LUFTFAHRT / F-111 Deftige Rüge
Als Robert McNamara, Weltbankpräsident, noch Amerikas Verteidigungsminister war, hatte er ein Lieblingsprojekt, wie weiland Franz Josef Strauß seinen »Starfighter": das Mehrzweck-Kampfflugzeug »F-111«, damals gepriesen als militärisches Wunderflugzeug der siebziger Jahre.
Nun blieb von dem Wundervogel (Deckname bei Geheimkonferenzen mit der Herstellerfirma: »Projekt Ikarus") ein handfester Rüstungsskandal. Und nachträglich lädiert wurde der ohnehin beschädigte Nimbus des einstigen Ford-Direktors McNamara als eines kühl rechnenden Managers der Macht.
Nach achtjähriger Spürarbeit legte vorletzte Woche ein Untersuchungsausschuß des US-Senats den Abschlußbericht über die Affäre »F-111« vor -- die sich als bislang kostspieligste Rüstungs-Fehlplanung der Vereinigten Staaten entpuppt.
Auf Anregung John F. Kennedys hatten Anfang der sechziger Jahre US-Luftwaffe und -Marine mit einem gemeinsamen Superflugzeug ausgerüstet werden sollen: einem Mehrzweckmodell, dessen schwenkbare Tragflügel es möglich machen sollten, auf nur 600 Meter langer Piste zu starten und zu landen, im schallschnellen Flug flach über Hügel und Häuser hinwegzuhuschen und gleichwohl in 10000 Meter Flughöhe mit zweieinhalbfacher Schallgeschwindigkeit zu fliegen.
Härter als je bei einem anderen Projekt konkurrierten damals die Flugzeug-Konzerne Boeing und General Dynamics um den endgültigen Zuschlag. Entgegen dem Ratschlag zahlreicher technischer und militärischer Experten, die den Boeing-Entwurf für gelungener hielten, versteifte sich Verteidigungsminister McNamara auf sein Votum für General Dynamics, Jahrelang galten die »Ikarus«-Geheimkonferenzen hauptsächlich dem Ziel, die alsbald zutage tretenden Mängel des Projekts wieder glattzubügeln. Doch das Flugzeug blieb, gemessen an der ursprünglichen Planung, zu schwer (etwa 20 Prozent Obergewicht), zu unbeweglich (es wäre bei Luftkämpfen den sowjetischen »Mig 21« unterlegen), zu kurzatmig (die Reichweite schrumpfte von ursprünglich geforderten 4180 Meilen auf 2750 Meilen) und viel zu teuer.
Anfangs hatten die geplanten 1704 Flugzeuge insgesamt 5,5 Milliarden Dollar kosten sollen; nun werden nur noch 538 »F-111«-Maschinen gebaut -- für rund acht Milliarden Dollar. Die Luftwaffen-Version der »F-111« wurde von 1968 an über dem Dschungel von Vietnam erprobt -- mit katastrophalem Ergebnis. Von sechs versuchsweise eingesetzten Flugzeugen stürzten innerhalb von vier Wochen drei ab, zwei davon mutmaßlich wegen technischer Mängel. Insgesamt sind sechs Jahre nach dem Erstflug schon mehr als 20 Exemplare der »F-111« zu Bruch gegangen.
Doch der vom US-Senat eingesetzte Untersuchungsausschuß sah sich, wie der abschließende Bericht feststellt, »merklichem Druck von allen Seiten ausgesetzt«, die daran interessiert waren, den Skandal zu vertuschen. Namentlich McNamara selbst, der viel persönliches Prestige Investiert hatte, verstand sich offenbar mehrmals zu ungenauen oder Irreführenden Aussagen vor dem Senats-Ausschuß.
Das hinderte die Senatoren freilich nicht daran, jetzt dem einstigen Chefmanager der amerikanischen Rüstung deftige Rügen zu erteilen.
Insgesamt, so stellt der Untersuchungsausschuß fest, sei mit dem fehlgelaufenen »F-111«-Projekt »der Verteidigungsbereitschaft der amerikanischen Nation schwerer Schaden zugefügt worden«. Und der Verteidigungsminister a. D. mußte sich bescheinigen lassen, er habe sich nur oberflächlich orientiert, habe »willkürliche, unkluge Entscheidungen« getroffen und »mangelnde Voraussicht« walten lassen, als »eine Katastrophe sich schon abzeichnete«.