ERFINDUNGEN Cola aus der Leitung
Seine bis dahin wichtigste Erfindung -ein neuartiges Herstellungsverfahren für Großrohre erleichterte den Bau der Alaska-Pipeline und die Erschließung der sowjetischen Erdgasfelder- brachte dem Hamburger Alexander Kückens aber auch eine Menge Ärger ein. Vor dem Bundesgerichtshof muß er mit der August-Thyssen-Hütte, die das Röhrenpatent für sich in Anspruch nimmt, um seine Erfinderehre streiten (SPIEGEL 24/1974).
In der Zwischenzeit jedoch war der 59 Jahre alte Automaten-Fabrikant nicht untätig: Nach zehnjährigem Experimentieren, das in einem halben Dutzend neuer Patente aufging, will Kückens nun die Getränke-Branche umkrempeln und den Konflikt mit den Größten dieser Branche, den Cola- und Saft-Mixern, wagen.
Hanseat Kückens hat einen Automaten entwickelt, der das bisherige Verteilungssystem der Getränkeindustrie revolutionieren soll: Statt wie bisher in den Abfüllfabriken etwa für Cola, Brause oder »Cappy« sollen die Getränke künftig direkt beim Konsumenten hergestellt werden -- aus Konzentrat und Wasser, wie es im Heim oder in der Kneipe aus der Leitung strömt.
Der Apparat erinnert an die sprudelnden Getränkemischer in Kaufhäusern und Snack-Bars. In vier auswechselbaren Behältern ist Konzentrat verschiedener Geschmacksrichtung gespeichert jeden Tag können Erfrischungsgetränke entsprechend dem Inhalt von 7300 Flaschen gezapft werden, soviel wie ein Fünf-Tonnen-Lkw laden kann. Eine fünfte Drucktaste ordert Sodawasser. Ein kleinerer, für den Haushalt geplanter Apparat begnügt sich mit zwei Geschmackstasten und dem Sodaknopf.
»Dieser Automat«, so wertet Erfinder Kückens seinen jüngsten Röhren-Coup, »könnte der Anfang vom Ende der Flaschen-Ära sein.« In diesem Jahr werden weltweit täglich etwa 100 Millionen Liter an Cola- und anderen Erfrischungsgetränken aus Flaschen oder Dosen konsumiert.
Die Idee, den dabei anfallenden Flaschenberg zu beseitigen und Betriebe und Gastronomie, später auch Privathaushalte mit dem Wasserhahn selbst in Abfüllstationen zu verwandeln, kam dem Erfinder Mitte der sechziger Jahre, als er auf der Autobahn über die Getränke-Laster mit ihren klappernden Kisten nachdachte: »Es erschien mir ökonomisch widersinnig, daß praktisch nur Wasser teuer über Land gefahren wird.«
Um den Misch- und Abfüllvorgang an den Hahn zu verlegen, mußte Kückens ein hygienisches Problem lösen: das Konservieren von Automaten-Sirupen ohne Zuhilfenahme chemischer Keimtöter. Der Tüftler aus Hamburg steigert den Fruchtsaftanteil seiner Sirupe durch zusätzlichen Wasserentzug ("wie beim Einkochen zu Omas Zeiten"). bis sie, wie etwa Honig, selbstkonservierend werden.
Klebrige Konzentratrückstände im Behälter vermeidet Kückens mit einem Trick: Da Sirupe nur kleben, wenn sie Feuchtigkeit abgeben können, suchte der Erfinder gerade dies zu vermeiden, indem er feuchtigkeitsgesättigte Luft in den oberen Teil der Sirupcontainer einströmen läßt.
Die Qualität des Wassers, das am Ende zugemischt wird, dünkt den Erfinder über Zweifel erhaben. Was aus der Leitung kommt, wird in Filtern zunächst von Schwebstoffen gereinigt und sodann entchlort; der Kalk wird »neutralisiert«.
Ein eingebautes Kohlensäure-System sorgt schließlich dafür, daß das so vorpräparierte und dann im Apparat noch abgekühlte Leitungswasser mit winzigen Kohlensäurebläschen angereichert wird. Eine Mini-Flasche Soda, bisher 30 Pfennig teuer, kostet den Heim-Hersteller weniger als einen Pfennig.
Kückens, an dessen Automatenunternehmen der Nieder-Olmer Getränkeriese Eckes ("Hohes C«, »Zinn 40") beteiligt ist, will Anfang nächsten Jahres mit der Serienfertigung beginnen. Sieben Millionen Mark wurden für die Entwicklung aufgewendet.
Nur mit Bier weiß der Heim-Mischer vorerst noch nicht umzugehen. Grund: Hopfen und Malz dürfen, nach dem Lebensmittelgesetz und dem sogenannten Reinheitsgebot der Brauer, nicht konzentriert und anschließend wieder verdünnt werden -- »obwohl das«, so Kückens, »leicht zu machen wäre«.