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DER VERLAG DER AUTOREN

aus DER SPIEGEL 21/1970

ist Anfang April 1969 als erster genossenschaftlicher Bühnenverlag der Bundesrepublik in Frankfurt gegründet worden. Initiatoren waren der ehemalige Chef der Suhrkamp-Theaterabteilung Dr. Karlheinz Braun, 37, der seinen Posten aus Verdruß über die autoritäre Geschäftsführung des Verlegers Dr. Siegfried Unseld verlassen hatte (wie schon var ihm die Suhrkamp-Lektoren Boehlich, Widmer und Urban), und der Dramaturg Wolfgang Wiens, 29, den Suhrkamp gerade dem Frankfurter »Theater am Turm« wegengagiert hatte. Mitbegründer des Verlages, der bis heute ausschließlich Theater-, Funk- und Fernsehrechte vertreibt und so bei den üblicherweise hektographierten Bühnentexten mit einem ungleich geringeren Produktionsaufwand auskommt als ein Buchverlag, waren die Autoren Bazon Brock, Wolfgang Deichsel, Peter Handke, Günter Herburger, Hartmut Lange, Gerlind Reinshagen, Erika Runge, Martin Sperr, Dieter Waldmonn, Konrad Wünsche und Jochen Ziem, die meisten Überläufer aus dem Hause Suhrkamp. Inzwischen hat sich die Zahl der Autoren, Übersetzer und Bearbeiter im Verlag der Autoren auf 58 erhöht; Armand Gatti gehört dazu und Marguerite Duras, Rainer W. Fassbinder und Hans-Magnus Enzensberger; das Programm umfaßt heute, nach gut einem Jahr, 96 Titel.

Das Modell des Unternehmens (Poststempel: »Der Verlag der Autoren gehört den Autoren des Verlages") ist gebremst sozialistisch: Alle Autoren sind zugleich Kommanditisten des handelsrechtlich als »GmbH & Co KG« eingetragenen Unternehmens. Sie beziehen, wie bisher, ihre Tantiemen und partizipieren zudem, teils in gleichen Raten, teils nach Erfolg gestaffelt, am Gewinn des Verlages. Die Geschäfte führen »Delegierte« (zur Zeit Braun und Wiens), die alle drei Jahre abgewählt werden können; gegen ihre Entscheidungen verfügen die Autoren über ein sinnreich gestuftes Einspruchsrecht. Braun und Wiens, die gegenwärtig noch die gesamte Lektorats- und Büroarbeit allein erledigen, beziehen Gehälter (zusammen 3150 Mark); als Gewinnbeteiligte sind sie den Autoren gleichgestellt.

Die erste Bilanz, die der Autorenversammlung im April von den Delegierten vorgelegt wurde, weist (für die ersten neun Monate) Einnahmen in Höhe von 65 006,41 Mark aus; der Verlust in diesem »beinahe reinen Investitionsjahr« beträgt annähernd 35 000 Mark. Doch im Hinblick auf die in dieser Zeit erarbeiteten Titel (30 deutschsprachige, 13 ausländische Theaterstücke, 17 Klassiker-Neufassungen, 10 Jugendstücke und 32 Fernseh- und Hörspiele) »verwandelt sich«, so das Sitzungsprotokoll, »die Verlustrechnung der Bilanz in eine Gewinnrechnung«.

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