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HÖRFUNK Das isser!

Wegen seiner harschen Kritik an Biermann fühlt sich der Rundfunk-Kabarettist und »Bürgerschreck« Balduin Baas vom WDR zensiert und boykottiert.
aus DER SPIEGEL 6/1977

Unter den Sozis ist »die Seele im Arsch«, ein bei Musik metzelnder Chirurg ist »ein Arschloch«, »der Hauptmann hat' -- Parademarsch -- »ein Loch im Arsch«.

In Brokdorf demonstrieren »linke Pisser«. Eltern sind »Leute, die gern Kot riechen« und »stundenlang auf den von ihnen erzeugten Fleischhaufen"' dieses »schwachsinnige Wesen« starren.

Wenn Männer vor Ort plötzlich »eine Damenbinde« entdecken, sollen sie sich ahnungslos an die Dame wenden: »Oh. was ist das für ein süßes Kissen?«

Sie: »Aber mein Herr' was machen Sie da mit dem Knie beim Tanzen?« Er: »Was heißt hier Knie? Das isser!«

Mit solch zotigen Pointen und zündenden Witzen wollte der ehemalige Postangestellte Balduin Baas' 54, am 13. Januar die Radio-Hörer an Rhein und Ruhr wieder mal »schocken, unterhalten, aufhorchen lassen«. Für die 23. Folge seiner seit 1971 über WDR II ausgestrahlten Solo-Revue »Seid frech zueinander« hatte der aus Film, Funk. Fernsehen ("Ich spiele alles") leidlich bekannte »Bürgerschreck« ("Hamburger Abendblatt") wieder mal kabarettistischen Klein- und anrüchigen Schweinkram verquirlt.

Doch bei der Januar-Ausgabe des Baas-Beitrages riß WDR-Unterhaltungschef Heinz Schröter die Geduld: Er strich rund drei Viertel des Manuskripts ("Das geht nicht") und tadelte den Autor in »einem hitzigen Disput« (Baas): »Die Empfindlichkeit der Gremien lehnt das einfach ab.«

Diesen Vorwurf, den Schröter »selbstverständlich für die gesamte Sendung aussprach«, deutete Baas als »gezielten« Schuß gegen eine 39-Zeilen-Passage über Wolf Biermann.

Der »pathetische alte Mann« aus der DDR. so Baas in pamphletischem Hauruck, sei ein »humorloser, verklemmter, trister Musiker«, der für seine »belämmerten, beschissenen, reaktionären Texte« von »befohlenem Publikum vor Begeisterung erdrückt« werde.

Diese Biermann-Schelte ging allerdings nach Schröters Veto nicht über den Sender. Baas und WDR-Redakteur Bachor mußten aus dem kümmerlichen Rest und alten Baas-Programmen rasch eine Ersatz-Sendung montieren. Der Autor kündigte wütend seine weitere Mitarbeit auf.

Dann geschah Merkwürdiges. Fünf Tage nach Ausstrahlung des Behelfsprogramms druckte »Bild« Auszüge aus der Biermann-Passage und eine Stellungnahme von Baas, der dem Blatt sein Manuskript zugespielt hatte: »Wenn Biermann sieh vier Stunden lang im Fernsehen bejubeln lassen darf«, so Baas, »möchte ich ihn wenigstens 60 Sekunden kritisieren können.«

Von dem Pressewirbel aufgeschreckt, ließ sieh nun WDR-Hörfunkdirektor Manfred Jenke, gerade zu Gast in Hamburg, expreß ein weiteres Manuskript an die Elbe kommen: eine »Die weiße Taube« betitelte »Posse mit Gesang und Tanz«, Autor und Erzähler: Balduin Baas.

Das bereits 1974 geschriebene, 1975 produzierte, honorierte und »von der Redaktion sehr positiv beurteilte« (Baas) Manuskript erzählt (banal, aber ohne Zoten) die Geschichte des holsteinischen Mädchens Marietta. das über den Hamburger Strich als Photomodell in der Lüneburger Heide landet.

Diese billige Moritat, entrüstete sich der sonst nicht zimperliche Jenke, »ein alter Fan meiner Programme« (Baas), in einem internen Schreiben an die Redaktion, verletze die »sittlichen Überzeugungen« des WDR-Publikums' diene bloß voyeuristischen Reizen der Schlüsselloch-Perspektive und sei deshalb »nicht sendefähig«. Am vorigen Samstag, zur besten Sendezeit, mußte der WDR abermals Ersatz ausstrahlen.

Baas sieht in diesem »geradezu ungeheuerlichen« Vorwurf des SPD-Mitglieds Jenke eine »billige Rache« für seine Biermann-Attacke: »Ich muß den WDR jetzt wegen kompakter Schädigung meines Rufes verklagen.«

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