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Artikel 53 / 70

»BMW IST EINE BRAUT, DIE TÄGLICH SCHÖNER WIRD«

aus DER SPIEGEL 37/1969

SPIEGEL: Herr Hahnemann, nach dem Zusammenschluß NSU-Audi-VW sind Sie und BMW die Kleinsten unter den deutschen Autoherstellern. Haben Sie nun Angst?

HAHNEMANN: Warum sollten wir uns fürchten? Nur, weil wir die Kleinsten sind? Unsere Autos, unsere zukunftssichere Konzeption, unser Erfolg auf dem Markt geben uns den Mut, keine Angst zu haben.

SPIEGEL: Ihre Autos sind ohne Frage ziemlich gut, wenngleich auch teuer genug ...

HAHNEMANN: Ein BMW der »Neuen Klasse« kann eben nicht ganz billig sein, denn er wäre dann kein BMW mehr. Die Sorte Autos gibt"s woanders.

SPIEGEL: ... aber ob das auf die Dauer genügt? Wir meinen, daß sich in dieser Zeit der Konzernbildungen auf dem Autosektor das Klima für die Chancen eines Kleinen im Alleingang rasch verschlechtern können. Ein Kleiner unter vielen Großen muß schon sehr flink sein, sonst gerät er ins Gedränge.

HAHNEMANN: Wir sind ja sehr flink, das weiß wohl jeder, und vor allem BMW-Fahrer wissen das. Außerdem können wir noch wachsen, und wir werden wachsen. Lassen Sie mich im übrigen wiederholen, was wir in einem Werbetext verbreitet haben: »Die Länge eines Fließbandes allein garantiert noch nicht die Größe einer Marke.«

SPIEGEL: Ihr Kollege mit dem längsten Fließband, VW-Chef Lotz, hat angekündigt, BMW würde nun bald von unten durch VW und von oben durch Mercedes-Benz in die Zange genommen werden ...

HAHNEMANN: ... ja, das hat er gesagt, aber Sie wollen mich doch wohl nicht mit einer Zange aus Wolfsburg bange machen?

SPIEGEL: Wir wollen Sie überhaupt nicht bange machen. Doch angesichts der Pläne und neuen Typen Ihrer Konkurrenten scheint uns, daß die schönen, sorgenlosen Tage von Milbertshofen nun bald vorüber sind.

HAHNEMANN: Da irren Sie gewiß. Unsere einzige Sorge wird weiterhin sein, daß wir nicht annährend so viele Autos bauen können, wie die Kunden verlangen.

SPIEGEL: Aber den Käufern bieten sich ja auch noch andere Möglichkeiten. Betrachten Sie nur mal die neuen Modelle, die nun auf der Autoausstellung in Frankfurt vorgestellt werden.

HAHNEMANN: Da ist nicht viel zu betrachten.

SPIEGEL: In der Tat gibt es nicht viel Neues zu sehen. Aber es wird deutlich, daß die Konkurrenten noch stärker als

* Mit SPIEGEL-Redakteuren Rudolf Glismann und Ferdinand Simoneit.

bisher dem Trend folgen, den BMW begründete und zu seiner General-Linie gemacht hat -- dem Trend zu sportlichen, wendigen und stark motorisierten Fahrzeugen. Das zeigt sich beim Volksporsche von VW-Porsche ebenso wie beim Audi-Coupé, dem neuen Ford 26 M mit 125 PS, dem gleichstarken Super-Capri der Kölner, dem verstärkten Commodore von Opel und -- wenn auch nicht für jedermanns Geldbeutel -- den beiden neuen 3,5-Liter-Versionen mit V-8-Motor und 200 PS von Daimler-Benz.

HAHNEMANN: Sie wollen offenbar darauf hinaus, daß die Konkurrenz uns vom Image her unterwandert, indem sie Wesenszüge von BMW -- insbesondere den hervorstechendsten Wesenszug der Sportlichkeit -- nachahmt.,.

SPIEGEL: ... ja, fast kopiert. Und an den gleichfalls in Frankfurt ausgestellten, nicht käuflichen oder wohl nur vorerst nicht käuflichen Schau-Autos, dem Mercedes-Benz C 111 mit Wankel-Motor, dem Opel Diplomat-Sportcoupé und dem offenen Aero-GT von Opel kann man ermessen, wohin die Reise geht.

HAHNEMANN: Sie sagten es: fast kopiert. Denn was sich heute schon an sportlichen Autos von den Großen auf den Straßen bewegt -- nehmen wir den Rallye-Kadett, den Opel GT, den Capri oder den Escort -, das möchte ich nicht als sportliche Fahrzeuge in unserem Sinne verstanden wissen, und das gilt auch für den kommenden Volksporsche. Wir nennen solche Autos Fransen-Autos. Schwieriger Einstieg, mangelnde Rundumsicht, geringer oder fehlender Kofferraum sind keineswegs gültige Kriterien für das, was wir als sportlich ansehen.

SPIEGEL: Uns scheint zweifelhaft, ob die Konsumenten das auch so sehen.

HAHNEMANN: Sie werden es sehen, und zwar rasch, und sie werden dann einen BMW kaufen und fahren. Nein, es geht den von Ihnen angeführten Konkurrenten nach meiner Ansicht strategisch nur darum, mit einer sportlichen Note das eigene Image aufzupolieren.

SPIEGEL: Aber diese Schein-Sportler, wenn wir sie mal so nennen wollen, gelangen mit Stückzahlen auf den Markt, von denen Sie nur träumen. Allein der Capri wird dieses Jahr auf 100 000 Exemplare kommen -- rund zwei Drittel der mutmaßlichen Jahresproduktion von BMW. Solche Erfolge nagen doch unweigerlich auch am Sport-Image von BMW, weil die Leute sehen, daß auch andere -- und billigere -- Autos sportlich-forsch auf der Überholspur mithalten.

HAHNEMANN: Das wäre sicherlich so, wenn sich das Image von BMW und die genau danach konzipierten Automobile nur auf die Sportlichkeit gründen würden. Aber wir haben die Integration Sportlichkeit und Komfort.

SPIEGEL: Die beanspruchen aber viele andere auch. Audi zum Beispiel preist den neuen Zweitürer Audi 100 LS als Juwel der »Sport-Komfortklasse« an.

HAHNEMANN: Wir haben dazu aber noch die Wesenszüge Vitalität, Handlichkeit, Jugend, Leichtfüßigkeit -- ein ganzes Bündel von Eigenschaften, die uns weltweit abheben von Autos, die danach als auch-sportlich auf den Markt kamen.

SPIEGEL: Glauben Sie wirklich, Herr Hahnemann, daß die Käufer auch so spitzfindig denken und erspüren, ein BMW 2002 sei wesentlich leichtfüßiger als etwa ein Opel GT 1900 oder ein simpler Mercedes-Benz 220, die beide wohl kaum als Schwerfuß-Autos gelten können?

HAHNEMANN: Wir wissen, daß diese Eigenschaften, die sich zu der Formel »Freude am Fahren« summieren und den Tenor unserer Werbung bilden, dem BMW zuerkannt werden. SPIEGEL: Wie stellen Sie das fest?

HAHNEMANN: Es gibt inzwischen Verfahren, das subjektive Fahrerlebnis zu vermessen. Und da zeigt sich in der Tat, daß die Fahrer nach nur ganz kurzer Kontaktnahme mit einem Auto Wesensverschiedenheiten zwischen dem 2002, den Sie gerade erwähnen, und einem der sportlichen Konkurrenzprodukte deutlich erleben.

SPIEGEL: Das wird doch einen Automobilisten kaum dazu bringen, seinen Rallye-Kadett oder Fiat 125 zu verkaufen und auf einen 1600 oder 2002 umzusteigen.

HAHNEMANN: Natürlich ist ein Mann, der eben gekauft hat, etwa für die nächsten zwei Jahre für eine andere Marke tot. Aber bleiben wir doch mal bei den Beispielen. Nehmen Sie einen Opel GT, ich wähle dieses Automobil, weil es heute ja schon auf der Straße sichtbar ist, und nehmen Sie einen 2002 TI. Ein Fahrer des GT wächst aus diesem Auto heraus. Wenn er heiratet und Familie bekommt, ist der GT kein Auto mehr für ihn, wohl aber der 2002 TI. Wir erlebten das ja schon bei Porsche. Diese rein sportlichen Typen, wie auch der Volksporsche, haben erfahrungsgemäß nur einen sehr begrenzten Markt und dienen uns als Aufsteiger.

SPIEGEL: Welches Konkurrenz-Modell würde dem typischen BMW-Fahrer die meiste Achtung abnötigen?

HAHNEMANN: Ich glaube, das ist kein deutscher Wagen, sondern ein Italiener, der Alfa.

SPIEGEL: Welches deutsche Konkurrenz-Modell würde denn am ehesten zum BMW-Fahrer passen?

HAHNEMANN: Ich wüßte keines. Das ist ja gerade das Besondere an BMW: Wir versuchten, bei der Placierung unserer »Neuen Klasse« eine Nische auszunutzen, die zunächst dadurch definiert ist, daß die psychologische Distanz zu allen Konkurrenz-Produkten möglichst groß ist, die einfache Austauschbarkeit für den einzelnen Fahrer also dann nicht mehr in dem Maße gegeben ist.

SPIEGEL: Ihre Behauptung, Sie sähen keine deutsche Konkurrenz, scheint uns so etwas wie der Hochmut des Erfolgreichen zu sein. Beispielsweise ist doch der Audi 100 auch für Sie eine spürbare Konkurrenz.

HAHNEMANN: Ich möchte mich natürlich gegen den Vorwurf verwahren, hochmütig zu sein. Zweifellos ist auch der Audi eine Konkurrenz. Letztlich macht jedes Automobil, das neu auf den Markt kommt, sogar ein schlechtes, im Sinne der totalen Konkurrenz einem anderen irgendwelche Marktanteile streitig. Nun, unser Erfolg hat uns jedenfalls nicht hochmütig gemacht.

SPIEGEL: Die Münchner Autobauer waren gleichsam die Wunderkinder der Rezession. Die anderen drosselten, legten Feierschichten und Kurzarbeit ein, BMW gab Vollgas.

HAHNEMANN: Schön, aber heute ist unser Problem, mit dem Erfolg fertig zu werden. Er zwingt uns, immer weiter zu expandieren, immer mehr zu investieren. Er stellt uns vor große Schwierigkeiten, gerade im Augenblick, wo wir dabei sind, in die Grollserie zu gehen, wo wir sogar langsam, aber sicher konzernpolitisch denken müssen. Denken Sie an unsere Achse München-Landshut-Dingolfing. Denken Sie daran, daß wir Berlin-Spandau haben. Wir sind nicht mehr die ganz kleine Fabrik, die wir noch im Jahre 1960 oder 1961 gewesen sind. Das macht uns viel mehr Kopfzerbrechen als die Lage auf dem Markt.

SPIEGEL: Jetzt können Sie offenbar nicht so schnell wachsen, wie Sie möchten.

HAHNEMANN: Sehen Sie, wir haben Lieferzeiten beim 1600er und beim 2002 von etwa sechs Monaten, Autos, die dieselbe Grundkonzeption haben, die in sich selbst etwa bis zu 90 Prozent integriert sind. Seit zwei Jahren möchten wir auf derselben Basis einen dreitürigen Kombinationswagen »Touring« herausbringen. Ich habe meine Kollegen davon überzeugt, daß es wirtschaftlicher Unsinn wäre, es zu tun.

SPIEGEL: Warum?

HAHNEMANN: Dieses Auto ginge mit sämtlichen Stückzahlen zu Lasten der Kapazität der anderen, die wir auch schon nicht liefern können.

SPIEGEL: Heute, mitten im Auto-Boom, haben natürlich auch die anderen Lieferfristen und Kapazitätssorgen. Andererseits haben Sie, Herr Hahnemann, so gigantische Pläne entwickelt, daß Sie schon festlegten, wo BMW im Jahre 1975 stehen soll. Dann wollen Sie die Produktion von heute 600 auf 1000 Autos am Tag gesteigert haben. Wie wollen Sie das bewältigen?

HAHNEMANN: Durch den Ausbau der Werke München und Dingolfing. München wird konzentriert auf Prellwerk, Rohkarosserie, Motorenbau, Lackiererei und Endmontage. Alles andere kommt raus. Dingolfing wird Zulieferer für die Mechanik. Denken Sie an das Stuttgarter Mercedes-Modell: Untertürkheim für Mechanik, Sindelfingen für die Karosserie und die Endmontage. Das ist ungefähr dasselbe. Für Landshut könnte ich mir denken, daß wir dort unseren Karosseriebau erweitern.

SPIEGEL: Vor drei Jahren übernahmen Sie die Firma Glas und sicherten sich einen ansehnlichen Zuwachs an Leistungsfähigkeit. Damals bot sich Ihnen doch noch eine zweite, viel bessere Chance. Wir meinen die Fusions-Gespräche mit NSU. Hat »BMW da nicht eine großartige Gelegenheit, die Kapazität auszuweiten und sich gegen die Großen besser zu sichern, verpaßt? Hätten Sie zugegriffen, brauchten Sie heute nicht um Ihren Touring-Dreitürer zu trauern, für den auf BMW-Fließbändern kein Platz ist.

HAHNEMANN: Ja, die Gespräche fanden statt, und zwar kurz nachdem wir Glas gekauft hatten. Aber das war zu Beginn der Rezession. Finanzexperten hatten damals immerhin schon das Engagement Glas als tödlich für BMW bezeichnet.

SPIEGEL: Das war ein Volumen von 50 Millionen.

HAHNEMANN: Viel mehr, wenn Sie alle notwendigen Investitionen zusammenfassen, sicherlich mehr als 120 Millionen. Es war uns damals zu riskant, ein weiteres Engagement einzugehen.

SPIEGEL: Heut es Sie denn heute, daß Sie den großen Rappen NSU damals nicht gleich mitgeschnappt haben?

HAHNEMANN: Wenn ich damals gewußt hätte, wie es laufen würde, dann hätten wir die Gespräche sicher sehr viel ernsthafter geführt.

SPIEGEL: Als Mitte 1967 die Flaute vorbei war, hätten Sie doch einen zweiten Anlauf nehmen können. Damals war NSU noch nicht festgelegt.

HAHNEMANN: Aber wir waren mitten in der Arbeit, Glas umzugestalten.

SPIEGEL: Es war zu erkennen, daß Sie es verkraften konnten.

HAHNEMANN: Richtig, aber wir waren innerhalb der BMW-Verwaltung nicht einmütig der Auffassung, daß es so reibungslos gehen würde.

SPIEGEL: Hatten Sie auf Ihrer Suche nach neuen Kapazitäten nicht auch Gespräche mit Lancia in Turin?

HAHNEMANN: Ja, vor mehr als einem Jahr verhandelten wir in Anwesenheit eines Vertreters des Heiligen Stuhls, der ja mit 35 Prozent bei Lancia beteiligt ist, mit dem Lancia-Großaktionär, Herrn Pesenti. Wir haben die Werke besichtigt. Aber die Übernahme erschien uns aus verschiedenen Gründen zu teuer.

SPIEGEL: Waren die Schulden zu hoch?

HAHNEMANN: Auch die Schulden waren nach unserer Meinung beträchtlich.

SPIEGEL: Wir hörten von 600 Millionen Mark -. ist das eine Größenordnung mit realem Hintergrund?

HAHNEMANN: Über die Bilanzen von Lancia möchte ich nicht sprechen. Grundsätzlich, das muß ich zugestehen, reizte mich Lancia sehr.

SPIEGEL: Wegen des großen Namens?

HAHNEMANN: Lancia, ähnlich wie Alfa Romeo, hätte vom Image und der Reputation her sehr gut zu BMW gepaßt.

SPIEGEL: Ist denn Ihr Techtelmechtel mit den Turinern nun endgültig beendet.

HAHNEMANN: Ich glaube ja. SPIEGEL: Sie haben auch bei Amerikanern vorgefühlt und erwogen, ob nicht in Amerika für den US-Markt BMW-Autos gebaut werden könnten.

HAHNEMANN: Ja, das wäre ein weiterer Weg, der Kapazitätsenge, in der wir uns befinden, zu entkommen; die Amerikaner machen das in Europa und überall so, und wir meinten, nach diesem Muster müßte man in den USA mindestens ein BMW-Modell bauen können.

SPIEGEL: Mit wem haben Sie verhandelt?

HAHNEMANN: Dazu möchte ich mich nicht äußern.

SPIEGEL: Was haben Sie erreicht?

HAHNEMANN: Nichts. Keine Kapazitäten, weder an Gebäuden, noch Gelände, noch Maschinen, aber auch keine Menschen. Ein wesentlicher Grund war die Kostenfrage. Aber es wäre ohnehin wohl schon daran gescheitert, daß man mir glaubhaft versicherte, bei dem Ausbildungsstand des amerikanischen Arbeiters wäre ein Automobil von BMW-Qualität nicht herzustellen.

SPIEGEL: Um wieviel wäre ein in den USA gebauter BMW teurer geworden?

HAHNEMANN: Wir haben das gar nicht erst auskalkuliert. Die Arbeitszeit allein hätte ihn rund 100 Dollar teurer gemacht.

SPIEGEL: Gab oder gib es noch andere Auslandskontakte von BMW auf dieser Linie?

HAHNEMANN: Ja. mit Ländern hinter dem Eisernen Vorhang.

SPIEGEL: Dürfen wir erfahren, mit welchen?

HAHNEMANN: Darüber möchte ich nicht reden. Ich glaube aber nicht, daß wir groß genug sind, um so etwas realisieren zu können. Das scheitert jeweils an der Finanzierung.

SPIEGEL: Sie könnten keine Fiat-Fabrik an der Wolga bauen.

HAHNEMANN: Nein, vor allen Dingen, weil die deutsche Regierung im Gegensatz zu Italien nicht bereit ist, so ein Projekt zu finanzieren.

SPIEGEL: Da Sie mit Einzelheiten zurückhalten, vermuten wir, daß Ihre Ost-Pläne noch nicht endgültig begraben sind.

HAHNEMANN: Wir begraben so schnell nichts. Aber bedenken Sie bitte, daß wir im Augenblick noch eine ganze Menge von eigenen Investierungen zu tilgen haben. Unsere eigenen Erweiterungspläne verlangen für die nächsten drei Jahre je 200 Millionen. Das ist schon ein Brocken für BMW.

SPIEGEL: Ihr strategisches Konzept war doch bisher, nach Ihren eigenen Worten »wie Partisanen im Busch« zu operieren, um den Großen des Marktes nicht ins Gehege zu kommen. Sie zielten mit Ihren Typen in die Lücken der Konkurrenzprogramme und siedelten sich in Nischen an, die sich dann erstaunlich weiteten. Mit Ihrer Erweiterung auf eine 1000-Auto-Fabrik werden Sie wohl kein ganz Großer, aber doch ein wesentlich Größerer als heute. Gilt dann die Nischen-Masche nicht mehr?

HAHNEMANN: Wir bleiben in den Nischen. Der Automarkt wird zwar noch erheblich wachsen. Nach den Prognosen werden wir bis 1975/1980 rund 18 Millionen Personenwagen auf der Straße haben, nach anderen Schätzungen sogar 20 bis 22 Millionen. Jetzt haben wir zwölf Millionen. Der Marktanteil von BMW wird dann aber bei 1000 Automobilen pro Tag nicht größer sein als heute bei 600.

SPIEGEL: Sie bleiben also Partisanen.

HAHNEMANN: Wir bleiben es auch im Marktanteil. Fünf oder sechs Prozent, mehr wird es kaum werden.

SPIEGEL: Ihre Modelle sind nach Leistung und Preis keine Autos für Führerschein-Frischlinge. Woher räubern Sie Ihre Käufer?

HAHNEMANN: Bei unseren kleinen Fahrzeugen hauptsächlich von VW, Opel und Ford, dann nach oben hin immer mehr zu Opel und Ford übergehend, zu den Fahrern der teureren Typen Rekord Commodore, 17 M und 20 M. Es sind

zumeist Fahrer. denen der Weg zum Mercedes 250 zu weit, der Mercedes 200 aber zu müde war oder ihrem Empfinden nicht genügte. Da fangen wir den Stuttgartern also Aufsteiger weg. Weiter haben wir bei den Sechszylindern etwa zehn bis zwölf Prozent Umsteiger von Daimler-Benz. Aber wir geben auch Aufsteiger an Daimler-Benz ab, denn zumindest nach Stückzahlen gehen genauso viele BMW-Fahrer zu Mercedes über.

SPIEGEL: Daß BMW-Fahrer zu Mercedes-Benz aufsteigen, finden wir etwas überraschend, denn Sechszylinder-Modelle mit mehr Leistung finden sie doch auch bei Ihnen.

HAHNEMANN: Ja, aber erst seit einem halben Jahr. Die Statistiken haben daher noch keinen sicheren Aussagewert.

SPIEGEL: Wer aber mehr will als 2,8 Liter, ist für die BMW-Familie verloren. Werden Sie aufstocken und einen ganz großen BMW bauen, wie BMW ihn früher hatte?

HAHNEMANN: Ich glaube nicht. Wir als kleine Fabrik wollen uns davor hüten, in ein Modell-Chaos zu geraten. Wir haben drei Grundmodelle. Zunächst den Zweitürigen, dann den Viertürer, mit Vierzylindermotoren von 1,6 Liter, 1,8 Liter und zwei Liter. Und wir haben die Sechszylinder mit 2,5 und 2,8 Liter. Es ist aber durchaus denkbar, daß die Maschinen noch größer werden.

SPIEGEL: Das ist doch auch schon etwas. Wir hörten von einem Achtzylindermotor mit 3,5 Liter und über 200 Pferden.

HAHNEMANN: Sie wissen, wie länge es dauert, einen Motor zu entwickeln. Um jedem Risiko zu entgehen, haben wir -- das gebe ich zu -nach dieser Richtung fix und fertige Pläne ...

SPIEGEL: ... bis zur Fünf-Liter-Maschine?

HAHNEMANN: Ich möchte mir verkneifen, in die Details zu gehen.

SPIEGEL: Ein V-8-BMW mit 3,5 Liter wäre eine Antwort auf die neuen Mercedes-Varianten gleichen Hubraums, die jetzt in Frankfurt vorgestellt werden. So ein Auto würde die Stuttgarter, denen die Leuchtkraft ihres »Guten Sterns« bekanntlich über alles geht, bis zur Weißglut reizen. Herausgefordert haben Sie die Firma ja ohnehin schon und sich dabei -- entgegen aller Partisanen-Taktik -- offen mit einem Großen angelegt, einem Großen, der in den nächsten drei Jahren die Kleinigkeit von 2,4 Milliarden Mark investiert. Wir bezweifeln, ob das sehr klug von Ihnen war.

HAHNEMANN: Das war ein bißchen viel auf einmal. Wie soll ich das verstehen?

SPIEGEL: Als NSU den Ro 80 präsentierte, fragten wir beim Mercedes-Verkaufsdirektor Staelin an, ob Mercedes-Benz den Wagen als gefährlichen Konkurrenten fürchte. Seine Antwort: »Nein, nur wenn BMW ein so großes Auto herausbrächte, würden wir uns fürchten.« Dann hat BMW ein so großes Auto herausgebracht, gleich zwei, und mit den gleichen Hubräumen wie entsprechende Mercedes-Typen: den BMW 2500 gegen den MB 250, den BMW 2800 gegen den MB 280.

HAHNEMANN: Aber unsere Sechszylinder haben das Daimler-Benz-Geschäft nur sehr unwesentlich beeinträchtigt. Wir haben in diesem ersten halben Jahr jedenfalls weniger Sechszylinder auf die Straße gebracht, als es der Zunahme dieser Marktklasse entsprach. Das heißt, für Mercedes und Opel blieb auch noch ein Plus übrig.

SPIEGEL: Ist nicht der 250er Mercedes zurückgegangen?

HAHNEMANN: Ein wenig, dafür wurden aber ungleich viel mehr 280er verkauft. Außerdem: Glauben Sie nicht, daß die Zulassungsziffern echte Aussagekraft haben. Sie werden oft gesteuert.

SPIEGEL: Wann zum Beispiel?

HAHNEMANN: Wenn der Export aus irgendeinem Grunde gefördert werden muß, und es sind keine Kapazitäten mehr vorhanden, gehen die Zulassungen zurück. Oder eine Firma fördert die Produktion eines profitträchtigeren Autos zu Lasten eines Typs, der im Ergebnis schwächer ist. Wir haben zum Beispiel einmal den 1600er zurückgenommen zugunsten des 2002. Das teurere, aber schneller lieferbare Auto wurde daraufhin von den Kunden bevorzugt, so daß es heute bei uns das meistgefragte Auto ist.

SPIEGEL: Mit Daimler-Benz haben Sie aber Schlimmeres angestellt, als der Firma ein paar Aufsteiger wegzuschnappen. Sie haben den Mercedes-Fahrern endgültig die linke Fahrbahn streitig gemacht, und das nehmen die übel. Wie anders soll man Ihre großen Wagen sonst deuten, wenn nicht als Anti-Mercedes-Wagen, noch dazu mit dem exakt gleichen Hubraum?

HAHNEMANN: Das stimmt, wenn man nur Produkt zu Produkt vergleicht.

SPIEGEL: War das Zufall?

HAHNEMANN: Reiner Zufall. Es ist ein Ergebnis unserer Nischen-Politik. Denn der 2,5-Liter-BMW oder der 2,8-Liter-BMW sind andere Autos, die anders erfühlt, erfahren, empfunden werden als der 2,5-Liter-Mercedes oder der 2,8-Liter-Mercedes. Unsere psychologische Marktnische wird hier besonders deutlich erkennbar, weil diese beiden Autos in der Tat akkurat den gleichen Hubraum haben.

SPIEGEL: Und das war keine Absicht?

HAHNEMANN: Ich wiederhole: nein.

SPIEGEL: Wir möchten auch wiederholen und sagen: wirklich ein merkwürdiger Zufall.

HAHNEMANN: Wir haben an Mercedes überhaupt nicht gedacht, als wir dieses Auto entwickelten. Das hätte genausogut auch ein 2,6-Liter sein können. Wir hatten zuerst vor, einen 2,2-Liter zu bauen. Davon kamen wir ab, um bei den Mercedes-Benz-Leuten den Eindruck zu vermeiden, wir wollten genau in ihre Klasse reinfahren.

SPIEGEL: Und damit bei Mercedes so ein Verdacht gar nicht erst aufkommen konnte ...

HAHNEMANN: ... haben wir den 2,5-Liter gemacht, so war das ...

SPIEGEL: ... eben ...

HAHNEMANN:... und zwar vor allem, weil jedes Automobil eine genaue Abstimmung zwischen Maschine und Gewicht braucht. Wir sind ja nicht zuletzt deshalb so berühmt mit unseren Autos in aller Welt, weil wir das abgestimmte Automobil bauen. Wahrscheinlich ist uns Daimler-Benz in der Qualität noch eine Nasenlänge voraus. Das ist auch einfacher, wenn man, wie die Stuttgarter, schwerer baut. Aber in der Feinabstimmung können wir es gewiß mit jedem Wettbewerber aufnehmen.

SPIEGEL: Was immer hier auch abgestimmt wurde -- in der Öffentlichkeit werden Ihre großen Autos als bewußt so konzipierte Anti-Mercedes-Wagen betrachtet. Das finden nebenbei auch die Autotester, wie zum Beispiel der Stuttgarter Dieter Korp. Er schreibt, wir dürfen zitieren: »Da besteht kein Zweifel: Der BMW 2500 und sein hubraumgrößerer und stärkerer Bruder, der 2800, sind von geschickter Hand als Anti-Mercedes auf die Straße gesandt worden.«

HAHNEMANN: Wir werden von jedem Tester, ob in Europa oder in Amerika, mit Mercedes verglichen. Das ist ganz klar, weil es eben bisher außer dem Mercedes ein solches Auto nicht gegeben hat.

SPIEGEL: Wirklich gekränkt haben Sie die Stuttgarter anscheinend durch offenbar systematisch betriebenes öffentliches Sticheln gegen das Mercedes-Renommee. Sie haben die Leute ja förmlich verfrotzelt und an ihrem Image herumgekratzt.

HAHNEMANN: Dagegen möchte ich mich verwahren, wie meinen Sie das?

SPIEGEL: Sie haben beispielsweise in BMW-Werbetexten Ihre Schräglenkerhinterachse gelobt, als Daimler-Benz solche Achsbauart noch nicht hatte. Ihr Text schloß damals mit der unzweifelhaft an Mercedes-Benz gerichteten Aufforderung: »Nachbau wird empfohlen.« Weiter ließen Sie in öffentlichen Fachdiskussionen durchblicken, der Mercedes sei eher ein Wagen für Chauffeure, nicht aber für jugendliche Sportnaturen. Sie bezweifelten, ob ein Diesel sexy sein könne.

HAHNEMANN: Zugegeben, es gab eine Phase, in der unsere Art des Werbens, die eine -- wenn ich so sagen darf -- sogar meine Art des Verkaufens ist, etwas Unruhe stiftete ...

SPIEGEL: ... und schließlich zu einer regelrechten Kontroverse führte. Denn die Herren bei Mercedes-Benz haben ihre vornehme Zurückhaltung inzwischen aufgegeben und Breitseiten gegen BMW abgefeuert. Mercedes bezeichnete den durchschnittlichen BMW-Fahrer als kaum jünger im Vergleich zum eigenen Fahrerdurchschnitt. In der Werkzeitschrift »Scheinwerfer« wurden die Mercedes-Verkäufer zum Kampf gegen BMW präpariert.

HAHNEMANN: Wenn der »Scheinwerfer«, der übrigens nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist, oder (der Mercedes-Vorstands-Sprecher) Herr Dr. Zahn den Jugend-Appeal der beiden Automobile erörtern und angeben, der Daimler-Fahrer sei durchschnittlich 47 Jahre, der BMW-Fahrer 45 Jahre alt, so möchte ich ein wenig korrigieren. Nur der Fahrer eines Zwei-Liter-BMW ist im Durchschnitt 45 Jahre alt. Das Durchschnittsalter aller BMW-Fahrer beträgt 39,8 Jahre. Aber dieser Vergleich ist irreführend. Es gibt sehr jugendliche Menschen von 50 und 60 Jahren, die auch von jedermann als jugendlich empfunden werden. Das Image »Jugendlich« und »Jugend« ist bei BMW so ausgeprägt, weil auch diese Leute den BMW fahren.

SPIEGEL: Mercedes-Benz mokiert sich über Ihre Werbeargumente »Leichtfüßige Sportlichkeit«, »Überschäumendes Temperament« und »Vitalität«. Die Firma wirft Ihnen sogar vor, einen »Fahrer-Patriotismus« zu züchten und durch Hervorheben überlegener Spurtkraft »Gefahren auf die Straße« zu bringen. Zu Ihrem großen BMW sagt Mercedes, er sei in seiner Konzeption nicht neu, im Raum- und Komfort-Angebot nicht groß und außerdem nicht -- was Sie hervorheben -- vital.

HAHNEMANN: Das ist ja fast wie bei Strauß und Augstein. Die Wesens-Züge, die wir unseren Automobilen gegeben haben, werden von den Käufern richtig verstanden. Was hier gesagt wird von Daimler-Benz~ bestätigt nur unsere Konzeption. Wir wollen ja kein großes Auto bauen, sondern wir wollen einen BMW bauen. Den Vorwurf, wir würden einen Fahrer-Patriotismus züchten, kann man fast als böswillig empfinden. Wir sagen doch nur, daß man mit einem guten Fahrwerk und hoher Motorleistung einem Unfall besser aus dem Wege fahren kann.

SPIEGEL: Da haben die Stuttgarter aber nicht ganz unrecht. Mit dieser Art Werbung haben Sie bei manchem Fahrer fraglos ein gewisses Überlegenheitsgefühl ausgelöst, das sich auch verhängnisvoll auswirken kann. Er mag denken, mit seinem Elite-Gefährt könne ihm nichts passieren, Schräglenkerhinterachse und spurtstarker Motor würden es schon schaffen. Aber ein schwacher Fahrer -- daran haben wir in Deutschland doch keinen Mangel -- bleibt auch auf einem sehr guten Auto ein schwacher Fahrer.

HAHNEMANN: Wir haben festgestellt, daß BMW-Fahrer im allgemeinen gute Fahrer sind. Aber um auch mit dieser Werbung nicht mißverstanden zu werden, wollen wir vom nächsten Jahr an jedem Automobil ein Handbuch »Haben Sie das nötig?« beilegen. Es sagt, wie wir uns die Fahrweise der BMW-Fahrer wünschen.

SPIEGEL: Sie wollen die übercouragierten BMW-Fahrer bremsen.

HAHNEMANN: Wir wollen vor allen Dingen verhindern, daß auf BMW auch Krawallfahrer herangezüchtet werden.

SPIEGEL: Ihr großer Konkurrent, der Mercedes-Benz, hat sich im Vorstellungsbild der Automobilisten offenbar gewandelt. In der Branche, so schrieb Motor-Schriftsteller Ernst Hornickel, gehe bereits das schlimme Wort von »Opas Mercedes« um. Sie, Herr Hahnemann, haben eigentlich viel getan, um diesen Image-Abstrich des Mercedes-Benz hervorzuheben. Haben Sie nicht sogar durchblicken lassen, der Mercedes-Stern« das Hoheitszeichen deutscher Auto-Herrlichkeit, fahre auf einem Opa-Auto spazieren?

HAHNEMANN: Das habe ich nicht getan, obwohl ich nicht bestreiten möchte, daß unsere Werbung, aber auch meine persönliche Aktivität in Vorlesungen sehr dazu beigetragen haben, daß man ein Automobil Opas Auto nennt. Ich habe beispielsweise dem Oppositionsführer des Deutschen Bundestages, Herrn Walter Scheel, einen Sechszylinder verkauft und habe ihn gefragt: »Sagen Sie, Herr Scheel, wie kommen Sie eigentlich dazu, einen BMW zu nehmen? Ihnen würde doch ein Mercedes stehen.« Da sagte er: »Herr Hahnemann, der Oppositionsführer des Deutschen Bundestages kann doch kein Establishment-Auto fahren.«

SPIEGEL: Kann man es auch so verstehen, daß Sie sich als die Opposition des deutschen Auto-Establishments fühlen, die Apo, wenn Sie so wollen?

HAHNEMANN: Man kann es so verstehen, wenn man die Apo oder Opposition in der Richtung fortschrittlich, angriffslustig versteht ...

SPIEGEL: ... aber auch gelegentlich mal Tomaten.

HAHNEMANN: Ich wüßte nicht, daß wir mal Tomaten geschmissen hätten.

SPIEGEL: Wenn Sie den Mercedes zum Chauffeur-Auto stempeln -- das sind schon Tomaten, wenn nicht Farbeier.

HAHNEMANN: Das wird nur von Empfindlichen so empfunden.

SPIEGEL: Das kommt auf den an, der die Kleckse auf den Anzug kriegt.

HAHNEMANN: Ich habe so etwas beispielsweise beim Baden-Badener Unternehmergespräch oder an der Universität Stuttgart oder in der Nürnberger Akademie für Absatzwirtschaft gesagt, um überspitzt zu formulieren, was den Mercedes vom BMW abhebt, aber doch nicht, um anzugreifen. Und wenn ich dabei gefragt wurde: Was unterscheidet denn nun den Marktanführer Mercedes vom BMW, dann sagte ich: Ein BMW ist konzipiert für einen, der selbst noch fahren will, wenn er Freude am Fahren hat. Ein Bankdirektor freilich kann es sich nicht leisten, mit einem anderen Auto zu fahren als mit einem Mercedes. Überhaupt müsse man sich fast genieren, wenn man in einen Mercedes steigt und keinen Chauffeur dabei hat.

SPIEGEL: Was meinen Sie, wie gerne die Herren in Untertürkheim das hören. Es ist wohl aber auch so, daß mit dem Daimler-Benz-Image irgend etwas nicht in Ordnung ist. Was?

HAHNEMANN: Da spielen der Diesel, die Taxis und die Anhängerkupplungen eine Rolle. Der große Feind der Exklusivität sind die hohen Stückzahlen und die Gebrauchtwagen. Das Problem ist vielschichtig. Es ist eine Frage des Image. Daimler-Benz ist davon stark betroffen. Und zwar geht es gegen die Väter- oder Großväter-Generation. Und es geht auch gegen die Wohlstandsgesellschaft. Daimler-Benz wird damit identifiziert. Daimler ist das Statussymbol. Darunter haben die Stuttgarter eine Menge zu leiden. Wir sind die Nachgekommenen. Jeder weiß von uns, daß es uns dreckig gegangen ist.

SPIEGEL: Würden Sie denn einem Viehhändler, der ja wohl eine Anhängerkupplung braucht, einen BMW verweigern?

HAHNEMANN: Natürlich nicht.

SPIEGEL: Und es gibt doch auch jede Menge BMW mit einem Haken dran, mit einer Anhängerkupplung.

HAHNEMANN: Wenn man so einen Mercedes mit Anhängerkupplung sieht, dann assoziiert man doch -- auch wenn man nicht darüber nachdenkt, rein fühldenkerisch: Das ist ein wohlhabender Handwerker oder ein kleiner Unternehmer etwa. Aber wenn es ein BMW ist, dann drängt sich ein anderes Bild auf: Aha, der hat eine Segeljacht oder ein Motorboot oder einen Wohnwagen. Nun, trotz der Kontroverse, wie Sie es nennen, stehen wir mit unseren Vorstandskollegen bei Daimler-Benz in bestem Einvernehmen. Der Frieden zwischen beiden Häusern war, jedenfalls auf Vorstandsebene, nie gestört. Wir haben eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit den Stuttgartern. Ich stehe in engem Kontakt mit den Vorstandskollegen von Daimler-Benz.

SPIEGEL: Handelt es sich um echten Austausch technischer Erfahrungen oder nur um freundschaftliche Gespräche bei einem Rehrücken?

HAHNEMANN: Es gibt auch Austausch von technischen Erfahrungen.

SPIEGEL: Welcher Art?

HAHNEMANN: Wir studieren beispielsweise bei Mercedes-Benz die Art und Weise der Terminkontrolle. Es gibt Austausch-Ingenieure. Die Stuttgarter stellen uns auch öfter mal ihre Versuchsbahn zur Verfügung. Allerdings -- und damit beantworte ich vermutlich eine Ihrer nächsten Fragen vorweg -- für Kooperation, die in eine Fusion einmünden könnte, gibt es keine Anzeichen. Das wäre aber ohnehin Sache der Aktionäre.

SPIEGEL: Herr Hahnemann, Sie sind der erfolgreiche Außenseiter und Alleingänger, fast möchten wir sagen: der Rudolf Münemann der Autobranche. Aber ein großer Fehlschlag würde wohl das Ende der Firma bedeuten. Sie haben für dieses Jahr 35 000 Sechszylinder eingeplant. Stellen Sie sich einmal vor, die kämen im Markt nicht an.

HAHNEMANN: Das habe ich mir nie vorgestellt, sondern ich habe mir vorgestellt, daß sie schon im ersten halben Jahr verkauft werden. Und das ist auch eingetreten.

SPIEGEL: Wie schützen Sie sich gegen einen Fehlschlag oder plötzlich eintretenden Absatz-Rückgang in einer Ihrer Klassen?

HAHNEMANN: Dafür sind wir gewappnet. Wir haben Pannenpläne entwickelt. Wir können -- und das ist wieder ein Vorteil der kleinen Firma in ihrer Flexibilität -- recht schnell reagieren.

SPIEGEL: Wie schnell?

HAHNEMANN: Sicherlich innerhalb eines Jahres.

SPIEGEL: Haben Sie Alternativpläne für alle Modelle?

HAHNEMANN: Ja.

SPIEGEL: Herr Hahnemann, Sie haben ja ganz offensichtlich doch Sorge, daß Sie auf die Dauer zu klein sind. Ihrer Expansion steht entgegen, daß Sie über zuwenig Kapital verfügen, wenn man an Relationen zu VW und Daimler denkt. Solange der Markt gut läuft, können Sie sich finanzieren über einen sehr hohen Image-Aufschlag, über einen für unsere Begriffe überhöhten Preis. Wie lange geht das gut?

HAHNEMANN: Ich glaube, daß für unsere Größenordnung das vorhandene Kapital genügt oder für die Expansion fallweise beschafft werden kann, indem wir eine Kapitalerhöhung durchführen.

SPIEGEL: VW kann jederzeit seine 1,2 Millionen Aktionäre zur Kasse bitten. Ihr Mehrheitsaktionär wird aber nur mitmachen, wenn er finanziell gerade dazu in der Lage ist. Und das muß nicht unbedingt der gleiche Zeitpunkt sein, zu dem BMW das Geld braucht.

HAHNEMANN: Nach meinen bisherigen Erfahrungen ist das bei meinem Großaktionär nicht zu befürchten.

SPIEGEL: Die Fachleute sind sich gleichwohl einig, daß BMW eines Tages an einen Großen verkauft wird. Es ist nur noch die Frage offen: an wen?

HAHNEMANN: Es liegt nahe zu glauben, daß immer der Kleinste dran ist, geschluckt zu werden. Doch alle Fusionen der letzten Jahre wurden vorgenommen, weil eine Firma in der Konjunkturwanderung fußkrank geworden war. Aus rein volkswirtschaftlichen Überlegungen heraus, im Hinblick auf -- was man so oft hört -- die kontinentale Größenordnung, die für die Zukunft notwendig sei, wurde bis heute noch keine Fusion durchgeführt, vielleicht mit Ausnahme des Anschlusses von NSU an Audi-VW. Sollten einmal ernsthafte Gespräche bei BMW geführt werden, dann sicherlich nicht, weil auch wir fußkrank geworden sind.

SPIEGEL: Sie rechnen offenbar mit Bewerbern, denn Sie haben doch selbst schon BMW als die Braut bezeichnet. die täglich schöner werde.

HAHNEMANN: Ich war das nicht, das war unser Aufsichtsratsvorsitzender, Herr Dr. Karoli, der dieses Bild auf einer Hauptversammlung gebraucht hat, als er die Anfrage eines Kleinaktionärs beantwortete.

SPIEGEL: Aber sollte der Mehrheitsaktionär den Entschluß fassen, BMW anzulehnen, zu wem paßt BMW am besten, zu Daimler, zu VW, zu Fiat, zu Chrysler?

HAHNEMANN: Sie haben mir vorhin Hochmut vorgeworfen. Ich habe es bestritten. Nun lassen Sie mich hochmütig sein. Ich meine, daß wir zu allen passen würden. Wir würden uns in jeder Gruppierung den uns gebührenden Platz verschaffen.

SPIEGEL: Wie hätten Sie es denn am liebsten? Wer wäre Ihnen der Genehmste?

HAHNEMANN: Am liebsten hätte ich es, wenn wir selbständig blieben.

SPIEGEL: Herr Hahnemann, Sie werden zugeben, daß sich -- obwohl es unvorstellbar erscheint -- selbst ein Hahnemann verkalkulieren kann und daß BMW eines Tages ohne Hilfe durch einen Großen nicht mehr mithalten kann -- zu wem würden Sie dann am liebsten gehen?

HAHNEMANN: Zum Größten.

SPIEGEL: Wirklich, zu Lotz? Warum?

HAHNEMANN: Warum nicht?

SPIEGEL: Herr Hahnemann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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