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MAGNETHAMMER Bizeps entbehrlich

aus DER SPIEGEL 43/1966

Das Gerät ähnelt einem elektrischen Bohnerbesen. Doch sein eben kochtopfgroßer und nur 16 Pfund schwerer Metallkorpus birgt Donnerkräfte: 325 000 PS, soviel wie 8000 VW-Motoren.

Mit Ehrenurkunden und je einem Scheck über 10 000 Mark honorierte Amerikas Raketenchef Wernher von Braun letzten Monat die Erfindungsgabe seiner beiden Mitarbeite Robert J. Schwinghamer und Leslie E. Foster, die sich den kraftstrotzenden Bohnerbesen haben einfallen lassen: Die Erbauer der Mondrakete kamen mit dem Ur-Werkzeug des Homo technicus, dem Hammer; nicht mehr zurecht. So ersannen sie einen neuen - den »magnetischen Hammer«.

In den 500 000 Jahren zwischen Faustkeil und lärmendem Preßlufthammer war das Prinzip des Schlagwerkzeugs unverändert beibehalten worden: Nägel und Nieten, Marmor, Stein und Eisen beugten sich dem Aufprall mechanischer Gewalt. Schwinghamers Hammer dagegen, der letzten Monat im Nasa -Raumfahrtzentrum Huntsville (Alabama) vorgestellt wurde, hat die rohe Kraft des Bizeps nicht mehr nötig.

Auf Millimeterbruchteile genau läßt sich der Schlag führen. Der langgestielte Hammer - er wird an einer Art Spatenstiel geführt - wird auf die Stelle des Werkstücks angesetzt, wo es eine Delle glattzuklopfen, eine Schweißnaht einzuebnen oder eine Niete einzusenken gilt.

Ein Bündel starker Stromkabel verbindet ihn mit einer abseits stehenden, seekistengroßen Batterie. Ein Druck auf den Schalter - und mit dem Knall einer explodierenden Granate saust der unsichtbare Schlag nieder, ohne daß sich der Hammer von der Stelle rührt: Im Bruchteil einer Sekunde hat sich zwischen Hammerkopf und Werkstück ein elektromagnetisches Feld aufgebaut, das selbst dicke Metallplatten planmäßig verformt.

Jeder Schlag läßt sich genauer dosieren, als es selbst der gefühlvollste Arm eines Werkmeisters vermöchte: Genau entsprechend der - beliebig einstellbaren - Spannung des Magnetfelds ändern sich Stärke und Richtung eines jeden Hammerschlages. Derzeitige Höchstleistung des magnetischen Hammers: 240 Millionen Watt - das entspricht fast der 2000fachen Wucht einer Fünf-Tonnen-Dampframme.

Der entscheidende Vorteil gegenüber herkömmlichen Schlaginstrumenten aber ist, daß trotz der enormen Schlagkraft des Geräts die Oberfläche des bearbeiteten Materials unversehrt bleibt: Die Zug- oder Stoßkraft des Magnetfelds entfaltet sich nur für so kurze Zeit, daß Veränderungen in der Materialstruktur nicht eintreten können (während die Bearbeitung mit mechanischen Hämmern das Material unter Umständen in seiner Festigkeit erlahmen läßt).

Die Nasa-Techniker sehen in Schwinghamers Schlagwerkzeug ein ideales Arbeitsinstrument für Astronauten. Denn bei dem Versuch, in schwerelosem Zustand ein mechanisches Klopfgerät zu benutzen, würden sich Raum-Handwerker von ihrem Arbeitsgegenstand abstoßen und davonschweben. Der rückstoßfreie Magnethammer dagegen kann auch unter Weltraumbedingungen eingesetzt werden.

Vorerst freilich hat sich das neuartige Instrument auf Erden bewährt - bei der Bearbeitung von Raketenwandungen, denen die höchste bislang in der Technik ausdenkbare Fertigungsgenauigkeit abverlangt wird.

Vor knapp zwei Jahren haben Schwinghamer und Foster in Wernher von Brauns Raketenwerkstatt Huntsville das Gerät zum erstenmal erprobt. Mittlerweile gehört der Magnethammer - nach dessen technischen Einzelheiten sich bereits mehr als 100 amerikanische und europäische Firmen erkundigten - zum ständigen Handwerkszeug der Raketenbauer: Mit früher kaum erreichbarer Präzision lassen sich Wölbungen in der Raketenhaut, Halterungen und Anschlußstutzen in den Raketentanks magnetisch in Form hämmern.

Einmal, erläutert Schwinghamer, konnten vier Wandungs-Segmente, die wegen unsauberer Verarbeitung schon für den Schrottplatz bestimmt waren, mittels magnetischer Behämmerung gerettet werden. Ersparnis: 480 000 Mark.

Raketen-Manager von Braun rechnete noch weiter. Bevor er Schwinghamer und Foster, die zuvor schon mit einem Johnson-Händedruck geehrt worden waren, den höchsten bisher in Huntsville ausgeworfenen Erfinderlohn überreichte, ließ er ausrechnen, was der Magnethammer der himmelsstürmenden Nation erspart hat.

Das Resultat rechtfertigte die beiden Ehrenschecks. Kosteneinsparung für Materialbearbeitung Im zurückliegenden Jahr: 8,5 Millionen Mark. Geschätzte Kostenersparnis für das gesamte Saturn-V-Projekt: 25 Millionen Mark - der Preis für eine Drittel Mondrakete.

Erfinder Schwinghamer (l.), Foster (r)*

Mit der Wucht von 2000 Dampframmen ...

Magnetischer Hammer

... ein unsichtbarer Schlag aufs Blech

* Mit Wernher von Braun bei der Preisverleihung in Huntsville.

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