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Alice Schwarzer über Rolf Hochhuth: "Frauen und Mütter ..." Der Mann und die Peitsche

Alice Schwarzer, 30, politische Korrespondentin in Paris, ist bekannt geworden durch ihr Engagement in der Auseinandersetzung um den Paragraphen 218 und durch ihre bei Suhrkamp erschienenen dokumentarischen Streitschriften »Frauen gegen den § 218« und »Frauenarbeit -- Frauenbefreiung«. -- Rolf Hochhuth, 42, hat im Anhang zur Buchausgabe seiner neuen Komödie »Lysistrate und die Nato« einen Essay über »Frauen und Mütter Bachofen und Germaine Greer« veröffentlicht; Untertitel: »Studie zu einer neuen Lysistrate«.
Von Alice Schwarzer
aus DER SPIEGEL 1/1974

Es gibt Texte, da lohnt sich die Auseinandersetzung. weil sie inhaltlich Neues bringen. Andere reizen durch ihre formale Brillanz zur Reaktion. Für Hochhuths Essay »Frauen und Mütter, Bachofen und Germaine Greer« gilt beides nicht: Einzig beachtenswert daran ist, daß sein Verfasser so berühmt ist, daß das, was er schreibt, gedruckt und in hohen Auflagen vertrieben wird. Und es ist bemerkenswert, daß in einer Epoche, in der offenbar Antisemitismus und Rassismus selbst bei Reaktionären als unfein gelten, offener Sexismus selbst für einen sich progressiv gebenden Autor möglich, ja offensichtlich sogar chic ist.

Rolf Hochhuth hat also eine »Studie« über Frauen geschrieben, veröffentlicht im Anhang seines neuen Stuckes, Der Autor leidet unter dem Malheur, in einer Zeit zu leben, in der »kein Mann mehr an einem Kiosk oder Buchladen vorbeigehen kann, ohne belästigt zu werden durch die Denunziation, er und seinesgleichen gefielen sich seit tausend Jahren in der Rolle dessen, der einmal empfohlen hat, »die Peitsche' nicht zu vergessen, wenn man »zum Weibe« gehe«.

Nicht die Vermarktung des weiblichen Körpers auf den Illustrierten Titeln also stört ihn, sondern der im Wort verbreitete »Emanzipations-Lärm«. Rolf Hochhuth muß sensible Ohren haben, denn diesen Lärm macht Women"s Lib in Amerika und machen die Dollen Minas in Holland, bundesdeutsche Frauen zeichneten sich bisher zwar durch Unmut gegen den § 218 und die Unterbezahlung aus, kaum aber durch männerverschreckende Taten und Theorien. Hochhuth jedoch, offensichtlich in Eile, will antworten, noch bevor er gefragt ist, will ein für allemal klarstellen, daß Frauen in der Geschichte immer gleiche Chancen wie Männer hatten und sie sogar zu nutzen wußten.

Beweise? Nichts einfacher als das. In der »späten Perückenzeit« zum Beispiel gab es eine »Madame de Simiane, die befand, daß Virginiatabak mit einer Steuer belegt werden müsse. So mächtig also waren damals schon Frauen Und bei dieser Dame blieb es nicht: »Im 18, Jahrhundert«, so zitiert Hochhuth Simone de Beauvoir, »nehmen Freiheit und Selbständigkeit der Frau noch zu.« In einem solchen Ausmaß, daß adelige und bürgerliche Frauen »dank ihrer beschützerischen und inspiratorischen Funktion das Lieblingspublikum der Schriftsteller« bilden. »Natürliche« Berufung zur Muse und totale Kenntnis des Abc -- wer mag da 200 Jahre später noch vom Bildungsrückstand reden?

In Vagina und Gebärmutter liegen Bestimmung und Macht des anderen Geschlechts. Wie aber konnte dennoch »die Machtlosigkeit der Frau zum meistzerquatschten Gemeinplatz unseres Zeitalters« werden? Hochhuths Antwort: »Das ist nur erklärbar, weil die Frauen doch schon in erheblicher Zahl die Kommandobrücken der Massenmedien unterwandert haben,«

Man sieht, noch nicht einmal vor der Lächerlichkeit hat der Rowohlt- Lektor seinen Autor bewahrt. Von der tumben Selbstherrlichkeit und hämischen Manipulation ganz zu schweigen. Da scheut Hochhuth selbst davor nicht zurück, Simone de Beauvoir (die in »Das andere Geschlecht« die erste konsequente Analyse des »ewig Weiblichen« lieferte und es als Vorwand zur Unterdrückung und Ausbeutung der einen Hälfte der Menschheit durch die andere demaskierte!) mit einem aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat für seine These mißbrauchen zu wollen: Schon sie habe geschrieben, daß die erste Emanzipation der Frau die als Kurtisane sei.

Mal in Germaine Greer geblättert, durch Engels was vom alten Bachofen gehört und drei, vier Zitate von der Beauvoir in der Schublade, das reicht, Damit demonstriert Hochhuth erst die weibliche Chancengleichheit, um dann den Schluß der weiblichen Ungleichheit zu ziehen; er verwechselt Ursache und Wirkung und läßt sich selbst innerhalb seiner eigenen Argumentation durch den Luxus der Logik nicht bremsen.

Für die Nazis waren Juden Untermenschen; für Hochhuth sind Frauen Untermänner -- was auf ein und dasselbe rauskommt. da für ihn der Mann der Mensch schlechthin ist. Ihn kopiert die Frau, wenn sie aus dem Haus in die. Welt drängt und so belegt, »daß Flakes Entdeckung ihrer Kopistennatur eine mindest bis heute unumstößliche Wahrheit ist -- wenn nicht sogar ein angeborener Defekt« --

Juden sind geizig und hakennasig, Neger faul und potent, Proleten zum Dienen geboren und Frauen faul und charakterlos. Das alles liegt am fehlenden »Trieb«. -- Welcher Trieb? Na eben der, der das Mannsbild zur Aktion, Kreation, Macht treibt. Den haben, so erkennt Hochhuth, Weibsbilder nicht -- was nicht etwa an der Konditionierung, an einer Jahrtausende währenden Erziehung zur Demut und zum Anderssein liegt, sondern »biologisch« begründet, also »weiblicher Natur sei.

Kein Grund zum Verzweifeln, meine Damen! Uns bleibt das ewig Weibliche, uns bleiben Mutterschaft und Eros. Das haben wir den Männern voraus. Zur vollen Entfaltung dieser Talente rät Hochhuth den Frauen: Verweigert die Arbeit! (Womit er sicher nur die entlohnte, nicht die Gratisarbeit im Haus meint.) Huldigt dem Eros! Werdet promiskuös! (Nur mit Männern, versteht sich.) Und was wird dann sein? Antike Lust wird wiederauferstehen: »Dadurch herrscht das Weib im täglichen Leben, mehr noch in den Mysterien ... Helena, die durch der Reize Fülle selbst bei Greisen Sehnsucht erweckt« (Bachofen).

Und diesen Zustand, in dem Helena ihr höchstes Glück im Aufmuntern von Greisen sehen würde, nennt Hochhuth dann »Matriarchat«, Frauenherrschaft. Das scheint ihm die fällige Antwort auf »Krieg und Umweltverschmutzung«. scheint ihm die historische Berufung der Frau. Entlarvend ist, daß er selbst bei einer so hemmungslosen Anwendung der Begriffe nur in Machtkategorien denken kann: Wo das Patriarchat schon nicht herrscht, muß das Matriarchat dominieren. Abschaffung von Machtbeziehungen an sich -- der Gedanke ist ihm sichtlich nie gekommen.

Ginge es um Rassismus oder Antisemitismus, wäre es einfach -- noch dazu bei einem so simplen Gegner. Aber es geht um Sexismus. Kein Konflikt auf dieser Welt ist mit so viel Ignoranz, Verleumdung und Böswilligkeit beladen wie der zwischen den Geschlechtern. Systematisch wurde das, was Hochhuth »Trieb« nennt, in den weiblichen Menschen verschüttet. Nur so ist es möglich. Frauen die gesamte Gratisarbeit im Haus aufzubürden. Nur so ist es möglich, jede zweite Arbeitnehmerin mit unter 600 Mark abzuspeisen. Die Erziehung hat aus Frauen auf Männer fixierte, ihnen sozial, emotional, sexuell und ökonomisch ausgelieferte Kreaturen gemacht. »Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es (Beauvoir). Wo Leute wie Hochhuth von der »menschlichen Natur« reden, muß ihnen entschieden die Konditionierung entgegengehalten werden -- egal, ob es sich um die der Klassen, Rassen oder Geschlechter handelt.

Aber diese frauenspezifische Konditionierung macht nicht nur minderwertig. Frauen werden mit dem Besinnen auf sich selbst auch Werte in die Evolution einbringen, die Männern verlorengingen: Emotionalität etwa, die offen, wenn auch verachtet, nur bei den Frauen überdauern konnte. Insofern geht es den revoltierten Frauen keinesfalls um Gleichstellung -- und da irrt nicht nur Hochhuth! -, nicht um Vermännlichung, sondern um Vermenschlichung der Geschlechter. Sie pfeifen auf die von Hochhuth propagierte Weiblichkeit und auch auf seine demonstrierte Männlichkeit. Erstrebenswert scheint ihnen eine Gesellschaft, in der Individuen sich ohne Sex-Etikett realisieren können.

Bis dahin ist ein noch weiter und sicherlich auch schmerzlicher Weg Warum aber sollte der Dichter und Denker sein den Frauen so angedientes »Rezept Eros« inzwischen nicht selbst schon ausprobieren? Warum wählt Hochhuth nicht das erfüllende Leben eines Strichjungen, der in der Horizontalen berühmte Dramatiker inspiriert? Ganz wie die »emanzipierten Kurtisanen«. Sein Hormonhaushalt -- das sei ihm physiologisch verbindlich versichert -- macht's durchaus möglich.

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