KUNST / BIBEL-ILLUSTRATIONEN Devise am Hut
Für die Klagen des Propheten Jeremia hatte der Pop-Künstler Peter Blake, 37, keinen Sinn. Trotz mehrfacher Lektüre blieb ihm das Lamento unverständlich.
Erst von Schrift-Worten, die er danach las, fühlte sich der Brite angesprochen und angeregt. Die Predigten der kleinen Propheten Habakuk und Haggai beispielsweise inspirierten ihn zu mürrisch blickenden Autoren-Porträts, und die Legende von Susannas Keuschheit gab ihm Illustrationen im Comic-Stil ein: Der Künstler zeichnete das sagenhafte, von Lustgreisen belauerte Sittenvorbild als fesches Topless-Girl am Swimming-pool.
Bibel-Lesefrüchte nach eigenem Geschmack lieferten außer Blake unlängst noch 21 weitere englische Maier und Zeichner: Zu einer fünfbändigen Ausgabe des Alten Testaments. die ab Herbst bei der Oxford University Press erscheinen und pro Band 30 Mark kosten soll, steuerten sie 648 Illustrationen in allen gängigen Kunst-Idiomen bei. Nun sind die Blätter --Feder-, Kreide- und Bleistiftzeichnungen, Aquarelle, Gouachen und Radierungen -- in der Londoner Royal Academy ausgestellt.
Den Anstoß für die Team-Arbeit am Alten Bund hatte vor sechs Jahren eine Beschwerde des »Times Literary Supplement« gegeben. Der anonyme Autor beklagte den Tiefstand der meist süßlichen Bibel-Bilder in britischen Editionen und empfahl Abhilfe durch einen alten Meister: durch den national renommierten Maler. Buch-Illustrator ("Die Araber") und Tapeten-Designer Edward Bawden, 65.
Supplement-Leser Bawden schlug flugs der Oxford University Press ein Gemeinschaftswerk vor und fand Gehör: Noch 1962 wurde der gemischte Künstler-Kreis benannt. 1966 lagen dann die Beiträge zum frommen Album vor.
Illustratoren der älteren Generation stellten viele Arbeiten in realistischer, impressionistischer und expressionistischer Manier -- so Veteran Bawden mit konventioneller Lesebuch-Graphik.
Phantasiereicher hat der Bühnenbildner Edward Burra die Horrorgeschichte von der Wand-Inschrift »Menetekel« im Palast des Königs Belsazar variiert. Und der Prediger Salomo erscheint, von Brian Robb gemalt, als eine Art Moloch mit Sombrero: Der Künstler hat ihm (zum Bibel-Wort »Die Hüter im Hause zittern, und die Starken krümmen sich") menschliches Kleinvolk in den Bauch gesetzt und die Prediger-Devise »Es ist alles ganz eitel« an den Hut geschrieben.
Die subtilsten Kunst-Stücke aber kamen von Pop-Leuten wie Blake, dem Documenta-Teilnehmer David Hockney, der die Story vom babylonischen Exilluden Nehemia und seinem Kummer im zerstörten Jerusalem mit raffiniertem Witz bebilderte, oder von der Pop-Lady Carol Annand.
Die Künstlerin ließ sich für ihre collagehaften Moses-Illustrationen durch Zeitungsphotos, Kaufhaus-Kataloge und Inserate von Möbelgeschäften anregen. Resultat der Kombinationstechnik: eine dunkle Rückenansicht des weihrauchspendenden Gesetzesstifters vor seinem großen Gott, der eine Brille trägt.