»Damit das Mystische abfällt«
Als die Pille verfügbar wurde und der Phallus von Kassel für die Erregung einer halben Hemisphäre stand, da kam auch die passende Anti-Moral auf: Waren doch schon Besitz und Herrschaft als Krebsschaden der Welt erkannt, sollte wenigstens zwischen zweien, die Lust aneinander fanden, kein Besitzverhältnis herrschen. Eifersucht wurde in die hinterletzte Kiste »Spießigkeit« verbannt.
Die Sitten zwischen den Geschlechtern sind seither loser geworden. Ehebruch ist, da derart selbstverständlich, ein fast so altmodisches Wort wie Keuschheit geworden. Verheiratete Frauen stehen mit ihren Affären kaum noch den Männern nach. Das Nutznießergeschlecht traditioneller Doppelmoral muß sich nicht mehr mit den kleinen Sammelbecken im Rotlichtbezirk begnügen, und die swinging singles schwingen sowieso.
Aber ach, aus der Utopie der herrschaftsfreien Beziehung ist nicht viel Vorzeigbares herausgekommen. Dem Zeitgeist mangelte es an Idealen für das Paar, da knallte 1983 Sauras Film »Carmen« in die gesellschaftliche Mode für Gefühle: in jeder Geste ein Anspruch von Macht und am Ende ein Desaster von Eifersucht. Es gefiel, fast schon skandalös, es gefiel genau das, was aus dem öffentlichen Diskurs so lange verdrängt worden war. Seither wird die Eifersucht von den Medien entspießert.
Seltsam, so hat »Brigitte« erkannt: »In den 70er Jahren erschienen reihenweise Bücher über Partnerschaft und Sexualität, in denen das Stichwort ''Eifersucht'' nicht einmal mehr erwähnt wurde, so sehr galt es als Makel, sich ernsthaft mit diesem unpopulärsten aller Gefühle zu befassen.« Das Frauenmagazin gab »die neue Eifersucht« aus, worüber sich ein Anonymus der »Süddeutschen Zeitung« maßlos aufregte: »Sie streuen Gift, nicht Blumen.«
Im Alternativ-Blatt »Anagan« quälte sich eine ("Ich bin süchtig, mächtig eifersüchtig") mit der Ideologie herum, die der Sexologe und Biograph des »Patriarchats«, Ernest Borneman, seinen Gläubigen tief ins Gewissen senkte: »Eifersucht ist der sexuelle Niederschlag des Privateigentums.« Zerrissen zwischen Theorie ("alles längst klar") und Praxis fragte sie sich, ob »der gute Ernest« das erfunden hatte, »als seine Frau mit jemand anders« im Bett lag?
Der neue deutsche Rockstar Rio Reiser räsonierte in »Tempo": »Eifersucht ist out. Oder isse in? Aber egal, ob in oder out. Sie ist da. Scheiße.«
Zwei Frauen, ein Schmerz: Eifersucht. Beide, Nancy Friday, 54, in New York, und Hildegard Baumgart, 57, in München, waren privilegiert genug, ihrem Gefühl in seine Untiefen nachzuspüren, vier Jahre lang die eine, sechs Jahre die andere. Zwar reichen zwei Lebenserfahrungen und zwei Bücher _(Nancy Friday: »Eifersucht - Die ) _(dunkle Seite der Liebe«. Scherz Verlag, ) _(Bern/München; 480 Seiten; 39,50 Mark. ) _(Hildegard Baumgart: »Eifersucht«. ) _(Rowohlt Verlag, Reinbek; 384 Seiten; 28 ) _(Mark. )
mit ein und demselben Titel »Eifersucht«, insgesamt 864 Sachbuchseiten, die Verwertung von zig Quellen und Fällen nicht aus, es erschöpfend zu behandeln: dieses »Ungeheuer mit den grünen Augen, das das Fleisch verhöhnt, von dem es sich ernährt«, wie Shakespeare so treffend sagte und doch nur eine Dimension traf.
Ein Gefühl ist eben unerschöpflich. Aber die Fülle von Material fächert es doch so gründlich auf, daß ein Alltagsmensch, der noch Zeit zu fühlen hat, nicht aber zum Nachdenken über Strukturen seiner Empfindung, bedient ist, mit gutem Gewinn bis zum Überdruß.
Interessant sind beide Bücher zusammengenommen, weil eines durch das andere klischeehaft deutsch beziehungsweise amerikanisch wirkt. »Leichtsinniges, lustgieriges Göttergelichter«, Klassisches aus Theater und Literatur bis zu Klatsch über längst vergangene Geistesgrößen: Die Deutsche streut ihre abendländische Bildung ein, die Amerikanerin hat nichts dergleichen zu bieten.
In dem New York, wo die Stadtneurotiker wohnen, die man aus Woody Allens Filmen kennt, ging Nancy Friday mit ihrem Tonband auf Jagd nach jealousy bei beautiful people: Ein Psychoanalytiker mit grauen Locken liefert ihr seine ungeordnete Innenwelt aus, Partygeplänkel mit Tennessee Williams kommt ihr zum Name dropping gelegen, in ihrer Gesellschaft befinden sich männliche Sexmaniacs, und wenn sie nicht intellektuell und cool sind, dann wenigstens »gutaussehend und reich«. Nur normale Leute kommen nicht vor.
In jener Schicht, die es in unserer Republik natürlich auch gibt, wenn sie vielleicht bißchen provinzieller sein mag,
da hätte Hildegard Baumgart ebenso mühelos hausieren gehen können. Die Frau des Kritikers und Schriftstellers gleichen Nachnamens lebt seit Jahrzehnten im Münchner Vorort Grünwald, da, wo die Filmstudios nicht weit und die Prominenten nahe beieinander sind; sie entstammt zudem einer reichen Hamburger Reedersfamilie, man kennt Dichter und Denker, und Psychoanalytiker sind einer Therapeutin wie ihr mit langjähriger Analyse selbstredend anhand. Hierzulande ist aber in derlei Kreisen eine Ausbeutung eben dieser Kreise ganz und gar nicht schick, üblich ist der progressive Blick von oben nach unten.
So führt der Deutschen Buch von kultureller Höh'' immer wieder in die Gräue der kleinen Leute. Unter den Unglücklichen, die sich an die kirchliche Eheberatungsstelle in München-Neuperlach wandten, wählte sie, Therapeutin an dieser Institution, ihre Musterfälle aus. Sie sind natürlich dröge, nicht, weil einer Näherin und einem Schreiner das Glitzrige abgeht, sondern weil alles Farbige mit allem Erkennbaren abfällt: aus guten Gründen deutschen Persönlichkeitsschutzes, der in den Vereinigten Staaten unter dem Lügendetektor doch wohl minderbewertet sein mag.
Ihren eigenen Fall umgibt Hildegard Baumgart, wie es sich hierzulande schickt, mit Diskretion. Was man nicht tut, darauf gründete Nancy Friday von Anfang an ihr Geschäft. Ihren ersten Bestseller-Coup landete sie mit einer Sammlung von Phantasien, die Frauen zur Steigerung ihrer Erregung am oder auch ohne Mann benutzten; die männliche Ausgabe folgte. Dazwischen schlachtete sie die heilige Mutterkuh und machte sie zum Sündenbock für Hunderttausende frustrierter Töchter des Westens, die ihr Buch kauften. So schonungslos, wie sie dem Öffentlichkeitszirkus die eigene Mutter zum Fraße vorgeworfen hat, präsentiert sie nun ihre vorehelichen Verhältnisse: eine seelische Exhibitionistin, die mit Erfolg bezahlt wird.
Ihre Geschichte ist widerwärtig, doch ein Dokument aus jenen sexuellen Aufbruchstagen, da Eifersucht so gut wie verboten und so gut wie alles erlaubt sein sollte. Nancy hatte es mit Jack, der aber hatte es mit vielen anderen auch, wie sie an den »befleckten Laken« sah, übersah und litt. Sie, die »Königin der Eifersucht«, spielte für ihn die große Gelassene, unsäglich gequält schließlich noch vor verschlossener Schlafzimmertür, hinter der es Jack mit einer anderen und einem Mann dazu trieb. Nach außen verkörperte sie den Typ der sexuell unglaublich emanzipierten Frau und gabelte sich todtraurig ihre Verkehrsobjekte auf. Wenn sie aber mit zwei Männern gleichzeitig im Bett landete, vollführte sie einen Akt der Selbstentwertung, um so mehr, wenn sie dann noch den, um den es ihr einzig ging, als vierten mitmachen ließ.
Ihre Eifersucht gehorchte weder ihrem Willen noch dem Diktat der Zeit, und warum das so war, wollte sie schließlich, mittlerweile im Hafen einer diskret behandelten Ehe gelandet, ganz genau wissen. Sollte sie dem US-Anthropologen Lionel Tiger glauben?
Er hält Eifersucht für eine mächtige Naturkraft, sonst hätte sie sich in den Jahrmillionen der Evolution aus der menschlichen Spezies hinausentwickelt. Dem männlichen Geschlecht mißt Tiger sowohl mehr Promiskuität bei, wodurch es seine Fortpflanzungschancen verbesserte, aber auch mehr Eifersucht, da es niemals seiner Erzeugerschaft hätte sicher sein können.
Für das weibliche Geschlecht dagegen hätte es sich empfohlen, die sexuelle Wahl sorgfältiger zu treffen, dann aber den einmal Erwählten zum Schutze der Brut eifersüchtig gegen Gelüste auf andere zu verteidigen: eine von Anfang an, aus tiefer Biologie, schiefe Geschichte, mag glauben, wem sie gefällt, zu verifizieren sind die Traumspinnereien der Soziobiologen nicht.
Über unser aller Natur (die keiner kennt) walten die Ausläufer einer Kultur, die sich mit der Eifersucht derartig
betat, daß sie sogar ihren Gott mit diesem Gefühl ausstattete: dem althebräischen qineah, einem Wort, das noch ungeschieden Eifer, Intensität, Leidenschaft und Neid zusammenfaßte. Hildegard Baumgart führt den Herrn des Alten Testaments als bedroht von rivalisierenden Göttern vor, aber verlangend nach Intimität wie zwischen Liebenden. Ein »verzehrendes Feuer« wollte er sein, und weh dem, der ihm entglitt, den verfolgte er mit Zorn und Gewalt. Sein Brennen und Wüten gilt selbst noch heutigen Theologen zugleich als Zeichen seiner Wunderbarkeit.
Dem totalen Verhältnis zwischen Gott und seinem Volk entsprachen die altbiblischen Vorschriften für das Paar: Beide sollten bei Ehebruch des Todes sein, aber das Weib ein bißchen mehr. Es rangierte bei der Aufzählung der Besitztümer, die einer beim anderen nicht begehren sollte, nach dem Haus gerade vor Sklaven und Vieh. Die archaische Ordnung hat vielerlei Zweck gedient. Womöglich war sie auch eine Strategie des männlichen Geschlechts zur Abwehr (statt zur Produktion) von Eifersucht, einer Konfusion, die ökonomisch nicht gerade von Nutzen gewesen sein konnte.
Jahrtausendelang Kulturkampf, um das Anarchische zwischen den Geschlechtern unter Kontrolle zu halten: Er hat Perversitäten wie den Keuschheitsgürtel hervorgebracht und mit der doppelten Moral eine gesellschaftliche Schizophrenie etabliert, er hat im weiblichen Geschlecht ein Duldertum gezüchtet, aber manches Mannsbild mitgeschlagen. Hatte eine Frau mit einem ungetreuen Gatten bloß Pech, so verlor der Mann im umgekehrten Fall Ehre, Stolz, Gesicht und hatte für den Spott nicht zu sorgen, wie in Begriffen vom Hahnrei oder Gehörnten bildhaft deutlich wurde. Höchstwahrscheinlich trägt noch jedermann, wie postmodern und gottesfern, entpatriarchalisiert und polymorph er sich auch wähnen mag, in irgendeiner Weise doch noch am alten Kulturgepäck.
Für Freud, den genialen Patriarchen, gehörte Eifersucht »zu den Affektzuständen, die man ähnlich wie die Trauer als normal bezeichnen darf«. Schien sie einem Menschen abzugehen, so argwöhnte der Meister Verdrängung in eine um so größere Rolle im unbewußten Seelenleben.
Nancy Friday führt den Psychoanalytiker Richard Robertiello als Parademann vor, der sich zu Beginn ihres Buches, Freud zum Trotze, als nicht eifersüchtig erklärt: mit einigem Recht, denn er hatte sich Strukturen geschaffen, die genau diese Gefahr vermieden. Er beherrschte stets die Frau, die er gerade hatte, und ging die Beziehung auseinander, kam die nächste, gewiß wie der Omnibus. So typisch, wie er zunächst die unzähligen klassischen Männer repräsentiert, die ihrer Altangetrauten oder auch ihrer Neuerwerbung bloß eine Nebenrolle in ihrem Gefühlsleben gestatten, so wird er in einem sich über Jahre hinziehenden Gespräch von seiner platonischen Freundin Nancy trendgemäß demontiert. Zum Schluß steht er als neue Zeiterscheinung da: ein Mann, der wagt, nicht die Macht, sondern eine Gefährtin zu haben, mit allen Risiken der Verwundbarkeit.
Für Hildegard Baumgart gibt es »unter den Gefühlen, die im menschlichen Leben zu erwarten sind, nichts Quälenderes« als die Eifersucht: »Denn Trauer ist ''größer'' und moralisch einwandfrei, Angst situationsbezogener und ''berechtigter''; Neid eindeutiger, Haß klarer ausgerichtet.«
In Eifersucht kocht ein Gebräu der widerstrebendsten Gefühle. Wenn die Ordnung zwischen einem Paar durch eine dritte Person gestört wird, ist allein schon die Unordnung schwer zu ertragen: alles offen, alles unsicher, auf nichts mehr Verlaß. Aus einem Machtverhältnis zwischen zweien, das irgendwie geregelt und somit beruhigt war, geht ein Ohnmächtiger wider Willen hervor, ohnmächtig, wie er einst als Baby war.
Zur Kronzeugin der Amerikanerin wird die gebürtige Österreicherin Melanie Klein, Freuds gelehrige Schülerin, die zu ihrem Leidwesen für ihr Werk nie den Segen des Alten empfing. Sie sah den Keim der Eifersucht grundsätzlich angelegt und schon in der Säuglingszeit wachsen: Für den Winzling sei die Verfügbarkeit über die Brust, moderner: auch über die Hand, die die Flasche hält, eine Frage auf Leben und Tod. Er müsse, was derartige Macht über ihn hat, zugleich hassen, während er danach giere und nach Allmacht schreie.
Diese Hin- und Hergerissenheit aus frühester Zeit lebt nach ihrer Ansicht bei einem Erwachsenen wieder auf, wenn eine geliebte Person die Macht ihres Entzugs ausübt. Was dem anderen bleibt, ist ein jämmerliches Lavieren zwischen der Vermeidung von Ohnmacht und der Unmöglichkeit von Allmacht, das um so mickriger wirkt, wenn es an einer Utopie von machtfreien Räumen zwischen einem Paar gemessen wird. Der Eifersüchtige hat seine Vorstellung von Loslassen und Festhalten mit der Grenze dessen, was er ertragen kann und will, neu zu definieren, und das ist eine entnervende Angelegenheit.
Es war einmal, soll jedenfalls nach psychoanalytischer Deutung so gewesen sein, daß Liebe und Fressen eines waren. »Liebe will immer alles«, vergegenwärtigt sich Hildegard Baumgart etwas erschrocken den totalitären Charakter dieses Gefühls. Als göttlicher Funke empfunden hat es die schwarze Nachtseite des Feuers, das verzehrt, was es brennt. Wie es vom himmlischen Gipfel herunterzuholen ist in eine menschliche Lebensform, hat die Geschichte vielfältig und zu verschiedenen Zeiten sehr unterschiedlich beantwortet. Heutzutage, bei verbreiteter Unverbindlichkeit und einem Durcheinander verschiedenster Leitvorstellungen, ist es für jedermann nicht leicht, das rechte Maß zu finden.
In einem Schub von Eifersucht ist keine Regelung mehr recht. Die Vernunft mag vielleicht akzeptieren, daß es beim anderen mit der Liebe wie mit Landschaften sein kann, in einer daheim, aber andere auch von Reiz. Doch unter den Schichten der Erwachsenheit
greint das Kleinkind, es allein wolle die einzige Landschaft sein.
Daß einer nicht mehr weiß, wo er aufhört und der andere anfängt, solche Momente gibt es zwischen zweien, wenn es denn gut war: weniger Rückkehr in kindliches Glück von Symbiose als dessen Neuschöpfung. Gelingt sie nicht mehr, weil einer von beiden sie so nicht mehr will, steigert das Vorenthaltene beim anderen erst recht die Bedürftigkeit, um so mehr, wenn er in der Kleinkinderzeit Mangel an Symbiose litt.
Früheste Schmerzen kehren wieder, als Abtrennung noch mit der Angst vor Verhungern beladen war. »Unsere Verlustgeschichte«, so Nancy Fridays Erfahrung, zeigt ihre düstersten Bilder, und im Kopf kreist der krude Gedanke: »Verluste, bis wir das Leben selbst verlieren.«
Auf Leben und Tod, das ist Säuglingssache und für gewöhnlich nichts weiter als eine vorübergehende Verwirrung. Wie es kommt, daß ein eifersüchtiger Mensch nicht bloß in der Phantasie die Metapher »weg gleich tot« durchspielt und damit innerlich Trennung übt, sondern in Wirklichkeit tötet, das Objekt seiner Liebe, die gemeinsamen Kinder, sich selber, seltener den Rivalen, behandeln beide Bücher nur am Rande. Die Tragödien sind über Kriemhild und Othello, Medea und Posdnyschew vielschichtiger erzählt worden als über traurige Zeitgenossen, deren Innenleben von Gerichten bloß unvollkommen erhellt werden kann, wenn es überhaupt dazu kommt. »Eifersucht: Pilot stürzte sich aufs Haus der Geliebten": ein Wahnsinn, wie ihn »Bild« zum Frühstück serviert.
In alltäglichen Fällen von Eifersucht ist die Aggression gebremst, aber durchaus da. Bei sehr männlichen Männern zielt sie überwiegend gegen die Frau; für das weibliche Geschlecht sind dagegen, wenn der Geliebte sich entzieht, Selbstmordphantasien typisch: Es ist bei jeder Konstellation gefährdeter.
Nach alter Analytikererfahrung hat sich bewährt (und beide Bücher lehren es ebenso), die destruktiven Wünsche nicht zu verdrängen, sie würden untergründig weiterwüten und vielleicht den Hund oder ein Opfer im Straßenverkehr treffen, sondern mit allem Mut die häßliche Seite seiner selbst zu betrachten. Nur wer seinen Haß kennt, wer seine Wut zu ihren Quellen verfolgt, der wird sein Ungeheures zu beherrschen lernen.
Nancy Friday hatte die größten Probleme, sich ihren Neid einzugestehen, Neid auf die sexuelle Attraktivität des anderen bis hin zu Neid auf die traditionelle Option des Männergeschlechts zum Zugreifen. Neid ist derart negativ besetzt, daß er für gewöhnlich im moralinsauren Selbstbetrug unerkannt schwärt:
Wer Treue hielt mit dem Hintersinn, der andere möge Gleiches mit Gleichem vergelten, der projiziert bei einem Bruch des oft genug unausgesprochenen Vertrages das, was er selber gern täte, in phantastische Abenteuer des anderen, die vielleicht so besonders gar nicht sind.
Der Neid reicht, so sagt Hildegard Baumgart sehr viel deutlicher, bis in die diffusen Schichten der Homosexualität. Das Auch-haben-Wollen richtet sich nicht bloß auf das Begehrtsein der dritten Person, sondern in verschlungenen Pfaden bis hin auf sie selbst: So verrät sich durch ein Interesse an der organischen Beschaffenheit des Rivalen oder in Phantasien von einer Dreier-Vereinigung, sehr viel subtiler auch in der Abwehrformel, wie sie Freud aus männlicher Warte charakterisierte: »Ich liebe ihn ja nicht, sie liebt ihn.«
Ein Lebenskünstler, der daraus einen Witz macht, wie jener kleine Angestellte aus dem Bayrischen, der einen Augenblick »rot« sah, als seine Frau von seinem Chef zum Abschied nach einem Betriebsfest inniglich geküßt wurde, worauf der Mann dem Manne »auch einen draufgeschmatzt« hat und alle drei lachen mußten. Wie sich aus der Demütigung einer Frau durch ihren Tropf von Mann, der seine Geliebte ins Haus mitbringt, ein zärtliches Verhältnis zwischen den beiden Frauen entwickelt, führt der US-Regisseur Spielberg gegenwärtig dem Massenpublikum in seinem jüngsten Film vor: »Die Farbe Lila«.
Für gewöhnlich ist eifersüchtige Konkurrenz mit der Angst beladen, daß sie
nicht gut ausgehen könnte. Der Narzißmus ist zutiefst gekränkt durch die Vorstellung, daß am Rivalen dran sein könnte, was einem selber abgeht, ein um so größeres Privatunglück, wenn es stimmt, wie eine Reihe von Beobachtern meinen, daß unsere Kultur zunehmend von Narzißmus geprägt wird. Eifersucht gilt allgemein als Ausdruck eines Mangels an Selbstwertgefühl, was aber nichts Besonderes wäre, denn da hat jedermann irgendwelche Defizite. Beide Autorinnen zeigen auf, daß es umgekehrt die Eifersucht ist, die den bis zu ihrem Auftreten einigermaßen austarierten Selbstwert gründlich ruiniert.
Unsicher und bei sich selbst unbeliebt wie einer dann ist, hat er eine Konkurrenzsituation zu bestehen. Da scheint vor allem das weibliche Geschlecht seine Not zu haben. Nancy Friday fiel auf, wie kampflos gerade Frauen von Reiz, äußerlich erfolgreich, zu verlieren bereit waren: in der Haltung ganz das kleine Mädchen, das gegen die Mutter nicht aufkommen konnte und ein Messen mit einer anderen Frau nie mehr wagt.
Männer dagegen, die sich aus der Bemutterung in Jungencliquen flüchteten, im frühen Spiel wie später in Berufsseilschaften Wettbewerb übten, sind da besser gerüstet. Hildegard Baumgart berichtet, wie sie sich nach einer Phase von Konfusion aufrappelten und ins Zeug legten, sich miesmachend über den Rivalen äußerten und sich hoch über dessen »berufliche, finanzielle, menschliche Unterlegenheit« stellten. Ist ihnen die Rückeroberung geglückt, ließen sie sich gern bestätigen, daß sie im Bette die Größten seien.
Mit einer eifersüchtigen Konkurrenz zweier Männer, die schließlich nicht mehr um die Frau, sondern um die Karriere geht, amüsiert die deutsche Filmemacherin Doris Dörrie nun auch ein US-Publikum: »Männer«.
Im New Yorker Neurotiker-Set ward auch der Typ des ewigen Siegers ausgemacht (es dürfte ihn hier ebenso geben), der den Wettbewerb leugnet und somit, was immer ihm tatsächlich passiert, gar nicht verlieren kann: Ihm kommt dafür Realität abhanden.
Sie bricht oft genug mit einer Szene ein, die sich der Eifersüchtige quälend wiederholt: »Ich sah das Tier, das in beiden saß«, muß sich Posdnyschew in Tolstois »Kreutzersonate« immer wieder vergegenwärtigen. Wem so ein Bild fehlt, der martert sich mit der Ungewißheit, und unzählige Phantasmen fächern sich auf. »Ich will sie wenigstens sehen«, ein typischer Impuls bei einer Eifersüchtigen, die ausbricht aus dem Kreis der sie abschirmenden Freunde und in das Lokal stürzt, wo ihr Mann mit der anderen gerade sitzt. Solche Konfrontationen sind fast immer unangenehm, dennoch raten Therapeuten wie Hildegard Baumgart in der Regel zu einer, allerdings sorgfältig vorbereiteten Begegnung mit der dritten Person, »damit das Mystische abfällt« und sie »kein Gott oder Gespenst mit unklarer Macht bleibt«.
Es kommt allerdings darauf an, den Realitätsgewinn realistisch zu nutzen und nicht den »masochistischen Schauzwang« zu nähren. Dieses Gemenge von Lust und Qual, dieses immer wieder Hinsehen-Müssen, in Gedanken oder auch durch tatsächliches Spionieren, ist das demütigendste Element der Eifersucht. Mit dem voyeurhaften Drang geht oft genug ein exhibitionistischer Zwang einher. Der Leidende führt sein Leiden vor, er muß immer wieder davon sprechen und weiß doch, daß er seine Umgebung nur noch nervt. »Das kann schon niemand mehr hören«, den Satz hat die Therapeutin Baumgart oft genug gehört.
Im »Auge des Orkans« so einer Krise steht nach ihrer Erfahrung aber nicht der Rivale, sondern die Beziehung des Paares. Sie ist um so kranker, je unrealistischer der Konkurrent ist. Wenn schon ein Lächeln, das fremdgeht, beim anderen einen Wahn auslöst, so ist dessen Eifersucht nicht mehr in die Normalität einzuordnen.
Das grünäugige Ungeheuer zu kitzeln, ohne es loszulassen: Für Freud war der Flirt ein kluges Gesellschaftsspiel, »die unabweisbare Neigung zur Untreue dadurch zu drainieren und unschädlich zu machen«. Das Dumme in heutiger Freizügigkeit ist nur, daß niemand mehr ganz genau weiß, wohin ein Flirt so führt.
Nancy Friday: »Eifersucht - Die dunkle Seite der Liebe«. ScherzVerlag, Bern/München; 480 Seiten; 39,50 Mark. Hildegard Baumgart:"Eifersucht«. Rowohlt Verlag, Reinbek; 384 Seiten; 28 Mark.