verlagern. Abnehmer zu tarnen oder illegales Neugeld einzuwechseln.
Denn die Menge der -- nach Kripofeststellung -- seit mindestens sechs Jahren illegal geprägten Kursmünzen beträgt nach Händler- und Sammler-Schätzung ein Vielfaches der gefundenen Restbestände. Hinweise von Sammlern, die sich Ankläger erhofft hatten, »um das ganze Ausmaß festzustellen«, blieben allerdings aus -- als echte Falsifikate werden die falschen Fuffziger offenbar als eine besondere Rarität bewertet und verwahrt.
Bis Ende Juni will der Karlsruher Oberstaatsanwalt Adolf Müller nun die Anklageschrift gegen Ott, Heiling und Fetzner abschließen. Eine gezielte Strafanzeige ist derweil noch bei ihm eingegangen: Münzfachmann Kaplan meint, Bundesbankdirektor Lucht und sein Falschgeld-Experte Ernst Balke hätten sich der Mitwisserschaft und Beihilfe schuldig gemacht -- durch Verzögerung der Ermittlungen und auch dadurch, daß die Bundesbank seit Jahren Nachprägungen trotz erkennbarer Fehler für echt attestiert habe.