POPMUSIK Business mit Gott
Während der Sänger mit festem Glauben und dem Lied »Love Is In The Air« beschwingt die Bühne des Kongreßsaals im Münchner Deutschen Museum betritt, liegt Zorn und Wut in der Luft des Parketts. Doch Pat Boone bügelt das häßliche Pfeifkonzert mit dem strahlendsten Lächeln glatt, das ihm zur Verfügung steht (seine Plattenfirma beteuert ja, daß er sich bis zu achtzehn Mal täglich die Zähne putzt), und in der festen Gewißheit, daß hinter ihm das andere, das anständige Amerika steht, buhlt er weiterhin unverdrossen um die Sympathie dieses grantigen bayrischen Publikums.
Durch Handauflegen will er inmitten der Leute im Parkett seine fünfviertelstündige Verspätung ungeschehen machen, doch das unheilvoll verhedderte Kabel seines Mikrophons hält ihn an der kurzen Leine gefangen und fern von den niedlichen Kindlein, die zum Anfassen wie bestellt sind.
Nicht einmal seine nette Ausrede, daß er sich im Park ("Wonderful English Garden") die Beine vertreten habe, nehmen ihm die narrischen Leute ab; da braucht's schon den verrückten »Speedy Gonzales«, um sie gnädiger zu stimmen, und die Versicherung »I Can't Stop Loving You«.
Er habe sich zudem im Englischen Garten verirrt, weil es anfing zu regnen, beteuert Mister Sunshine, wie er sich jenseits des Teiches nennen läßt, dem immer noch schlecht gelaunten Publikum.
Dabei schaut der Sänger aus, als habe er die letzten zwanzig Jahre nur an seinem Swimmingpool in der Sonne verbracht: kein Weib, kein Wein, nur Gesang. Bei den tiefen Tönen muß er sich zwar schon ganz schön bücken, am 1. Juni ist er schließlich 47 Jahre alt geworden. Aber den Schmerz kann er sich immer noch warm und mit Schmelz von der »angenehmen Baritonstimme« (Rock-Lexikon) singen.
Sein glatter Teint gibt allen Anschein davon, daß er sich die Zeit am Pool ohne ernste Gedanken vertrieben hat. Auf dem Kopf trägt er sein dichtes, von keiner grauen Strähne irritiertes Haar immer noch so, als wäre es die kostbarste Perücke. Er und Paul Anka müssen sich den Coiffeur teilen, wetten?
Ganz in Weiß mit roten Epauletten steht er da wie ein General, der alles ins reine bringt. In Amerika nennen sie ihn wohl deshalb Mister Clean, den Stutzer von nebenan.
Geboren in Jacksonville, Florida, verbrachte er seine Jugend in Nashville Tennessee und begann bereits mit zehn Jahren in der Öffentlichkeit zu singen. Als Dreizehnjähriger entschloß er sich, in die Sekte »Church of Christ« einzutreten, und verbreitet seitdem mit Erfolg das Gerücht, daß er ein aktiver Christ geblieben sei, der sich vor allem in der Jugendarbeit betätige.
Jung -- mit neunzehn -- freite er auch seine ehemalige Mitschülerin Shirley Foley, die Tochter des Country-Sängers Red Foley, die ihm hintereinander vier propere Töchter gebar. Neben seiner Rolle als Vater spielte er mit dem Gedanken, einmal Lehrer zu werden, und schrieb sich als Student am North Texas State College ein, später an der berühmten Columbia University in New York.
Allerdings mußte er seine philologischen Studien unterbrechen, um »Bernardine« und »April Love« zu filmen. Bei den unausweichlichen Kußszenen mußte seine Frau die Partnerinnen doubeln, damit auch das in der Familie blieb. Seine Single »April Love« wurde 1957 einer der größten Erfolge der Schallplattenwelt.
Während seine Schlager »Love Letters in the Sand« und »Friendly Persuasion« seine Börse füllten, bestand er sein Examen; im Sommer 1958 drehte er seinen dritten Film »Mardi Gras«. Ein Jahr zuvor hatte er mit der Fox-Film und mit der ABC-TV Verträge abgeschlossen, die ihm jeweils eine Million Dollar im Jahr einbringen sollten.
Neben all diesen Show-Aktivitäten gab der Sänger mit der weichen Stimme auch Lebenshilfe -- etwa in dem Buch »Zwischen zwölf und zwanzig« und anderen jugendfreien Publikationen, deren Erlöse er karitativen Zwecken zukommen ließ.
Der Sänger, der auf mindestens 39 verschiedenen Schallplatten angeboten wird (von denen zwölf goldene an seinen Wänden hängen) und der »Angela Davis, das sowjetische Weltraumprogramm, Homosexuelle und Zigarettenraucher vom Teufel besessen weiß«, hatte allerdings nie Bedenken, im Rolls-Royce auf musikalische Missionsreisen zu gehen, denn »Gott und Business sind untrennbar«.
Der Oberprediger unter den Showmännern ist zudem immer frommer geworden: Sogar seinen Swimmingpool hat er seinen Glaubensbrüdern angeboten -- als Taufbecken.
Ansonsten aber ist er sich so treu geblieben, daß ihm heute nichts bleibt als das Rekurrieren auf seine goldenen Erfolge. Da erweist er sich auch wirklich als Meister kleiner Überraschungen, wenn er -- wie etwa in München -gemeinsam mit dem inzwischen soft eingelullten Publikum in der Mottenkiste seiner musikalischen Erinnerungen kramt.
Wie erfrischend, daß ein paar Bläser aus seinem Orchester dann ab und an Pat Boones Erinnerungsseligkeit des Wißt-ihr-noch-wie-es-damals-war mit einem feschen Tusch aus dem Saal fegten. Zugaben bot er selbst schnell an, ehe das Konzert ganz den Bach runterging: »Moody River«.
Doch das Publikum, süchtig nach den ollen Kamellen, forderte lautstark das Geklingel und Geschmuse. So machte Pat Boone oben auf der Bühne immer wieder sein Tänzchen nach deren Pfeifen wie ein zum nächtlichen Triebe verfluchter Vampir, der niemals mehr älter werden wird.