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STARS Blut geleckt

Das deutsche Kino hat eine neue Attraktion: Gudrun Landgrebe, »Die flambierte Frau«. *
aus DER SPIEGEL 34/1983

Nach sechs überwiegend freudlosen Berufsjahren in der westfälischen Provinz löste die Künstlerin ihren Vertrag und begegnete dem »ganz, ganz großen Glück«

Sie hatte schrecklich gelitten am städtischen Schauspielhaus Dortmund, am aufgeblasenen »Gemäre und Gefasel« mediokrer Regisseure, am Spielplan, der »immer flacher und blasser« wurde. Sie fühlte sich »verbeamtet und aufgerieben«; zum Saisonende 1982 verließ sie das triste Institut. Und damit nahm das Leben der Schauspielerin Gudrun Landgrebe eine unverhofft lustvolle Wendung.

Denn zu jener Zeit fahndete der Berliner Regisseur Robert van Ackeren, ein bis dato nicht sonderlich zugkräftiger Kino-Ästhet, nach einer Darstellerin für sein neues Melodram »Die flambierte

Frau«. Ein frisches, noch »unverbrauchtes« Frauenantlitz »ohne störendes Image« schwebte ihm vor.

Gespräche mit Barbara Sukowa, Fassbinders »Lola«, und der Österreicherin Marie Colbin ("Die Reinheit des Herzens") waren erfolglos geblieben. Systematisch hatte van Ackeren deutsche Kleintheater und Off-Bühnen abgeklappert. Ein Photo in einem Schauspieler-Katalog brachte ihn schließlich auf eine grazile, sehr blauäugige Brünette, die er flüchtig schon in einigen »winzigen Fernsehrollen« gesehen hatte. Nach Probeaufnahmen erwählte er dann, unter 30 Mitbewerberinnen, die Dame mit der »intensivsten Kino-Ausstrahlung«, Gudrun Landgrebe.

So wurde sie die »flambierte Frau«, die Luxus-Dirne im Lederdreß, die Domina in der Folterkammer, die winselnde Masochisten peitscht und am Ende von ihrem Liebhaber in Brand gesteckt, flambiert wird. Seit zehn Wochen ist dieses bürgerliche Sittenstück, mit gut 600 000 Besuchern, ein deutscher Kino-Bestseller. Die Presse feiert Gudrun Landgrebe, 33, als »neuen Star am deutschen Filmhimmel« ("Quick"). Seit »Hanna Schygullas Maria Braun«, schwärmt »Die Zeit«, »hat es im deutschen Kino keine so eindrucksvolle Frauengestalt mehr gegeben«.

Gudrun Landgrebe genießt die Himmelfahrt. Sie hat »gejubelt« über solche Honneurs. Die Neugier der Medien findet sie »furchtbar spannend«, den Sprung aus der Dortmunder Anonymität zur umschmeichelten Atelier-Diva hat sie offenbar mühelos verkraftet. Selbstbewußt, kühl, sehr beherrscht - so forciert sie die Karriere.

Sie weiß, welche Publikation dem Fortkommen dient, auch wenn die Landgrebe-Storys mitunter reichlich »niveaulos« ausfallen. Und sie weiß auch und gesteht es frei, daß Flunkern zum Gewerbe gehört, lancierte Unwahrheiten hochgradig nützlich sein können. Gudrun Landgrebe, die Lady on the rocks, hat »Blut geleckt«.

Eine Ewigkeit, so scheint es, liegt die heillose Dortmunder Ära zurück. Unwirsch blockt sie Fragen nach biographischen Stationen ab, als sei es instinktlos, einen Star an ein ruhmloses, nichtiges Vorleben zu erinnern.

In Göttingen geboren, in Bochum aufgewachsen, in Köln drei Jahre auf der Schauspielschule, die üblichen Wanderjahre durch die Provinz, Bruchsal, Hof, Detmold und Pforzheim. Mit ihrem lieblichen »Püppchengesicht« becircte sie damals vor allem ältere Herren in den Theatervorständen und war als »niedliche und brave« Petite allgemein wohlgelitten. Damals träumte sie davon, eine Sarah Bernhardt auf Peter Steins glorioser Berliner Schaubühne zu werden, heute hält sie deren Produkte für verschwitztes »Kunsthandwerk«.

Es gab wenig in diesen Jungmädchen-Jahren, was den Ehrgeiz der Künstlerin Landgrebe zufriedenstellte. Sie spielte, mit Lust, die Susanne im »Tollen Tag«, die Desiree in Bruckners »Krankheit der Jugend«. Eine Ophelia war ihr auch schon vergönnt, allerdings in einer schaurigen Inszenierung.

Im Fernsehen ist Gudrun Landgrebe, seit 1971, gelegentlich in Kleindarstellungen beschäftigt worden. In der neudeutschen Kino-Komödie »Dabbel Trabbel« spielte sie eine tragende Rolle. Aber das Werk fiel gräßlich durch, unbeachtet verschwand sie wieder im rheinisch-westfälischen Niemandsland.

Als der Berliner Feinfühler van Ackeren ihr die »flambierte Frau« antrug, blieb sie zunächst reserviert. Denn nach der Dortmunder Demission hatte Gudrun Landgrebe sich für ein neues Engagement im niederrheinischen Moers entschieden, wo sie die Königin im »Hamlet« geben sollte. Der Ausstieg erschien ihr riskant, eine solide Existenz im Filmgeschäft zu unsicher. Van Ackeren sprach ihr gut und Mut zu, schließlich akzeptierte sie das verführerische Angebot.

In der »flambierten Frau« erkannte sie »massenweise« von sich selber wieder. Den »Entwicklungsprozeß« dieser Eva, die Verwandlung einer tödlich gelangweilten Bürgersfrau zur selbstbewußten Herrin, die unbarmherzig den traditionellen Unterdrückungs-Mechanismus umdreht und Männer unter die Knute nimmt, hat sie fasziniert nachempfunden. Wie Romy Schneider, sagt sie, spiele sie bevorzugt »normale Frauen in Ausnahmesituationen«.

Van Ackerens kühl-stilisiertes Melodram lebt von der statuarischen Schönheit dieser Schauspielerin, ihren gefrorenen Gesten, ihrer körperlichen Unnahbarkeit, wenn sie Bordell-Kunden nackt gegenübersteht, von ihrem mondänen Lächeln und den langen, leidenden Blicken. Gudrun, sagt van Ackeren, der sie genießerisch als sein Kunstgeschöpf betrachtet, »ist kein explosives schauspielerisches Temperament«, kein Sprengsatz wie etwa Elisabeth Trissenaar. Sie »braucht Stilisierung für ihre Kino-Wirkung und starke Regisseure«.

Einem Kraftmenschen ist Gudrun Landgrebe nun tatsächlich in die Hände gefallen. Burkhard Driest, Regie-Debütant und Schickeria-Macho, will mit ihr in der Hauptrolle im September die Geschichte der hübschen Rächerin Marianne Bachmeier verfilmen. Das Driestsche Drehbuch hat sie »total fasziniert«, Mutter Bachmeier fühlt sie sich so verbunden, daß sie meint, »sie könnte irgendwie meine Schwester sein«.

Ein Fiasko mit dem heiklen Stoff fürchtet Gudrun Landgrebe nicht, auch das blanke Entsetzen, das Insider beim

Namen des Regisseurs überkommt, verdrießt sie nicht.

Ihre Einsicht aus Dortmunder Bühnentagen, daß Traumrollen - unter widrigen Umständen - leicht zu »Alptraumrollen werden können«, hat sie, im Rausch der Karriere, womöglich doch in den Wind geschlagen.

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