Plagiat Blues vom Sängerknaben
Überraschende Wiederbegegnungen mit seinen eigenen Schöpfungen ist der Tonsetzer Roland Kovac durchaus gewohnt. Nur »um mal zu sehen, wie so ein Pornofilm aussieht«, erzählt Kovac gern, habe er einst auf der Reeperbahn ein einschlägiges Kino besucht, »und was glauben Sie: zur heißesten Szene gab es Musik von Kovac«.
Auf ganz ähnliche Weise ins Staunen geriet der 62jährige Komponist, als er zum erstenmal jene Popnummer im Radio hörte, die aus den deutschen Rundfunkstudios derzeit beinahe jede Stunde in den Äther gejagt wird: »Still Got The Blues« heißt der Song des nordirischen Gitarrenvirtuosen Gary Moore, und Roland Kovac gelangte gleich beim ersten Hörgenuß zu der Erkenntnis: »Das ist ja unglaublich! Die Melodie ist von mir.«
Das Lied, von dem Kovac glaubt, es habe dem Rocker Moore als Vorlage gedient, ist bereits 18 Jahre alt. Mit einem auf den 20. April 1972 datierten »Anmeldebogen für Urheber« hat der Wiener Komponist mit Wohnsitzen in München und am Luganer See den Titel »Dana« schützen lassen. Und dieses »Dana« klingt nicht nur für Laienohren dem Moore-Hit täuschend ähnlich, auch der Musikgutachter John O'Brien-Docker befindet in einem (von Kovacs Plattenfirma EMI in Auftrag gegebenen) Expertisenentwurf: »Sowohl die Harmonisierungen als auch die Melodie sind wie aus demselben Ei entsprungen.«
Bewiesen ist damit allerdings noch nichts. Per Anwaltsschreiben vom 13. Juli 1990 mit dem Vorwurf konfrontiert, bei »Still Got The Blues« handele es sich um eine »unberechtigte Übernahme«, verweist die deutsche Tochter von Moores Plattenfirma Virgin auf ein mittlerweile in England angefertigtes Gegengutachten: Die strittige Notenfolge sei »Bestandteil des musikalischen Vokabulars des Barocks« und etwa »bereits von Bach, Vivaldi und Händel verwendet« worden.
Virgin-Verlagsleiterin Gaby Urban hält einen Rechtsstreit um die strittige Tonfolge nun für »sehr wahrscheinlich« - der aber kann Jahre dauern. Das weiß man aus vergleichbaren Fällen, deren bekannteste wohl der Zwist um George Harrisons »My Sweet Lord« und der Justizhader um den Vorjahres-Sommerhit »Lambada« waren: Der musikwissenschaftliche Plagiatsnachweis ist ebenso langwierig wie mühselig. »Für einen Laien«, meint Verlagschefin Urban, seien die Tücken der Materie »kaum zu verstehen«.
Zu den für Außenstehende wundersamen Rätseln um »Dana« gehört es schon, daß Kovac sein Werk überhaupt wiedererkannte: Denn der kregle Komponist, in Kinder- und Jugendjahren Mitglied der Wiener Sängerknaben und später ein renommierter Jazz-Musiker, hat in den vergangenen 50 Jahren »weit mehr als 2000 Titel« komponiert. Der Vielzweckschreiber Kovac, wenngleich kein Klatschspalten-Held wie die Kollegen Ralph Siegel oder Frank Duval, gehört zu den Großverdienern im Geschäft mit der Unterhaltungsmusik.
Roland Kovac nämlich ist weniger als Schlagerdichter erfolgreich denn als Film- und Werbespot-Klangausstatter. »Mehr als 60« Langspielplatten mit derlei Gebrauchsmusik hat der Mann bislang in Umlauf gesetzt, in Hollywood-Filmen waren ebenso Kovac-Kompositionen zu hören wie in Werbespots für AEG-Geräte, 4711-Duftwasser und C & A-Garderobe. Auch der Song »Dana« wurde als gefällig arrangierter Klangschnipsel veröffentlicht, zunächst auf zwei LPs, deren eine »Cuts« betitelt war, 1988 dann auf einer Ohrwurm-CD mit dem Titel »Guitars Forever«.
Genau von diesem Sammelwerk nun, so vermutet der »Dana«-Autor Kovac, könnte Gary Moore die Grundmelodie zu seinem Blues-Hit entliehen haben. Und obwohl man sich bei der EMI erstmal nicht zum vermuteten Tonklau äußern will, gibt Kovac-Betreuer Hans Müller zu bedenken, daß »Guitars Forever« in »jedem gängigen Tonstudio, auch in England«, zum eisernen Bestand zähle. Roland Kovac, gesegnet mit der charmanten Durchtriebenheit des Schla-Wieners, gesteht derweil verschmitzt: »Ich habe ja erst gemerkt, wie gut meine Melodie ist, als der Moore einen Hit draus gemacht hat.«
Ganz anders urteilte indes Blues-Veteran John Mayall über die künstlerische Qualität von »Still Got The Blues«. Im deutschen Musik Express befand er: »Dieser Song paßt ausgezeichnet in die Empfangshalle eines typischen Hotels in Las Vegas. Wie heißt dieser Typ, der weder singen kann noch eine persönliche Note ins Spiel bringt? Auf jeden Fall hat er vom Blues nicht den blassesten Schimmer.«