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MODE Beste Stücke

Die Defilees der großen Pariser Modehäuser bestätigten den Trend zu kurzen, körpernahen Kleidern. Fast alle Couturiers kopierten Entwürfe aus den dreißiger und vierziger Jahren.
aus DER SPIEGEL 6/1979

Auf den Pariser Champs-Elysées fegt ein eisiger Wind durch die ersten engen Schlitzröcke. In den Schaufenstern leuchtet die Frühjahrsmode -- in Bananengelb, Türkisgrün, Bonbonrosa und jeder Menge Lila.

Die grellen Knallfarben sollen die sanften Muddeltöne wie Khaki und Pflaume, die nun schon seit Jahren die Kleiderszene beherrschen, möglichst rasch ins Abseits drängen. Und ebenso eilfertig wie den Farbwechsel betreiben die Trend-Boutiquen auch den Schwenk zum sehr kurzen, engen Rock. Selbst ausgelassene Säume stoßen da -- zum Schrecken der ersten Käuferinnen -- höchstens noch auf den Wadenansatz.

Natürlich leistet die Pariser Haute Couture, die eben eine Woche lang ihren Sommer-Luxus vorführte, dem neuen Trend kräftig Schützenhilfe. Besonders hat es ihr der »Retro«-Look angetan -- auf den Laufstegen wimmelt es von knappen Kostümen mit Liftboy-Jäckchen oder Schößchen, von Bibi-Hütchen, Handschuhen, von Strümpfen mit Naht und Schuhen mit hohen, dünnen Hacken.

Mit großer Sorgfalt werden Schultern verbreitert, indem man sie zu Tüten, Flügeln oder Keulen faltet und bauscht oder gar kräftig mit Schaumgummi auspolstert. Trägerlose Korsagen pressen Busen platt, und hohe Schlitze spalten die Röcke zwischen den Beinen; die Branche fand dafür das gefräßige Wort »Hummerscheren«.

Aber das Modevolk rings um die Laufstege redete sich nicht um Rockengen und -längen den Mund fusselig, sondern rätselte, ob die neuen Kleider, die da an ihnen vorbeitrabten, alten Kleidern aus den Jahren 1938, 1946 oder 1953 zum Verwechseln ähnelten.

Noch schamloser als drei Monate zuvor die Konfektions-Designer haben diesmal die Macher der großen Mode die Vergangenheit nachgeschöpft. Bei Lanvin, Dior und Givenchy griff man offensichtlich nur in die Firmenarchive und kopierte sich selber.

»Früher war Kreation die reine Erfindung von Neuem«, sinnierte der »Figaro« vergangenen Zeiten nach. Der »Express« fragte besorgt, »ob die Couturiers für die Kreation nur noch in den Rückspiegel starren«. Und »L'Aurore« befand, daß es zwar »die neue Küche, die neue Musik und schon eine neue Romantik gibt, aber gibt es auch eine neue Mode?«

Sogar Saint-Laurent tat sich nur an sich selber gütlich. Angekündigt hatte der 42jährige, »die besten Stücke« aus seinem 20jährigen Schaffen noch einmal herauszusuchen und modisch aufgeputzt als die »Kleider unserer Epoche« anzubieten.

»Aber Saint-Laurent«, lästerte nach dem Defilee Marietta Riederer von der »Zeit«, müsse während seiner Sucharbeit wohl »sehr traurig gewesen sein Denn durch seine roten Damastsalons in der Avenue Marceau schlichen am Donnerstag letzter Woche die Mannequins in Hosenanzügen, Buschjacken und Jackenkleidern in trübstem Schwarz und Dunkelblau.

Auch flitzten die Goldstifte des Panser Geldadels nicht wie sonst über die Bestellbücher. Kein Wunder, diese Kleider haben alle schon im Schrank.

Dabei hat der Modemann privat offenbar eine ganz andere Vorstellung von Kleidern für Leute von heute. »Richtig modern«, gestand Samt-Laurent eben in der amerikanischen Mode-Postille »W«, finde er »junge Frauen in T-Shirts, Blue jeans und mit sehr schönen Haaren«.

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