Margarete Stokowski

Lindner, Merz und ihresgleichen Sie merken es einfach nicht

Margarete Stokowski
Eine Kolumne von Margarete Stokowski
Männer wie Lindner oder Merz kommen mit ihren Sprüchen durch, weil sie das gequälte Lächeln ihres Publikums für Beifall halten können. Sie brauchen aber Widerspruch. Der Feminismus kann da vom Hundetraining lernen.
Christian Lindner: Was bricht da so tapsig hervor?

Christian Lindner: Was bricht da so tapsig hervor?

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Sebastian Gollnow / picture alliance / dpa

Manchmal hat man als einzelner Mensch das Gefühl, in der Welt nicht so viel ausrichten zu können. Man benutzt immer schön Baumwollbeutel, und es ist immer noch Plastik im Meer; man spendet hier und da, und es ist immer noch Kapitalismus. Es gibt aber auch Dinge, die wir alle tun können, ja müssen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, und es kostet nicht viel Aufwand außer ein bisschen Beharrlichkeit: peinliche Männer aufhalten, die im Rückwärtsgang nach vorne wollen. 

Es sind leider so viele, und sie fangen ständig neue Podcasts an. Zum Beispiel die beiden Komiker Florian Schroeder und Serdar Somuncu mit ihrem neuen Radio-Eins-Podcast, der sich mit Wirkungen von Äußerungen in den Medien beschäftigte. Somuncu erklärte darin, er werde rassistische Begriffe benutzen, "solang es nicht unter Strafe steht" und benutzt diese Begriffe dann auch, außerdem gebe es im Internet "Frauen, schlecht gebumste, miese, hässliche Schabracken", die sich darüber aufregten, konkret: Kolumnistinnen, die "keine Schwänze lutschen können" und die "noch nicht mal einmal in ihrem Leben nen Pimmel gesehen" hätten und die man "nicht mal mit ner Pinzette anfassen" würde. Nun gut. Dass es Menschen gibt, die Feministinnen für ungefickt und hässlich erklären, kennt man seit vielen Jahren. Florian Schroeder kennt das offenbar nicht, denn er lacht sich über Somuncus Pointen schlapp ohne Ende. 

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Er habe nur "über die Performance" gelacht, sagte Schroeder später in der Aufarbeitung des Senders . Also: War alles Satire. "Mit welchem Erkenntnisgewinn?", frage Lea Streisand zu dem Fall in ihrer "taz"-Kolumne  völlig zurecht. Wenig überraschend: Es gibt keinen. Somuncu erklärte im Nachhinein, er habe die Absicht, "durch die flächendeckende Beleidigung eine Gerechtigkeit herzustellen" und lobte seinen Sender "einen unkonventionellen Weg zu gehen". Leider hat dieser unkonventionelle Weg noch nie funktioniert, denn wenn Beleidigungen Gerechtigkeit herstellen würden, sähe hier alles recht anders aus, und da hilft auch Somuncus Hinweis nicht viel, ein Blick auf das Gesamtwerk der zwei würde hier vieles klären. Man wäre nach Anhörung des Gesamtwerkes wahrscheinlich nur zu lebensunwillig, überhaupt noch etwas zu sagen. 

Im Zweifel erklären sie ihren Witz noch mal 

Wir alle kennen diese Männer. Sie sagen in Diskussionen gern "ich spiele jetzt mal den Advocatus Diaboli...", und dann sagen sie exakt das, was sie eh sagen würden, fühlen sich aber dabei als Vertreter einer höheren Macht. Sehr unangenehm. Üblicherweise wird empfohlen, so etwas einfach auszuhalten, aber erstens: Wer hält das aus? Und zweitens: Es geht davon nicht weg. Die einzige Lösung ist, diese Typen aufzuhalten, denn sie vermehren sich und halten an ihren Posten fest, und sie merken nicht von allein, wo das Problem ist. Im Zweifel erklären sie einfach ihren Witz noch mal. 

Genau wie Christian Lindner. Der FDP-Chef hatte vor wenigen Tagen die Aufgabe, auf dem Bundesparteitag seine Parteikollegin Linda Teuteberg zu verabschieden, die Generalsekretärin war und damit auf Lindners Wunsch aufhören musste. Keine leichte Aufgabe, das für alle Beteiligten gesichtswahrend hinzukriegen.

Lindner entschied sich für die sexualisierende Variante. Er habe mit Teuteberg rund 300 Mal "den Tag zusammen begonnen", aber "nicht, was Ihr jetzt denkt!", sondern telefonierend. Es hilft nicht, dass Lindner dann sagte, er habe diesen Gag nur ersonnen, weil ihn Lacher aus dem Publikum irritiert hätten. Leider waren findige Internetnutzer schnell darin, eine Szene hochzuladen, in der Lindner exakt denselben Witz 2017 mit einer anderen Politikerin machte : "Ich bin heute Morgen wach geworden mit Claudia Roth... entschuldigen Sie, ich habe gesagt mit, nicht neben! Die hatte nämlich heute Morgen ein Interview im Deutschlandfunk." 

Was ist es, was da so tapsig hervorbricht? Zunächst einmal kommt einem diese Art von Witzen überhaupt erst in den Kopf, wenn man es für eine zulässige erste Assoziation hält: Haha, Frauen, das sind die, mit denen man Sex hat. Zweitens aber muss man auch erwarten, dass das Aussprechen dieser Assoziation den einen oder anderen Lacher bringt, sonst würde man den Gedanken einfach runterwürgen und sich leise schämen. 

Schlechter Gag? Nein, die Leute sind schwerhörig

Es ist nicht schön, sich mit dieser Art von Pointen zu beschäftigen, aber sie werden nicht verschwinden, wenn man sie ignoriert. Man nennt dieses Phänomen oft "Altherrenwitze", aber alle drei Bestandteile des Begriffs hauen nicht hin. "Alt" haut nicht hin, denn auch junge oder mittelalte Männer machen das. "Herren" haut nicht hin, weil es im Grunde der Humor verklemmter pubertierender Schüler ist. Und "Witze" - na ja. Kann man drüber streiten. "Altherrenwitze" sind nicht der Humor einer ohnehin schon aussterbenden semisenilen Männergeneration, sondern ein Problem von Männern, die nicht genug über Grenzen gelernt haben und damit durchkommen. "Volljährige-Jungs-Pointenversuch" wäre passender. 

Das Bittere ist, dass diese "Witze" von Umstehenden, die nicht einverstanden sind, oft mit einem gequälten Lächeln quittiert werden. Das ist, wie wenn man einem bettelnden Hund am Tisch etwas abgibt: Er kommt wieder. Männer, die diese Art von Pointen machen, werden jedes unsichere Lachen als Beweis für ihren edgy Mut werten und glauben, die anderen trauen sich nur nicht, richtig zu lachen. Sie glauben eher entgegen jeder Wahrscheinlichkeit, dass alle um sie herum etwas schwerhörig oder dumm sind, als dass ihr Gag einfach schlecht war. 

Die einzige Lösung ist, es als demokratische Aufgabe anzusehen, konsequent nicht mehr über diesen peinlichen Humor von Männern zu lachen. Wenn man sie auslacht, werden sie denken, man lacht mit ihnen. Da unterscheidet sich Feminismus nicht von Hundetraining: Es braucht klare Signale. Mit gekränkten Männeregos dieser Sorte ist zwar nicht zu spaßen, aber wann immer man die Chance hat, sollte man sie ein bisschen brechen. Denken Sie an all die Sendeplätze, die frei würden, und die politischen Posten. 

Wieder eine Form von Care-Arbeit

Es geht dabei nicht um ein reines Humorproblem, natürlich, aber beim Thema Humor können alle mitmachen. Im größeren Maßstab ist das Problem von Männern, die mit absolut rückschrittlichen Ideen nach ganz oben wollen, nicht mehr damit zu lösen, dass man über ihre ekligen Witze nicht lacht.

Friedrich Merz ist so ein Fall. Auf die Frage, ob er sich einen schwulen Bundeskanzler vorstellen könnte, antwortete er, dass er da keine Vorbehalte hätte, "solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft", sei "die Frage der sexuellen Orientierung kein Thema für die öffentliche Diskussion".

Das heißt, seine erste Assoziation mit Schwulsein ist Pädophilie, und in all den Jahren hat ihm niemand erklärt, dass das falsch ist? Merz hat früher schon häufiger peinliche Sprüche über Homosexuelle gemacht  ("solange er sich mir nicht nähert" und "solange ich da nicht mitmachen muss") und man muss davon ausgehen, dass ihm einfach niemand erfolgreich erklärt hat, was daran nicht nur falsch, sondern auch – der Mann will Kanzler werden – nicht kompatibel mit der aktuellen Gesellschaft ist. 

Es gibt, klar, auch Frauen mit rückschrittlichen Ansichten, aber das Problem mit dieser Art von Männern ist, dass sie einen Vertrauensvorschuss genießen, den Frauen nicht haben und der aktiv zerstört werden muss. Männer, die nicht ab und zu mal versehentlich einen sexistischen, rassistischen oder homofeindlichen Begriff benutzen oder einen dummen Spruch machen, sondern deren ganzer claim to fame darin besteht, mutig die ganze alte Gülle von früher auf den Tisch zu packen, dürfen nicht mehr belächelt werden. 

Es mag sein, dass sie sich in irgendeiner Form von leerem Raum unsicher fühlen, das wäre die wohlwollende Interpretation. Schroeder und Somuncu wollen vielleicht austesten, worüber man noch lachen darf, Christian Lindner will vielleicht austesten, ob Liberale cool rüberkommen können, Friedrich Merz will vielleicht testen, ob man nicht einfach so tun könne, als sei es noch die Bundesrepublik der Siebzigerjahre. Sie alle versuchen es mit altem, beleidigenden Müll. 

Ihnen Grenzen aufzuzeigen, ist natürlich auch wieder eine Form von Care-Arbeit, die an Männern geleistet werden muss, aber sie kann – und muss – von allen geleistet werden, weil dieser Typ von Rückwärtsfahrer sonst immer wiederkommt wie ein Untoter, der einfach nicht merkt, dass die Zeiten sich geändert haben.

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