
Im Corona-Schatten Diesen Frauen macht die Krise das Leben noch schwerer


Sexarbeiterin (Archivbild aus Frankfurt am Main)
Foto: Andreas Arnold/ picture alliance/ dpaSeit Beginn der Corona-Pandemie wurde schon viel darüber geschrieben, wie sich die Krise auf das Leben von Frauen auswirkt, aber meistens ging es dabei um Mütter in heterosexuellen Beziehungen, die Homeschooling und Homeoffice zusammenbringen müssen, manchmal auch um die Zunahme von Gewalt in Beziehungen und Familien, beides sind ernst zu nehmende Probleme (zur Häufigkeit der Gewalt hier eine extrem besorgniserregende Studie der TU München ).
Gleichzeitig gibt es allerdings ziemlich wenig Aufmerksamkeit für andere Gruppen von Frauen, deren Situation sich durch die Pandemie entweder direkt verschlechtert hat oder - eigentlich ohne Zusammenhang mit dem Coronavirus, aber gewissermaßen im News-Schatten der Pandemie – aktiv verschlechtert wurde.
Dazu zählen Frauen, die mit Sex Geld verdienen (oder vor der Krise verdient haben) und lesbische Mütter. Auf den ersten Blick zwei nicht unbedingt zusammengehörige Gruppen, aber sie teilen ein Problem: Kaum jemand interessiert sich im Moment für sie, und es geht bergab bei ihnen.
Warum nicht die Krise als Chance für Rückschritte nutzen, denken sich Reaktionäre. Warum nicht ohnehin diskriminierte Minderheiten noch weiter runtertreten, vielleicht merkt es ja niemand? Manchmal ist die Pandemie nützlich, um ohne viel Aufregung ohnehin geplante diskriminierende Ideen durchzusetzen, manchmal ist sie nützlich als Ausrede und vermeintliche Begründung, um Frauen das Leben noch ein bisschen schwerer zu machen.
Trotz Ehe für alle - Gleichberechtigung ist fern
Zunächst die lesbischen Mütter: In der Öffentlichkeit wurde bislang kaum wahrgenommen, dass der Bundestag Ende Mai das sogenannte Adoptionshilfe-Gesetz beschlossen hat. Das Gesetz verspricht "mehr Beratung und Hilfestellung" , was erst mal okay klingt, faktisch aber ein Rückschritt für gleichgeschlechtliche Paare ist. Im Familienportal des BMFSFJ heißt es, das Gesetz wurde beschlossen, "um Familien besser zu unterstützen" .
Familien besser zu unterstützen, in denen ein Kind zwei Mütter hat, wäre sehr einfach gewesen: Man hätte festlegen können, dass bei zwei Frauen, die zusammen ein Kind bekommen ("bekommen" nicht im Sinne von "adoptieren", sondern im Sinne von: eine von beiden ist schwanger), beide Frauen unkompliziert als Mütter anerkannt werden und kein Adoptionsprozess durchlaufen werden muss. Also genau wie bei heterosexuellen Paaren, bei denen ein Vater als Elternteil anerkannt werden kann, auch wenn nicht geprüft wurde, ob er der biologische Vater ist.
Das ist nicht passiert. Lesbische Paare, die ein Kind bekommen, müssen nach dem Gesetz, das im Herbst in Kraft treten soll, nicht nur weiterhin einen Adoptionsprozess durchlaufen, um als zwei Mütter anerkannt zu werden, sondern dieser Adoptionsprozess enthält nun noch eine Zwangsberatung und damit eine weitere Hürde, die genommen werden muss . Dieser Adoptionsprozess ist ohnehin schon keine kleine Formsache, sondern umfasst unter anderem mindestens einen Besuch vom Jugendamt im zukünftigen Zuhause des Kindes, das Vorlegen der polizeilichen Führungszeugnisse und anderer Papiere (und außerdem müssen die Mütter verheiratet sein).
Lauter Dinge, die von unverheirateten heterosexuellen Paaren, die ein Kind kriegen, niemand fordert, die aber kaum Beachtung finden, vielleicht weil seit der Einführung der Ehe für alle viele Menschen den Eindruck haben, Homosexuelle seien ja jetzt gleichberechtigt. Sie sind es nicht. "Auch drei Jahre nach der Öffnung der Ehe für Alle", schreibt der Deutsche Juristinnenbund , "hat ein Kind, das in eine bestehende Ehe von zwei Frauen geboren wird, nur einen Elternteil". Es gibt von einzelnen Verbänden und PolitikerInnen Widerstand gegen das Gesetz , auch eine Onlinepetition , bisher mit wenig Unterstützung der Öffentlichkeit.
Bordelle als Superspreader? Und wer fordert ein Après-Ski-Verbot?
Die andere Gruppe von – hauptsächlich – Frauen, um die es derzeit sehr schlecht steht, sind Sexarbeiterinnen. Letzte Woche war Welthurentag, aber es gibt gerade wenig zu feiern. Es ist nicht nur so, dass vielen der Frauen durch die Lockdown-Maßnahmen die Einkünfte wegfallen. Zusätzlich gibt es außerdem PolitikerInnen, die die Pandemie gern nutzen würden, um Prostitution generell abzuschaffen. Angeblich zum Schutz der Frauen, faktisch zu ihrem Nachteil.
"Es dürfte auf der Hand liegen, dass Prostitution die Wirkung eines epidemiologischen Superspreaders hätte – sexuelle Handlungen sind in der Regel nicht mit Social Distancing vereinbar", hieß es in einem Brief von Bundestagsabgeordneten aus Union und SPD an die Regierungschefs der Länder. Sie forderten außerdem das Verbot von Prostitution generell. Allerdings sind Bordelle bislang als Superspreader noch nicht besonders aufgefallen, im Gegensatz zu Gottesdiensten, Chorproben oder Après-Ski-Bars, deren dauerhaftes Verbot bislang niemand gefordert hat.
"Prostituierte sind – wie aber auch die Freier – einem erheblichen Infektionsrisiko ausgesetzt", sagte Karl Lauterbach, der den Brief mitunterzeichnete. Wenn er sich wirklich um die Beteiligten sorgen würde, würde er sich für einfach zugängliche Tests einsetzen und nicht die Existenz einer gesamten Branche bedrohen.
Befürworter eines generellen Prostitutionsverbots benutzen häufig Zwangsprostitution als Argument dafür, auch den freiwillig tätigen Sexarbeiterinnen ihren Job zu verbieten. Aber niemand auf der Welt glaubt ernsthaft, dass Zwangsprostitution durch zusätzliche Verbote – sie ist ja bereits verboten – eingedämmt werden könnte. Der Vorwurf des Superspreadings verstärkt zudem das Vorurteil, dass es sich um einen dreckigen Job handelt, obwohl Sexarbeiterinnen ohnehin ein verschärftes Interesse an Hygiene haben.
Jeder Politiker, der Prostitution verbieten will, um die Ausbreitung von Krankheiten einzudämmen, müsste auch Tinder verbieten, sonst muss man leider annehmen, dass er einfach nur ein Superspreader von Misogynie ist.